Das Bundesgebiet neu gliedern könnte auch sowas wie eine Verjüngungskur unseres schwerfälligen und refomunwilligen Staates bewirken,
Das hast Du sehr gut und zutreffend formuliert.Im Alltag der Republik haben sich große Teile der Verfassung nicht bewährt. Sie ist zu starr, der Reform steht sie aus Prinzip ablehnend gegenüber. Überall sind hohe Hürden eingebaut, um irgendetwas von Belang bewegen zu können. Vieles ist an der Zweidrittelmehrheit, die unsere Verfassung für wichtige Richtungsentscheidungen verlangt, gescheitert.
Oft machten weniger die Interessen der Länder als die Ambitionen der Landesfürsten eine Einigung in Sachfragen unmöglich. Über die Neuordnung der Länder, die Reform des Föderalismus oder einheitliche Bildungsstandards konnte bisher nicht mal ernsthaft geredet werden. Die kleingeraspelte Macht hindert jeden Reformer daran, seine Reformen umzusetzen, wie das Gezerre um Steuersenkungen Ende 2003 gezeigt hat. Der Regierungschef des Landes war nicht in der Lage, den Bürgern die Steuern im gewünschten Umfang nachzulassen, obwohl er im Bundestag über eine Kanzlermehrheit verfügte.
Genauso war es wenige Jahre zuvor seinem Amtsvorgänger Helmut Kohl auch schon ergangen, als der Bundesrat von der SPD dominiert wurde und der damalige SPD-Chef Oskar Lafontaine die Blockade der Kohlschen Steuerreform zum Härtetest für die Geschlossenheit der SPD erklärte.
In Fragen der Bund-Länderbeziehungen hat sich ein bürokratischer Politikstil korioser Art eingebürgert. Der Bund kümmert sich um Dinge, von denen er nichts versteht, um die Gemeindefinanzen und die Küchen der Ganztagsschulen.Die Länder fühlen sich im Gegenzug für die Rentensicherheit, Gesundheitssystem und Pendlerpauschale zuständig.
Alle Länder mit ihren 147 Ministerien und 5500 Referatsleitern sind Teil einer riesigen Kompromißmaschine, die fast an jedem Werktag irgendwo in der Republik eine Sitzung abhält, ein Positionspapier verfaßt, das dann in Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen mit den Vertretern der Bundesministerien beraten wird.
Experten schätzen die Zahl der Arbeitsgruppen, die nur die Länder zur Abstimmung unterhalten auf rund 1000.
Immer mal wieder wird eine Straffung der föderalen Konsenzbürokratie beschlossen, mit meist nur mäßigem Erfolg. Der >>Arbeitskreis zur Verbesserung der Zahlungsmoral<< entfiel, die Arbeitsgruppe >>Beratungsecken in Apotheken<< durfte bestehen bleiben. Das ist gelebter >>Verbundföderalismus<<, der von der Verfassung in Artikel 30 ausdrücklich gewollt ist: >>Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben ist Sache der Länder.<<
Und in Artikel 50 heißt es nicht minder deutlich: >>Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit.<<
Nahezu alle Experten schütteln heute mit dem Kopf über das, was da entstanden ist. >>Das Dickicht der föderativen Beziehungen wirft heute nicht nur Fragen der Effizienz und der Kosten, sondern auch der Sicherung der demokratischen Verantwortlichkeit auf. Es ist fast nicht möglich, für den Bürger nicht und auch nicht für den Fachmann, die politische Verantwortlichkeit für einzelne Entscheidungen zutreffend zuzuordnen.<< konstatiert der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgericht Jürgen Papier.
Meine Frage an Prof. Dr. Jürgen Papier: Warum haben Sie in Ihrer Zeit als oberster Hüter der bundesdeutschen Hausordnung einer solch negativen Entwicklung freien Lauf gelassen?
Gruß Pegasus.