Die Vernunft unterliegt immer irgend etwas, Sei es Ziel, Interessen, Macht, Ordnung, Macht haben wollen, der Macht eines Einzelnen oder der Welt-Community .... ...oder was auch immer .....
Deswegen sag ich ja, es könnte Milliarden und unzählige aber-Milliarden von Vernünften geben .... das ist fast alles Humbug, weil für jede Vernunft könnteste auch mindestens eine entgengesetzte Vernunft gefunden werden.
Vernunft: das Wort beschreibt im Prinzip einen Wunsch, der umzusetzten vielleicht gut wäre (oder auch nicht) .....
Alles, wirklich Alles könnte als "vernünftig" angesehen werden, und so könnten selbst Grausamste Angelegenheiten als vernünftig angesehen werden - und das wird zum Teil sogar!
Deshalb ist aus meiner überzeugter Sicht das Wort "Vernunft" eines der am allermeisten überbewertesten Wörter.
Vielleicht ist Vernunft auch mal vernünftig. Vor allem aber ist Vernunft ein Herrschaftsinstrument - als solches wird es meist benutzt.
Hi deserd,
...ja, "Vernunft" ist ein Instrument aus der Ideenlehre (Ideologie)
der Herrschenden, denn es sind allein diese, die anordnen, was
Vernunft zu sein hat...was v e r n ü n f t i g und was
u n v e r n ü n f t i g ist. So kann es in den Hirnen jener unter
gegebenen Umständen
vernünftig sein Menschen foltern
zu lassen (Stichwort: Sanfte Folter).
"Bitte seid vernünftig!!" schreien die Herrschenden die Menschen
an, die Barrikaden bauen und das zerstören, das sie selbst
gebaut oder errichtet haben (...nichts fürchten die Herrschenden
mehr als Zerstörungen der Infrastruktur; denn sie selbst sind
unfähig, mit ihrer Hände Arbeit eine neue zu errichten!).
Im zwischenmenschlichen Verkehr sich anzuherrschen "Sei jetzt
endlich vernünftig!" bedeutet ja auch nichts anderes, als daß der
Anherrscher wünscht, daß man sich seinem Willen beuge. Dieser
wünscht keine aufrichtige Auseinandersetzung, um das
verursachende Problem zur Zufriedenheit beider aufzulösen, sondern
wünscht Unterordnung.
Friedrich Nietzsche hat darüber ein wenig in: Zur Genealogie der
Moral (Teil II) Nr.3 geschrieben. Hier ein Auszug (setze die ganze
Nr.3 in den Maximentröööt Seite 97 )
"Wie macht man dem Menschen- Tiere ein Gedächtnis? Wie prägt
man diesem teils stumpfen, teils faseligen Augenblicks-Verstande,
dieser leibhaften Vergeßlichkeit etwas so ein, daß es gegenwärtig
bleibt?". Dieses uralte Problem ist, wie man denken kann, nicht
gerade mit zarten Antworten und Mitteln gelöst worden; vielleicht
ist sogar nichts furchtbarer und unheimlicher an der ganzen
Vorgeschichte des Menschen, als seine M n e m o t e c h n i k.
"Man brennt etwas ein, damit es im Gedächtnis bleibt: nur was nicht
aufhört, w e h z u t u n, bleibt im Gedächtnis" - das ist ein Hauptsatz
aus der allerältesten (leider auch allerlängsten) Psychologie auf
Erden.
Man möchte selbst sagen, daß überall, wo es jetzt noch auf
Erden Feierlichkeit, Ernst, Geheimnis, düstere Farben im Leben
von Mensch und Volk gibt, etwas von der Schrecklichkeit
n a c h w i r k t, mit der ehemals überall auf Erden versprochen,
verpfändet, gelobt worden ist: die Vergangenheit, die längste,
tiefste, härteste Vergangenheit, haucht uns an und quillt in uns
herauf, wenn wir "ernst“- werden.
