CO2-Abgabe
Diese Steuer kann das Klima retten - ohne Steuerzahler zu ärgern
Ist der Klimawandel überhaupt noch zu stoppen?
US-Ökonomen sehen die Lösung in einer Steuer auf Benzin, Gas und Kohle, deren Einnahmen direkt wieder an die Bürger ausgeschüttet werden.
Mitte Juli ereignete sich in den Vereinigten Staaten etwas Ungewöhnliches: Der Politiker
Carlos Curbelo, Mitglied des US-Repräsentantenhauses, läutete eine neue Phase im Kampf gegen den Klimawandel ein. Er veröffentlichte einen Plan zur Einführung einer Carbon Tax (Kohlenstoff-Steuer),
einer Strafsteuer auf CO2.
Das besondere: Curbelo ist Republikaner, ebenso wie
Präsident Donald Trump, der oberste Leugner des Klimawandels in den Vereinigten Staaten.
Damit macht sich zum ersten Mal ein amtierender republikanischer Abgeordneter für eine Steuer auf das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid stark. Entwickelt wurde die Idee der Carbon-Tax von
Wirtschaftswissenschaftlern. Der
US-Ökonom Gilbert Metcalf
beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Idee. Im Interview erklärt er, warum die Steuer ohne großen bürokratischen Aufwand umzusetzen wäre - und die Bürger neue Belastungen nicht fürchten müssten.
SPIEGEL ONLINE: Was ist die Idee hinter der CO2-Steuer?
Gilbert Metcalf: Abhängig von ihrem CO2-Gehalt werden fossile Brennstoffe wie Erdgas, Kohle und Öl mit einer Steuer belegt. Das könnte sicherstellen, dass der Preis für fossile Energie die wahren Kosten widerspiegelt, die ihre Produktion verursacht - also einschließlich der Schädigung von Umwelt und Klima. Mit der Steuer würden die Mechanismen des Marktes in den Dienst des Klimaschutzes gestellt.
SPIEGEL ONLINE: Wie stark würden Verbraucher belastet?
Metcalf: Das unterscheidet sich stark von Land zu Land und hat damit zu tun, wie viele energieintensiv hergestellte Produkte Verbraucher nachfragen.
In den USA wird häufig eine CO2-Steuer von 40 Dollar pro Tonne ausgestoßenes Kohlendioxid diskutiert. Bei den Benzinpreisen würde es dazu führen, dass der Preis für eine Gallone (etwa 3,7 Liter) um 38 Cents steigen würde.
SPIEGEL ONLINE: Der US-Radiosender NPR hat berichtet, Verbraucher müssten pro Jahr bis zu 500 Dollar zusätzlich bezahlen. Was würde mit den Einnahmen passieren? Sollen damit erneuerbare Energien gefördert werden?
Metcalf: Das müssen natürlich die Regierungen entscheiden. Gleich im ersten Jahr würde eine solche Steuer in den USA etwa 100 Milliarden Dollar einbringen.
Soviel kann man überhaupt nicht in neue Energien stecken, das wäre nicht sinnvoll. Viel effizienter wäre, das Geld umgehend den Haushalten und Firmen zurück zu geben, die die Steuer bezahlt haben.
SPIEGEL ONLINE: Moment: Das Steueraufkommen wird einfach wieder an die Steuerzahler zurücküberwiesen?
Metcalf: Das ist die Idee, genau. Man könnte die Einkommenssteuer einfach entsprechend senken. Ein anderer Ansatz wäre es, jedem Haushalt einen identischen Betrag auszuzahlen, eine CO2-Dividende. Das schlägt gerade eine überparteiliche Gruppe von ehemaligen Spitzenfunktionären von Demokraten und Republikanern vor. Sie wollen pro Jahr vier Auszahlungen.
SPIEGEL ONLINE: In Deutschland gibt es die Ökosteuer. Deren Einnahmen fließen in den Staatshaushalt.
Metcalf: Ich kenne das deutsche System nicht gut. Wenn das Geld aber direkt wieder an die Bürger ausgezahlt wird hilft das, die politische Unterstützung der Bevölkerung für die Steuer zu sichern.
