Keine „Alternative für Deutschland“
Die AfD grenzt sich zwar noch von Rechtsextremisten ab, aber ihr Programm ist gegen die
Interessen der Lohnabhängigen, Rentner und Erwerbslosen gerichtet
von Ulla Jelpke
Mit der Alternative für Deutschland hat sich fünf Monate vor der Bundestagswahl eine Anti-
Euro-Partei konstituiert. Die Partei sieht sich als eine Art deutsche Tea-Party-Bewegung, die
versucht, die herrschende Unsicherheit und Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und
Europapolitik der Bundesregierung in ein rechtsnationales Fahrwasser zu lenken.
Hervorgegangen ist die Partei aus der „Wahlalternative 2013“, die im September 2012 von
CDU-Mitgliedern gebildet wurde, die mit Merkels Euro-Rettungsschirm unzufrieden waren.
Bei der niedersächsischen Landtagswahl hatte die Wahlalternative noch die Freien Wähler
unterstützt. Zum Bruch kam es, da die Freien Wähler eine Rückkehr zur D-Mark ablehnen
und vor allem kommunal- und landespolitisch aktiv sind, während die Wahlalternative sich
um bundes- und europapolitsche Themen gebildet hatte.
Da laut einer Umfrage 35 Prozent der AfD-Sympathisanten bei der letzten Bundestagswahl
die Partei DIE LINKE gewählt haben, sollten wir uns mit dieser Partei auseinandersetzen.
Ein-Punkt-Partei:
Das Programm der AfD spiegelt die Ängste eines unter dem Druck von internationaler
Wirtschaftskrise und Bankenrettungsschirmen wild gewordenen mittelständischen
Unternehmerlagers wieder. Insbesondere die von der Troika erzwungene Beschlagnahmung
von Bankkonten auf Zypern zur Bezahlung eines EZB-Kredites hat in Schichten des
Mittelstandes und Kleinbürgertums auch in Deutschland zu tiefer Verunsicherung geführt.
Das Programm besteht im wesentlichen aus dem Punkt „Raus aus dem Euro“. Die Partei
fordert „eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. Deutschland braucht den
Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro.“ (so Parteichef Bernd Lucke am
Gründungsparteitag). Ziel ist die Wiedereinführung nationaler Währungen wie der D-Mark
oder die „Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde“. „Hoffnungslos
überschuldete Staaten“ sollten „durch einen Schuldenschnitt entschuldet werden“.
Im Programm heißt es auch: „Banken, Hedge-Fonds und private Großanleger sind die
Nutznießer dieser Politik. Sie müssen zuerst dafür geradestehen.“ Doch anders als DIE
LINKE, die diese Forderung durchaus unterschreiben könnte, unterstützt die AfD die mit den
Bankenrettungsschirmen verbundenen massiven Kürzungsprogramme und will Merkels
Austeritätspolitik noch verschärfen. In ihrem Programm fordert sie „die Schuldenbremse zu
achten und die Schuldenberge abzubauen“. In der Steuerpolitik tritt sie für „eine drastische
Vereinfachung des Steuerrechts in Anlehnung an das Kirchhof`sche Steuermodell“ ein.
Kirchhof schlug anstelle des in Deutschland üblichen progressiven Verlaufs der
Einkommenssteuer einen damit die Gutverdienenden und Reichen entlastenden
Grenzstufentarif von 15, 20 und 25 % für alle Einkommensgruppen an. Da der Staat weniger
einnehmen würde, läuft diese Steuerreform auf eine Sparpolitik heraus.
Wo gespart werden soll, verschweigt das AfD-Programm wohlweislich, um keine potentiellen
Wähler abzuschrecken. Doch Äußerungen von AfD-Funktionären machen deutlich, dass der
Rotstift die Lohnabhängigen und Empfänger von staatlichen Sozialleistungen treffen soll.
