Das achte von den zehn christlichen Geboten befiehlt: Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinem Nächsten. Das meint, wird ausgelegt, dass immer und überall ein jeder die Wahrheit sagen möge. Das achte Gebot verbietet somit jede Falschheit und den ungerechten Schaden am Ruf eines anderen. Daher verbietet es uns neben dem falschen Zeugnis: die Verleumdung, die Lüge, die Herabsetzung, die üble Nachrede, die Schmeichelei, das vorschnelle Urteil und den vermessenen Verdacht.
Nun ja: Grau teurer Freund ist alle Theorie… Wer eigentlich hält sich daran? Politiker sicherlich nicht, Klerikale? Die „Nichtwissen“ verbreiten als unumstößliche Wahrheit?
Die moderne Theologin Simone Dietz schrieb über den Wert der Lüge und sieht darin keinerlei moralische Verwerflichkeit, so die Lüge denn zum Zwecke angewandter Intelligenz, sprich: Klugheit, erfolge.
Sokrates gar befand, dass eine unwissentlich geäußerte Lüge – derjenige wusste es halt nicht besser - weitaus schlimmer sei, als eine wissentlich und bewusst ausgesprochene. Denn Sokrates stellte das Wissen über alles. Das entspricht z.B. unserer heutigen Behandlung in der Rechtsprechung: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!
Und auch bei der Lüge stellt sich die Frage: Heiligt der Zweck die Mittel?
Nun ja, es gibt Fälle, wo eine Lüge die bessere Wahl ist. Zum Beispiel habe der Arzt einen todkranken Patienten vor sich, der aber nicht sterben will. Der alle Hoffnung auf den Arzt setzt, doch noch geheilt werden zu können. Sagen wir der Patient ist an Krebs erkrankt und befinde sich im fortgeschrittenen Stadium. Die Angehörigen sollten ehrlich informiert werden, aber dem Patienten gegenüber kann es besser sein, ihn in der Hoffnung auf Heilung zu belassen, es sei denn er spürt, das es mit den Heilungschancen schlecht steht und fragt den Arzt deshalb genauer.
Ein anderes Beispiel wäre eine übergewichtige Frau, die an sich zweifelt. Vielleicht hat sie gerade eine Diät gemacht oder gar hart trainiert , um Pfunde zu verlieren, ist aber immer noch sehr dick. Da kann es gut sein, ihr zu sagen, wie gut sie schon abgenommen hat.
Man sollte sich einmal selbst beobachten, wie oft man am Tag lügt, wessen man sich gar nicht bewusst ist. Kleine „Notlügen“ und die schlimmen „Halbwahrheiten“, die das verschweigen, was eigentlich „in Klammern“ gedacht wird. Oder als das „Kleingedruckte“.
Und die Täuschungen, das falsche Lächeln, der verlogene Unterton…
Hier wird viel geheuchelt. AUch um sein Gegenüber nicht zu verletzen. Ich denk mal, hier kommt es auf die Situation an. Wenn es mich nix kostet, kann ich mein Gegenüber auch freundlich anlächeln. Wenn der mich aber gerade mit seinem Verhalten verletzt hat, ist das schon schwieriger, da würde ich das auch nicht unbedingt tun. Obwohl es gerade in Asien nicht unüblich ist, hier "gute Miene zum böesn Spiel" zu machen und dennoch zu lächeln. In Thiland und Philippinen lächeln sogar die Beamten, bleiben aber in der Sache konsequent. Egal ob bei der Flughafenkontrolle, ob als Wachmann oder ein Polizist, der einem sagen muss, das man einen Fehler gemacht hat.
Der zwischenmenschliche Kommunikationsbereich ist voll von Lügen: Gemeine Lügen, die den anderen vernichten wollen, ihm bewusst weh tun, oder die milden, fürsorglichen Lügen, die einen anderen schonen wollen.
Hier haben wir's. Diese fürsorglichen Lügen habe ich oben gemeint.
Und die zwanghaften im pathologischen Bereich angesiedelten Lügen. Grundsätzlich aus ethischen Erwägungen heraus gilt die Lüge als verwerflich. Im ewigen suchenden Bestreben nach Wahrheitsfindung lehnen – eigentlich – Philosophen die Lüge ab. Nicht alle. Schopenhauer toleriert die Lüge aus einer materialistischen Denkungsweise heraus und als Schutzfunktion vor dem unerwünschten Eindringen anderer in ureigenste Lebensbereiche.