Benzin und Energie würden teurer, trotzdem hätten die Bürger am Ende nicht weniger Geld. Sie werden nicht das Gefühl haben, dass ihnen etwas weggenommen wird.
SPIEGEL ONLINE: Wenn der Verbraucher genauso viel Geld in die eine Tasche gesteckt bekommt, wie ihm zuvor aus der anderen Tasche weggenommen wurde: Welche Wirkung soll die Steuer dann überhaupt haben?
Metcalf: Sie setzt den Anreiz für Abermillionen Bürger, ihr Verhalten zu ändern. Für jeden Verbraucher lohnt sich dann die Überlegung, ob ihm eine Fahrt mit dem Auto den höheren Preis wert ist, oder ob er lieber preiswertere Alternativen wählt, etwa den Bus. Schadstoffarme Antriebssysteme bekämen so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Benzinmotoren. Deren Benutzung würde ja teurer. Adam Smith, der Begründer der Nationalökonomie, hat von der "unsichtbaren Hand" gesprochen, mit der Märkte die Wirtschaft leiten. Mit einer CO2-Steuer bekommt diese Hand einen grünen Daumen.
SPIEGEL ONLINE: Verursacht die Einführung der neuen Steuer nicht hohe Kosten? Wer soll die Steuer denn eintreiben?
Metcalf: Das wäre ausgesprochen einfach. Praktisch alle Länder haben bereits heute besondere Steuern, die auf fossile Brennstoffe erhoben werden. Das betrifft nicht nur Benzin. In den USA gibt es etwa eine Verbrauchssteuer auf Kohle. Mit den Einnahmen dieser "Black Lung Tax" werden Behandlungen für erkrankte Bergarbeiter bezahlt. Der Apparat zur Erhebung der Steuer ist also schon installiert, die Firmen melden schon heute ihren Verbrauch an die Behörden.
SPIEGEL ONLINE: Wenn die CO2-Steuer so einfach und schmerzlos für die Bürger umzusetzen ist: Warum wurde sie nicht schon längst flächendeckend eingeführt?
Metcalf: In den Vereinigten Staaten gibt es starke politische Interessen, die von einer CO2-Steuer getroffen würde, die Kohle-Kumpel und die Kohle-Industrie zum Beispiel. Sie wehren sich gegen diese Idee. Ich glaube aber, dieser Widerstand ist kein langfristiges Phänomen. Umfragen zeigen, dass sogar eine Mehrheit der Trump-Wähler versteht, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden muss. Die Initiative des republikanische Abgeordneten Curbelo zeigt das ja auch. In Europa wiederum gibt es andere Hürden.
SPIEGEL ONLINE: Welche denn?
Metcalf: Die EU war in den Neunzigerjahren sehr interessiert an der Einführung einer CO2-Steuer. Sie wurde dann aber nicht eingeführt, sondern ein System für den Handel mit CO2-Emissionen aufgebaut. Das ist auch eine Möglichkeit, höhere Preise für fossile Rohstoffe durchzusetzen. Die Einführung ist allerdings deutlich komplizierter als eine einfache Steuer, wie sie damals auch in der EU diskutiert wurde.
SPIEGEL ONLINE: Wieso hat sich Europa dagegen entschieden?
Metcalf: Das hat mit Besonderheiten der politischen Struktur zu tun. Die Einführung einer Steuer ist eine fiskalische Maßnahme, und die erfordern in der EU Einstimmigkeit. Der Emissionshandel hingegen gilt als Regulierungsmaßnahme, da reicht eine einfache Mehrheit.
SPIEGEL ONLINE: Die USA tun sich nicht erst seit Donald Trumps Präsidentschaft schwer mit dem Klimaschutz.
Metcalf: Ich würde gern den früheren britischen Premierminister Winston Churchill zitieren. Er hat mal gesagt: Die Amerikaner tun immer das Richtige - nachdem sie alles andere ausprobiert haben.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/so...-eine-co2-steuer-funktionieren-a-1220510.html
Damit wir uns schon mal an den Gedanken gewöhnen was als nächstes kommt.