Außer der Euro-Ablehnung enthält das Programm nur wenige Punkte. Außer im Kernthema
Europapolitik findet sich nichts zur Außenpolitik. Nach Angaben eines Parteisprechers will
die AfD in der Außenpolitik „Kontinuität wahren“. Ein stellvertretender Parteisprecher spricht
sich allerdings gegen den „deutschen Pazifismus“ und für eine höhere Bereitschaft aus,
Kriege zu führen.
Weiterhin enthält das Programm als deutliches Zugeständnis an das rechts-konservative
Wählerklientel den Punkt „Schutz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft“.
Während auf Facebook-Seiten der Partei schon mal „Klassische Bildung statt Multikulti-
Umerziehung“ gefordert wird und ein mittlerweile ausgetretener Funktionär ein „Multi-Kulti-
Gen“ im Gegensatz zur „Reinrassigkeit“ für Krankheiten verantwortlich macht, bewegen sich
die Forderungen der Partei zur Migrationspolitik durchaus im mainstream – nützliche
Zuwanderer ja, unnütze Zuwanderer nein. Gefordert wird ein Einwanderungsgesetz nach
kanadischem Vorbild – dort sind bestimmte Quoten für Einwanderung vorgesehen. Damit
bewegt sich die AfD auf einer Linie mit SPD, FDP und Grünen, ebenso bei der Forderung
nach einem Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber. Fest steht für sie wie für CDU/CSU auch:
„Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme muss unbedingt unterbunden
werden.“ Für Zuwanderer soll es verpflichtende Deutsch- und Staatsbürgerschaftskurse
geben. Dazu sind die meisten bereits jetzt verpflichtet.
Mitglieder
Innerhalb weniger Wochen haben sich über 8500 Mitglieder der AfD angeschlossen. Laut
AfD-Pressesprecherin Dagmar Metzger waren 600 früher in der CDU, 372 in der FDP, 346 in
der SPD, 130 in der CSU, 91 bei den Piraten und 67 bei den Grünen. Ein Großteil des
Führungspersonals stammt aus dem rechts-konservativen Flügel der Unionsparteien. Andere
Gründungsmitglieder wie der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel oder der ehemalige
Vorstandsvorsitzende der Thyssen-AG, Dieter Spethmann, kommen aus der Wirtschaft. Unter
den Kandidaten für Parteiämter finden sich nahezu ausschließlich Akademiker wie Juristen,
Zahnärzte, Diplomkaufmänner und mittelständische Unternehmer. Lohnabhängige und
Arbeiter sind keine darunter. Unter den Unterstützern und Beiratsmitgliedern finden sich
zahlreiche Ökonomieprofessoren.
Wählerinnen- und Wählerpotential:
Infratest dimap ermittelte, dass sich 24 Prozent der Wahlberechtigten vorstellen könnten, die
AfD zu wählen. Eine Allensbach-Umfrage sieht die AfD aus dem Stand heraus bei drei
Prozent. 17 Prozent könnten sich vorstellen, eine Partei zu unterstützen, die für die
Abschaffung des Euro eintritt. 22 Prozent begrüßen grundsätzlich, dass es eine Partei mit
dieser Zielrichtung gibt. Potentielle AfD-Wähler sind überdurchschnittlich oft zwischen 30
und 60 Jahren und verfügen zu 39 Prozent über einen Volks- bzw. Hauptschulabschluss. Sie
kommen aus allen politischen Lagern und spiegeln bei parteipolitischen Sympathien den
Durchschnitt (40 Prozent Union, 27 Prozent SPD). Überdurchschnittlich hohe Zustimmung
findet die AfD bei bisherigen Wählern der LINKEN und der Piraten. So wählten einer
YouGov-Umfrage zufolge 35 Prozent der AfD-Sympathisanten bei der Bundestagswahl 2009
die Linke. Die FAZ erklärt dies wie folgt: „Diese Kreise verbindet aber eine
überdurchschnittliche Unzufriedenheit, verbunden mit einem unterdurchschnittlichen
Vertrauen in die etablierten Parteien.“ Bei den „linken“ AfD-Sympathisanten handelt es
folglich weniger um überzeugte Linke als um klassische Protestwähler.
