...
...
Vernichtungsdrohung an Arbeiter
Den repressiven Kern der Agenda 2010 bildeten aber die Hartz-Arbeitsgesetze, die konsequenterweise von dem VW-Kapitalfunktionär Peter Hartz in Kooperation mit der Unternehmensberatung McKinsey ausgebrütet worden sind. Diese zwischen 2003 und 2005 eingeführten Arbeitsmarktgesetze bildeten den eigentlichen Zivilisa*tionsbruch: Nach einem Jahr auf Arbeitslosengeld rutschen alle Arbeitslosen unabhängig von der Anzahl der Arbeitsjahre, in denen sie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben, in das Arbeitslosengeld II (ALG II). So wurde in übelster deutscher Tradition Zwangsarbeit für Arbeitslose eingeführt und ein sadistisches Repressionsinstrumentarium geschaffen, das – in einem der reichsten Länder der Welt – den Hungertod von Arbeitslosen legalisierte. Im Endeffekt müssen nach der Implementierung von Hartz IV, bei der die »Zumutbarkeitsregeln« verschärft wurden, alle Arbeitslosen jegliche Angebote der Arbeitsvermittlung annehmen, sie müssen selbst an den unsinnigsten »Weiterbildungsmaßnahmen« teilnehmen, und sie werden genötigt, Zwangsarbeit (sogenannte Ein-Euro-Jobs) zu verrichten.
Sobald ein Arbeitsloser eine ausbeuterische Arbeitsgelegenheit – etwa bei einer Zeitarbeitsfirma – ablehnt, nicht einem stupiden Weiterbildungskurs (Computerbedienung für Anfänger) teilnimmt oder das mit einem Euro die Stunde vergütete Sammeln von Hundescheiße im Park verweigert, können seine »Fallmanager« ihm das ohnehin unzureichende ALG II kürzen und im Wiederholungsfall sogar ganz streichen. Seinen ersten Hungertoten produzierte das Hartz-System am 15. April 2007. Der psychisch kranke 20jährige Sascha K. wurde an diesem Tag verhungert in seiner Wohnung aufgefunden, seine 48jährige Mutter mußte wegen Mangelerscheinung in ein Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem Monate zuvor ihr Fallmanager alle Zahlungen von ALG II eingestellt hatte. Die Verantwortlichen in der zuständigen Behörde wurden selbstverständlich nicht belangt – sie handelten ja gesetzeskonform. Letztendlich bildet diese Drohung mit dem Hungertod den innersten Kern von Agenda 2010 und Hartz IV.
Diese mit der Agenda 2010 eingeführte Vernichtungsdrohung – die in Gestalt beständiger Abstiegsängste wie ein Alp auf der gesamten deutschen Arbeitsgesellschaft liegt – bildete somit auch den wichtigsten Faktor, der die Agenda 2010 zu solch einem gigantischen Erfolg für deren Initiatoren in Politik und Wirtschaft werden ließ. Die BRD verfügte 2010 über den größten Billiglohnsektor Westeuropas, in dem rund 22 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten für einen Hungerlohn ackern müssen. Zum Vergleich: In der EU waren es nur 17 Prozent. Rund eine Million Lohnabhängige müssen inzwischen in Deutschland als Leiharbeiter über die Runden kommen. Vermittels der Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln und der Drohung mit Leistungsentzug konnten die Arbeitsagenturen diesen extrem ausbeuterischen Niedriglohnsektor genügend Menschenmaterial zuführen, daß dort bis zur totalen Erschöpfung verheizt wird. Und selbstverständlich schlugen sich diese Maßnahmen auch in einem gigantischen Lohnkahlschlag in der Bundesrepublik nieder: Der preisbereinigte durchschnittliche Nettolohn sank von rund 1540 Euro Anfang 2004 auf rund 1430 Euro im ersten Quartal 2009. Folglich lag trotz kurzer Aufschwungphasen in der angeblich boomenden Deutschland AG der Durchschnittslohn im dritten Quartal 2011 um 5,5 Prozent unter dem Wert vom ersten Quartal 1991 und 4,07 Prozent unter der durchschnittlichen Vergütung in 2000.´
...
...