Allerdings nur von denen, die weder ihr eigenes Leid, noch das der Opfer wahrnehmen können. Und die sich daher um einen Teil ihres Menschseins gebracht haben.
Die Geostrategen scheren sich nicht um das individuelle Leid irgendwelcher Europäer. Die deutsche Bevölkerung stand halt genau in der Mitte zwischen dem Tauziehen zwischen Seevölkern und Sowjetasiaten und mußte somit den notwendigen Blutzoll zahlen.
Es gab eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Kriegsinteresse der Briten und der Amerikaner: Nur letztere haben die MacKinder-Doktrin voll verstanden. Sie verlangten nicht ein Ausbluten der deutschen Bevölkerung, sondern vielmehr eine nützliche Instrumentalisierung derselben gegen die Sowjetasiaten. So war es auch ganz logisch, daß in den 30er Jahren die Stimmung in Amerika zunächst recht prodeutsch war, Hitler von den US-Banken reichlich finanziert und im Jahre 1938 gar zum „Mann des Jahres“ erklärt wurde. Das amerikanische geostrategische Interesse wünschte ein starkes Deutschland, daß zur Sicherung des Brückenkopfes Westeuropa die Dreckarbeit im Kriege gegen die Sowjetasiaten machen konnte, während man sich selbst zurückhielt und die eigenen Leute schonte. (Auf Schonung der eigenen Truppen war auch die gesamte amerikanische Kriegsführung angelegt, man vermied peinlichst direkte Konfrontationen mit der kämpferisch stärkeren Wehrmacht und schob die Front vor durch eine klinische Bomber-Artillerie-Panzerangriffs-Abfolge. Mit einem schier unendlichen Munitionsvorrat bekämpfte man die Deutschen aus der Luft, aus der Distanz und aus jedem Hinterhalt.)
Auch wenn die Amerikaner nach dem Krieg Deutschland natürlich radikal entnazifiziert und auch eine größere, wohl in die Millionen gehende Zahl an deutschen Soldaten kurzerhand verhungern ließ, so war doch dies nur zur Sicherstellung der unbedingten Botmäßigkeit des Nachkriegsdeutschland gedacht. An sich war man durchaus an einer Wiederbewaffnung Deutschlands und erneuten Instrumentalisierung dieses Landes – diesmal als offiziellem Verbündeten innerhalb der NATO – gegen das asiatische Sowjetreich gedacht.
Ganz anders hingegen die Briten, die schon während des Krieges darauf aus waren, möglichst viele Deutsche einfach umzubringen: Männer, Frauen, Greise, Kinder und Neugeborene gingen in den Bombenfeuern britischen Flächenbomber in Hamburg, Köln, Berlin und vielen anderen Städten unter. Die Amerikaner konzentrierten sich bei ihren Luftangriffen hingegen hauptsächlich auf Produktionsanlagen – gewisse Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung aufgrund ungenauer Bombenzielgeräten - nahm man zwar in Kauf, doch es war ihnen eben nicht wie den Briten am industriellen Massenmord aus der Luft an den Deutschen gelegen. Erst 1945 unternahmen auch sie einen reinen Terror-Angriff auf Dresden und zwar aus dem geostrategischen Grund, diese Stadt den Sowjets, denen sie zugesprochen war, als Trümmerhaufen zu hinterlassen.
Der Grund aus britischer Sicht für diese Greuel lag darin, daß man in London noch in der alten Balance-of-Power-Doktrin dachte (Deutschland und Frankreich sollten sich neutralisieren). Da Deutschland mehr Menschen hatte als Frankreich faßte man in London halt einfach den Plan, ein paar Millionen von ihnen umzubringen. Das haben die Lancaster-Bomber im Krieg und die Hungerlager nach dem Krieg auch halbwegs kompetent geleistet, wenngleich die Zahl der toten Deutschen etwas unter den britischen Hoffnungen zurückblieb.
In London wollte man, daß keine der beiden europäischen Mächte allzu viel stärker war als die andere, da man befürchtete, daß in solchen Fällen die Vormacht Europa ihren Willen aufdrängen konnte. Die Briten hatten Napoleon noch in schrecklicher Erinnerung. Damals waren es die Preußen, die ihnen letztlich „den Arsch retteten“ und eine französische Vorherrschaft über Europa vereitelten. In den 1940ern war Deutschland unter Hitler am Drücker und dabei, Europa unter deutscher Führung zu einen. England wär leer ausgegangen und hätte die Kontrolle verloren. Wenn sich Deutschland und Frankreich aber gegenseitig neutralisieren, kann England die beiden europäischen Mächte gegeneinander ausspielen und damit die Kontrolle über Europa behalten.
Letztlich sind also die Briten an ihrer eigenen Garstigkeit gescheitert. Im Ringen mit den Sowjetasiaten gab es zwar noch ein Unentschieden, doch ihr eigenes Kolonialreich brach nach dem Krieg zusammen (weil die Briten 1940 von Hitlers Bombern in ärgster Bedrängnis geraden, was Ghandi, Chandra Bose und anderen antibritischen Unabhängigkeitskämpfern natürlich Hoffnung machte) und Amerika übernahm die Führung sowohl über die Seevölker einschließlich Englands selbst als auch die Führung über den Brückenkopf Europa. Und, was den britischen Stolz noch mehr kränken mußte und die britische Niederlage im Nachhinein noch zu einer totalen machte: Die nun führenden Amerikaner ließen Deutschland wirtschaftlich wieder groß aufkommen, um über die gefügige BRD nun ganz Europa kontrollieren zu können – England hatte genau das nun völlig verloren, wofür man im ersten Weltkrieg 1914 noch gegen das Kaiserreich mobil gemacht hatte ...
Tiefere moralische Schuld als die Amerikaner trifft also eher die Briten, eine Tatsache, welche die Neonazis, die fast nur in Dresden ihre Gedenkmärsche gegen diesen einen amerikanischen Terrorangriff im Februar 1945 abhalten, geflissentlich übersehen. Hier spielt wohl das politische Interesse seine Rolle, gegen die USA Propaganda zu machen, die ja heute zur geostrategischen Vormacht geworden ist, während England nach dem Krieg (nicht zuletzt auch in Folge desselben) alles, was es hatte, verlor und so brutal abgestürzt ist wie kein anderes Volk jemals zuvor in der Geschichte mit Ausnahme vielleicht der Portugiesen und der ausgerotteten Völker.
Doch wie gesagt, moralische Gründe sind für den Geostrategen zwar nützliche Vorwände, um an sich unpopuläre Kriege populär zu machen, also dem Pöbel aufzuschwatzen, doch natürlich keine Gründe für geostrategisches Handeln – eine solche Annahme wäre völlig naiv.