Verhältnis zu Faschisten:
Die AfD sieht sich als weder rechts noch links, doch sie positioniert sich mit ihrer
nationalistisch begründeten Euro-Ablehnung rechts von der Union. Gleichwohl bietet ihre
nationalistisch begründete Ablehnung des Euro-Regimes und die unter einigen Funktionären
verbreitete Ablehnung des als „Politischen Korrektheit“ geschmähten respektvollen Umgangs
mit Minderheiten Einfallstore nach rechtsaußen. Während die Partei von der äußerst rechten
Zeitschrift Junge Freiheit und der faschistischen NPD mit Wohlwollen betrachtet wird und
sich in den Reihen ihrer Anhänger auch völkische Nationalisten und
Verschwörungstheoretiker tummeln, ist die AfD-Führung zur Zeit noch sorgfältig darauf
bedacht, sich von Rechtsextremisten und sogenannten Rechtspopulisten abzugrenzen. Diese
Abgrenzung ist bei einigen Vertretern sicherlich eher taktisch motiviert, um sich den Weg in
die Medien und Talkshows nicht durch eine vorzeitige Stigmatisierung zu verbauen.
Parteisprecher Lucke erklärt, ehemalige NPD-Mitglieder würden nicht aufgenommen,
ehemalige Mitglieder der Republikaner und Pro-Parteien einzeln überprüft. Die NPD selber
versucht sich dennoch, an die AfD als „Eisbrecher und Türöffner“ anzuhängen, da diese über
ihre Professoren-Riege und den Medienzugang „Positionen massenhaft salonfähig“ mache,
die die NPD „als authentische Anti-Euro-Partei schon immer vertreten hat“ (so ein NPD-
Sprecher). Beim Gründungsparteitag der AfD waren laut NPD-Funktionär Uwe Meenen rund
zwei Dutzend NPD-Kader und andere Neonazis anwesend. Unterwanderungsabsichten der
NPD sind nicht auszuschließen. In mehreren AfD-Landesverbänden sollen nach
Meidenberichten ehemalige Mitglieder der mittlerweile vom bayerischen Verfassungsschutz
überwachten rassistischen Anti-Islam-Partei „Die Freiheit“ mit verantwortlichen Positionen
betraut worden sein.
Positionen prominenter AfD-Mitglieder:
Da das Programm der AfD noch nicht viel hergibt, sollen hier einige Positionen von AfD-
Vorstandsmitgliedern aus der Vergangenheit wiedergegeben werden:
Hartz-IV-Beziehern das Wahlrecht aberkennen
AfD-Parteisprecher Konrad Adam unterstützte 2006 in einer Kolumne in der Tageszeitung
„Die Welt“ (16.10.06) eine zuvor von einem Gastautoren geäußerte Anregung, „den Inaktiven
und Versorgungsempfängern das Wahlrecht abzuerkennen“, damit Sozialhilfe- und Hartz-IV-
Empfänger nicht zu viel Macht über den Staat gewinnen.
Zwangsunterweisungen für Hartz-IV-Bezieher
Die Beisitzerin im AfD-Vorstand Irina Smirnova forderte in ihrer Kandidaturerklärung für
Empfänger staatlicher Versorgungsleistungen die Zwangsunterweisung in einem „Lektorium“
mit „normalen Arbeitstag wie alle normal arbeitenden Bürger“. Smirnova beklagt „Parallel-
Kulturen“ in Deutschland. Sie schreibt „Der ausländische Anteil in unserer Gesellschaft,
durch Zuzug und Geburt, wird ständig größer und damit auch die Probleme“. Ausländer, die
nach Auslaufen von ALG1 keinen Job gefunden haben, müssten ihren Lebensunterhalt
nachweisen oder das Land verlassen.
