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2. Suizid in Deutschland: Fakten
Die vorsätzliche Zerstörung des eigenen Lebens – wie der Brockhaus den Selbstmord definiert [1] - löst heute bei vielen Menschen unterschiedliche Emotionen und Reaktionen aus, von Entsetzen und Anklage über Mitleid bis hin zu Bewunderung. Die katholische Kirche bezeichnet den Suizid bis in die heutige Zeit als Sünde. Selbstmörder dürfen deshalb nicht unter kirchlichem Geleit bestattet werden, es sei denn sie werden zum Tatzeitpunkt als unzurechnungsfähig befunden, was meistens so geschieht, um dem Verbot aus dem Weg zu gehen. Rechtlich gesehen ist Suizid sowie Suizidversuch in Deutschland straffrei; es wird also tatsächlich nicht als Selbst-„Mord“ gesehen. Kritiker sind daher der Ansicht, man solle nicht das Wort Selbstmord sondern weniger diskriminierende, neutrale Begriffe wie Selbsttötung oder Suizid (von lat. sui caedere= selbst töten) benutzen. Die Bezeichnung Freitod kann ebenfalls in die Irre führen, da die meisten Suizidanten psychisch krank sind (90-95 %, darunter am häufigsten Depression) [2] oder sich in einer Krise befinden, es sich also tatsächlich nicht um eine wohlüberlegte Entscheidung eines gesunden Menschen handelt, die als frei bezeichnet werden könnte. Ich werde im folgenden Aufsatz neben den neutralen Begriffen auch das Wort Selbstmord verwenden, da es im allgemeinen Sprachgebrauch immer noch häufig benutzt wird.
In Deutschland nehmen sich etwa 11.000 Menschen pro Jahr das Leben, was die Zahl der Unfalltoten um ca. 3000 übersteigt [3] . Dabei hat die Häufigkeit der vollendeten Suizide in den letzten Jahren abgenommen, die Zahl der Suizidversuche steigt jedoch, und zwar im besonderen Maße bei Mädchen und jungen Frauen [4] . Die häufigsten Motive sind Flucht, Rache oder Selbstbestrafung.
Als Sozialarbeiter/in wird man immer wieder auf Menschen in Krisensituationen treffen, die Anzeichen einer suizidalen Entwicklung zeigen. Unabhängig von dem professionellen Vorgehen in solch einer Situation stellt sich dem Helfer /der Helferin dann auch die Frage nach dem Recht auf den eigenen Tod. Ist es erlaubt, sich selbst zu töten? An dieser Stelle verlassen wir den Tatsachenbereich und treten in eine ethische Diskussion ein, die bereits viele Philosophen und Theologen in den vergangenen Jahrhunderten führten; angefangen bei Platon um 500 v.Chr. über Augustinus und Thomas von Aquin bis hin zu Kant und Schopenhauer im 19. Jh. n. Chr. Da die westliche Welt, in der wir leben, durch den christlichen Glauben geprägt ist, erscheint es sinnvoll, in der Bibel, als Grundlage dieses Glaubens, nach einer Bewertung des Suizids zu forschen.
3. Selbstmorde in der Bibel
In der Bibel werden sechs Selbstmorde erwähnt, einer davon -der bekannteste von Judas Iskariot- im Neuen Testament.
In Richter 16,26-31 wird die Selbsttötung Simsons beschrieben. (....)
(....) Zwar ist in dem Text keine direkte Wertung des Selbstmordes zu erkennen, doch Saul erscheint im Gesamtzusammenhang seiner Lebensgeschichte eher als tragische Persönlichkeit, die sich von Gott abgewendet hat und schließlich die Konsequenzen für ihren Ungehorsam tragen musste. Sein Selbstmord kann demnach als solch eine negative Konsequenz gewertet werden. Daraus ergibt sich, dass Suizid eine Folge von Sünde (=Abwendung von Gott) sein kann. Da aber Sünde schlecht ist, muss auch ihre Konsequenz schlecht sein. Hier ist also eine negative Wertung des Suizids zu erkennen, wobei jedoch die Tat selbst nicht verboten war und somit nicht bestraft wurde (....)