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Beruflich nicht "vom Fach", aber von Kindheit an sehr an Geschichte interessiert, habe immer viel gelesen und habe (dadurch?) ein recht gutes Gedächtnis. Mein Glück war es, dass meine Eltern mehr Wert auf Lesen, als auf die "Glotze" gelegt haben und das auch vermittelt haben.
Wenn man sich erst einmal an "etwas" erinnert, dann ist es heutzutage leicht, sich die genauen Informationen (z.B. Jahreszahlen) nachzuschlagen. - Man braucht aber erst einmal Stichwörter als Einstieg.
Sicher war die Entwicklung in Deutschland und Italien anders, als in England (nicht Britannien) und Frankreich, wo sich früher eine "Zentralmacht" herausgebildet hat, die dann früher zu einem "Nationalstaat" geführt haben - aber Deine Schlussfolgerung über "Deutschland" als "Erfindung" des frühen 19. Jhd. ist sicher auch nicht richtig. Wenn wir uns nicht in den heutigen staatsrechtlichen Vorstellungen verfangen, gab es das Bewusstsein für "deutsch sein" und "deutsches Land" schon wesentlich früher. - siehe Luther und die Reformation. (dazu habe ich ja schon mehrfach geschrieben). Sehr entscheidend dabei war - trotz aller Dialekte - immer die Sprache, besonders aber seit dem Buchdruck und der durch ihn erfolgreich möglichen Reformation.
Wenn man so will, waren hinderlich für die Entwicklung zu einer Zentralgewalt in Deutschland
- einerseits das "Wahlkönigtum", wofür als eine Art "Stimmenkauf" den Kurfürsten immer mehr Rechte zugestanden wurden und
- andererseits die Verbindung mit dem "Kaisertum" im HRR als "Beschützer der Christenheit", wodurch der deutsche König sich nicht nur für die "deutschen Lande" zuständig fand und zudem die Auseinandersetzungen mit dem Papsttum um den Primat entstand, was einen größeren Einfluss der römischen Kirche im HRR brachte, als etwa in Frankreich.
Wenn man den 1. WK nimmt, dann liegt das wohl weniger am Willen der Deutschen, etwas beweisen zu wollen, als an Wilhelm II., der sich gegenüber seinen "lieben Vettern" benachteiligt fühlte und Bismarcks Wisheit in den Wind geschlagen hat. Er meinte, den Briten den Rang als Welt- und Kolonialmacht streitig machen zu können und hatte deshalb (schon lange vor dem WK) seine hochtrabenden Pläne mit der Kriegsmarine. Dazu kam sein persönlicher Hass auf seine englische Mutter.
So hat er sich dann an dem allgemeinen Lauf hin zum Krieg beteiligt, bei dem jeder glaubte, überlegen zu sein und die anderen in einem schnellen Feldzug besiegen zu können.
(Am wenigsten waren wohl die Briten interessiert, die hatten ja schon "die halbe Welt" in ihrem Empire.)
Unfreiwillig hat Wilhelm II. aber eine geradezu "historische Leistung" vollbracht, die selten erwähnt wird:
Er hat England und Frankreich zusammen gebracht und miteinander ausgesöhnt! - Die beiden waren ja über fast 1000 Jahre unversöhnliche Erbfeinde (Anjou-Plantagenêt vs. Valois, 100-jährige Krieg, Kolonialkriege in Nordamerika und Indien, Bündnis England-Preußen vs. Habsburg-Frankreich, Napoleon/Waterloo)
Ebenso hat Wilhelm II das traditionell gute Verhältnis Preußens zu Russland beendet.
Nach dem 1. WK wurde unseligerweise dann ja Frankreich als angeblicher "Erbfeind" Deutschlands propagiert. (in einem jetzt wieder erschienenen Buch nachzulesen.)
Ich stimme Dir in allen Punkten zu. So sehe ich das auch. Nur in einem habe ich gelinde Zweifel. Ich frage mich nämlich, ob sich z.B. der Kölner um 1700 als "Deutscher" empfunden hat, ob die Menschen im 30jährigen Krieg einen Begriff von "Deutschland" hatte und ob der preußische Soldat im Siebenjährigen Krieg sich nicht doch eher als Preuße oder - noch kleinteiliger - Brandenburger fühlte. Die völkische Definition des Deutschtums stellte sich nach meiner Kenntnis erst im Widerstand gegen Napoleon Anfang des 19.Jahrhunderts und im Nachgang der Schrfiften von Novalis und Schlegel her.