Blut und Eisen gegen deutschen Pazifismus
Der stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland attestierte den Deutschen im
Tagesspiegel (23.7.2012) ein „gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt“ und eine
mangelnde Wertschätzung der Bundeswehr. Gegen die „pazifistische Melodie“ empfahl er
Bismarcks Auffassung: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen
Fragen der Zeit entschieden ... sondern durch Eisen und Blut.“
Löhne runter
AfD-Parteisprecher Bernd Lucke tritt für weitere Lohnsenkungen ein. Im von ihm 2005 mit
initiierten „Hamburger Appell“ heißt es: „Wer behauptet, Deutschland könne und müsse ein
Hochlohnland bleiben, handelt unredlich oder ignorant. ... Die unangenehme Wahrheit
besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere
Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte
Lohnspreizung, möglich sein wird. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch verlängerte
Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere Leistungsbereitschaft möglich.“
Fazit und Handlungsempfehlung:
Die AfD ist eine Ein-Punkt-Protestpartei um das Thema Euro-Ausstieg. Ihr Personal setzt sich
wesentlich aus Ökonomieprofessoren und konservativen Journalisten zusammen, von denen
viele zuvor langjährige Mitglieder von CSU/CDU und FDP waren. Ihre inhaltlichen
Positionen spiegeln die Ängste eines unter dem Druck von internationaler Wirtschaftskrise
und Bankenrettungsschirmen wild gewordenen Mittelstands wieder.
Ein Einzug der AfD in den Bundestag kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, wenn es
der Partei gelingt, sich bis zur Wahl ausreichend bekannt zu machen. Auch, wenn die AfD
nicht einzieht, wird sie von nahezu allen anderen Parteien Stimmen abziehen. Dies kann eine
erneute Mehrheit von Schwarz-Geld gefährden, ist aber auch eine Gefahr für die LINKE beim
Überspringen der 5%-Hürde.
Um die AfD nicht unnötig bekannt zu machen, sollte DIE LINKE nicht aktiv gegen diese
Partei in der Öffentlichkeit agieren, aber natürlich auf Nachfrage Stellung beziehen. Im
Mittelpunkt unserer Argumentation sollte dabei nicht primär die Affinität der AfD zu
rechtspopulistischen Positionen oder Unterwanderungsversuchen durch Neonazis stehen , da
dies Protestwähler erfahrungsgemäß nicht schreckt. Vielmehr sollten wir deutlich machen,
dass die AfD eben nicht nur den Euro sondern auch die Reste des Sozialstaates bekämpft und
für Erwerbslose und Hartz-IV-Bezieher nur Verachtung übrig hat.
LINKEN-Co-Chef Bernd Rixinger nannte die AfD „die derzeit gefährlichste Partei am
rechten Rand“. Die AfD sei „keine Alternative für Deutschland, sondern eine Partei gegen
Arbeitnehmer, Rentner und Erwerbslose“.
Das Thema der Euro-Skepsis darf DIE LINKE nicht den Rechten von der AfD überlassen.
Dabei sollte DIE LINKE herausstellen, dass sie als einzige Bundestagspartei gegen die
Banken-Rettungsschirme gestimmt hat. Dabei muss DIE LINKE deutlich machen, dass
gerade die Agenda2010-Politik der Bundesregierungen mit Hartz-IV und Reallohnsenkungen
zu dem ökonomischen Ungleichgewicht innerhalb der Eurozone geführt hat, das nun
schwächere Volkswirtschaften in den Ruin getrieben hat.
Unsere EU- und Euro-Kritik ist keine egoistisch-nationalistische nach dem Motto „wir zahlen
nicht für die faulen Griechen“, sondern eine solidarische im Interesse der Lohnabhängigen im
In- und Ausland: „Wir zahlen nicht für die kapitalistische Krise“.