Weshalb sich jemand, der alleine sein will, unnahbar gibt.
In „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn sieht Nietzsche grundsätzlich den „Denkenden“ mit der Lüge verbunden. Es ist eine Frage der Eitelkeit des Einzelnen in seiner Selbstfindung und versuchter Außenwirkung nach ihm genehmen Vorstellungen. Es ist auch ein Eintauchen in Illusionen und Träume, wo er eine Wahrheit zu finden glaubt in oberflächlichen Versprechungen und Reizüberflutungen.
Nietzsches „Wahrheit“ ist Metapher und Illusion mit lediglich dem Anspruch auf diese Benennungen.
Lüge zur Imagepflege. Oder auch in der Produktwerbung.
Sprachgebrauch und Lüge stehen in Abhängigkeit. Neurobiologische Erkenntnisse weisen beispielsweise auf die Diskrepanz von Sprache und Körperhaltung hin. Die sprachlichen „Schnörkel“ im Sinne von Verstellungen/Täuschungen sind nicht in Einklang mit Gestiken und Haltungen zu bringen und dienen dem erfahrenen Hörer und Beobachter zur Einordnung von „wahr“ und „unwahr“.
Beobachten Sie einmal Menschen, denen Sie nicht trauen. Sie werden, so Sie das „Feeling“ dafür besitzen, feststellen können, wann derjenige aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Wahrheit sagt. Die Lüge hat ihr eigenes Erscheinungsbild am und im Menschen - mit Außenwirkung.
Ist richtig. Hier gibt es aber Menschen, die sehr gut überzeugen können, die sehr gut ihre Körpersprache in der gegebenen Situation steuern können.
Klar wird auch bei solchen Personen irgendeiner, in der Politik ein politischer Gegner des Redners oder ein Skeptiker bezüglich der getroffenen Aussagen die mögliche Lüge enttarnen. Aber dennoch gelingt es dem geübten Lügner eine große Anzahl Menschen von seinen Ansichten oder besser kommunizierten Ansichten zu überzeugen.
Christentum und Buddhismus lehnen die Lüge strikt ab, der Islam kennt gewisse Einschränkungen. Die vordergründig christlichen Philosophen Augustinus und u.a. auch Thomas von Aquin sind kategorische Ablehner der Lüge in jeder Form. Für sie ist diese „Sünde“. In ihrer äußerst extremen Auslegung würde eher ein Mord zuzulassen sein als der Versuch, diesen durch eine Lüge zu verhindern!
Entgegen Augustinus, der von „göttlicher Heilsordnung“ spricht und die Lüge ablehnt, sieht der moderne Theologe Schockenhoff diese als teilweise gerechtfertigt an. Lüge dürfe erlaubt sein, wenn die Liebe zu Gott und die Liebe der Menschen in der Lüge gestärkt und gerettet werden können!!! Das ist eine Absolution für die Kirche und die Religion.
Schopenhauers Vorstellungen sind demnach äußerst konträr. Er nennt die Religion „Die Wahrheit im Gewande der Lüge“ (aus Parerga und Paralipomena). Hierbei gesteht er der Religion lediglich einen Anspruch auf Wahrheit im allegorischen Sinne zu, wenngleich auch metaphysische Einsichten mit hineinspielen. Einer kritischen Überprüfung würde nicht standgehalten werden können. „Glauben“ würde abverlangt werden müssen. Denn: Es würde angenommen werden müssen (also geglaubt) dass es so und nicht anders sei. Was dann meint: Zu sein hätte!
Religion ist ein Kapitel für sich. Einerseits fragwürdig, weil sich die Initiatoren der Religion mit ihr bereichern, anderseits aber auch für viele Menschen Sinnstiftend. Für die letztere Gruppe dürfte die Lüge ihrem Glauben förderlich sein, solange mit ihr der Glaube gestärkt wird. Für die Erstere Gruppe sind Proester natürlich Scharlatane mit leistungslosem Einkommen.
Wie also ist der Stellenwert der Lüge? Ein bisschen – wo ist die Grenze? Gibt es überhaupt eine? Und wer legt die fest? Das „Gewissen“? Das nun ist ein weites und bei vielen unübersehbares und komplexes Feld…
Rein ethisch würd ich sagen, Lüge ist da gerechtfertigt, wo ich:
- Gefahr von mir oder meinen Mitmenschen damit abwenden kann
- die Psyche eines Mitmenschen schone