Es ging niemals ohne Blut, Martern, Opfer ab, wenn der Mensch
es nötig hielt, sich ein Gedächtnis zu machen; die schauerlichsten
Opfer und Pfänder (wohin die Erstlingsopfer gehören), die
widerlichsten Verstümmelungen (zum Beispiel die Kastrationen),
die grausamsten Ritualformen aller religiösen Kulte (und alle
Religionen sind auf dem untersten Grunde Systeme von
Grausamkeiten) - alles das hat in jenem Instinkte seinen Ursprung,
welcher im Schmerz das mächtigste Hilfsmittel der Mnemonik erriet.
In einem gewissen Sinne gehört die ganze Asketik hierher: ein paar
Ideen sollen unauslöschlich, allgegenwärtig, unvergeßbar, "fix"
gemacht werden, zum Zweck der Hypnotisierung des ganzen
nervösen und intellektuellen Systems durch diese "fixen Ideen" - und
die asketischen Prouduren und Lebensformen sind das Mittel dazu,
um jene Ideen aus der Konkurrenz mit allen übrigen Ideen zu lösen,
um sie "unvergeßlich" zu machen. Je schIechter die Menschheit
„bei Gedächtnis" war, um so furchtbarer ist immer der Aspekt ihrer
Bräuche; die Härte der Strafgesetze gibt insonderheit einen
Maßstab dafür ab, wieviel Mühe sie hatte, gegen die Vergeßlichkeit
zum Siege zu kommen und ein paar primitive Erfordernisse des
sozialen Zusammenlebens diesen Augenblicks-Sklaven des Affektes
und der Begierde g e gen w ä r t i g zu erhalten.
Wir Deutschen betrachten uns gewiß nicht als ein besonders
grausames und hartherziges Volk, noch weniger als besonders
leichtfertig und in-den- Tag-hineinleberisch; aber man sehe nur
unsre alten Strafordnungen an, um dahinter zu kommen, was es
auf Erden für Mühe hat, ein „Volk von Denkern" heranzuzüchten
(will sagen: das Volk Europas, untcr dem auch heute noch das
Maximum von Zutrauen, Ernst, Geschmackosigkeit und
Sachlichkeit zu finden ist, und das mit diesen Eigenschaften
ein Anrecht darauf hat, alle Art von Mandarinen Europas
heranzuzüchten). Diese Deutschen haben sich mit furchtbaren
Mitteln ein Gedächtnis gemacht, um über ihre pöbelhaften
GrundInstinkte und deren brutale Plumpheit Herr zu werden: man
denke an die alten deutschen Strafen, zum Beispiel an das
Steinigen (- schon die Sage läßt den Mühlstein auf das Haupt
des Schuldigen fallen), das Rädern (die eigenste Erfindung und
Spezialität des deutschen Genius im Reich der Strafe!), das
Werfen mit dem Pfahle, das Zerreißen- oder Zertretenlassen
durch Pferde, (das" Vierteilen"), das Sieden des Verbrechers in
Öl oder Wein (noch im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert),
das beliebte Schinden ("Riemenschneiden"), das Herausschneiden
des Fleisches aus der Brust; auch wohl daß man den Übeltäter
mit Honig bestrich und bei brennender Sonne den Fliegen überließ.
Mit Hilfe solcher Bilder und Vorgänge behält man endlich fünf, sechs
"ich will nicht" im Gedächtnisse, in bezug auf welche man sein
V e r s p r e c h e n gegeben hat, um unter den Vorteilen der
Sozietät zu leben, - und wirklich! mit Hilfe dieser Art von Gedächtnis
kam man endlich "zur Vernunft"! [COLOR="Red"]- Ah, die Vernunft,
der Ernst, die Herrschaft über die Affekte, diese ganze düstere
Sache, welche Nachdenken heißt, alle diese Vorrechte und Prunkstücke
des Menschen: wie teuer haben sie sich bezahlt gemacht! wieviel Blut
und Grausen ist auf dem Grunde aller "guten Dinge"!.... [/COLOR]
(farblich von mir unterlegt. Iphigenie)
grüße
Iphi