Es ist wichtig, zwischen rechts und faschistisch zu unterscheiden, auch wenn letzteres die pervertierte Entartung des ersteren ist, angereichert mit Menschenverachtung und Haß. Rechts aber darf man sein, wer es ist, muß sich aber befragen lassen, was das denn sei, das Rechts-Sein und eine rechte Gesinnung zu haben.
Mir scheint - ich schrieb es bereits - daß Rechts-Sein der Glaube an eine fest gefügte Ordnung ist. Der Rechte will die geordnete Welt, in der alles seinen Platz hat, oben und unten, Recht und Ordnung, arm und reich. Und auch die Rassen und Nationen. Gerade die: hier die Deutschen, dort die Anderen, die Griechen, die Türken, überhaupt die Südländer, die Welschen, die Italiener und die Franzosen, faul und unmoralisch. Daher auch wettern die Rechten gegen die Idee eines vereinten Europas, in dem nicht mehr zwischen den einzelnen Nationen unterschieden werden kann und in dem ein unterschiedloses Mischmasch ehedem klar zu unterscheidender Zugehörigkeiten droht.
Aber der Rechte, indem er die Ordnung absolut setzt, ist unfähig, zu sehen und zu erkennen, daß die Ordnung, die er begehrt, nicht natur- oder gar gottgegeben ist, sondern menschengemacht. Als solche ist sie fehlerhaft und unterliegt der Geschichte, will heißen: sie entsteht und entwickelt sich unter geschichtlichen Bedingungen und hat ihre Geschichte. Daher ist sie sowohl nicht unveränderlich, wie sie auch von Menschen geändert werden kann. Es ist geradezu Aufgabe, ja Pflicht des Menschen und jeder Generation, diese vorgefundenen Ordnungen sich anzuverwandeln und damit zu einer menschlichen, sprich geschichtlichen Ordnung zu machen.
Der Glaube, daß der Mensch das kann, letztendlich also die Frage, was man dem Menschen zutraut, ist das eigentliche Kriterium, nach dem Links und Rechts zu unterscheiden sind. In extremo: der Linke traut dem Menschen alles zu, der Rechte nichts. Die Fragen nach faschistischer oder stalinistischer Entartung sind demgegenüber eher zweitranging, ja, man muß ironischerweise sogar sagen, daß der reale Sozialismus ein äußerst rechtes System war, weil er die freie Bestimmung des Menschen über die Ordnungen, in denen er leben will, insgeheim fürchtete und unterdrückte.