Richtig peinlich ist eigentlich, daß immerhin 4(!) Sprachwissenschaftler in der 5-köpfigen Jury sitzen - und denen nichts besseres einfällt, als den Begriff "Volksverräter" zum "Erbe von Diktaturen" zu erklären und damit dessen Wahl zum "Unwort" zu begründen...
Selbstverständlich ist es ein Begriff, der - wie so viele andere auch - während der nationalsozialistischen Diktatur pervertiert und mißbraucht worden ist. In der Tat waren es wohl auch die Nationalsozialisten, die erstmals "Volksverrat" zum Straftatbestand gemacht haben (meines Wissens wurde darunter so ziemlich alles subsumiert, wozu es selbst zu jener Zeit keinen anderen Strafgrund gab, um sich der jeweils Angeklagten juristisch zu bemächtigen). Tatsächlich allerdings stammt der Begriff aus dem frühen 19. Jahrhundert. Diktatur im modernen Sinne des Wortes? Nein. Dafür aber ein sprachhistorisch interessanter Aspekt in der Entwicklung des Begriffes "Volk", soweit er sich auf EIN deutsches Volk bezieht.
Außerdem: WAS genau ist ein "UNWORT"? In meinen Augen gibt es, wenn überhaupt, nur ein einziges "Unwort", nämlich das Wort "Unwort". Was soll der Sch...??? Es gibt Wörter. Punktum.
"Unwort" hat etwa dieselbe Qualität wie "unwertes Leben". Es ist Zensur in ihrer reinsten Form, es kategorisiert Ausdrücke in "wert" und "unwert", wie ehedem (nicht nur zufällig ganz ähnlich strukturierte) andere verwirrte Gesinnungswächter und Blockwarte Leben in "wert" und "unwert" eingeteilt haben. Wer immer sich auf ethische oder moralische Gründe dafür beruft, WÖRTER zu ächten, der ächtet auch Menschen - und vollzieht auf diese Weise, was er anderen (insbesondere denen, die den jeweils fraglichen Ausdruck benutzen) unterstellt.
Gruß -
Bendert
P.S.: "Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen" ist NICHT das Zitat eines rechtsradikalen Populisten... Vielleicht hätte er ergänzen sollen, daß das auch für den Umgang mit Worten gilt.