Da ist jetzt aber viel Nonsens dabei. Warum sollen sich den Kommunisten von Marx und Klassenkampf abwenden? Das ist doch ihre Grundlage. Im übrigen mit dem einzigen wissenschaftlich widerspruchsfreien Weltbild.
Hegel und wenige Sätze Dialektik
Wie vieles im Leben sind auch Objekte der bildenden Kunst materiell und inhaltlich mehrschichtig, fast wie ein Höyük. Darum ist nie nur eine einzige Deutung möglich. Ich bemühe mich seit längerer Zeit um einfache Farbakkorde, damit diese Ebene transparent und analysierbar bleibt. Meine Formen gehen oft auf ein Koordinatensystem zurück. Beide Elemente sollen nicht zu viel Unruhe verbreiten. Das waren schon drei Ebenen.
Eine besonders wichtige Erklärung und Anwendung von Bedeutungsebenen geht auf Hegel zurück. Denn auch der Vorgang der Dialektik baut darauf auf. Wir kennen den Begriff von Marx, und viele halten ihn für schwer durchschaubar. Das ist jedoch nicht der Fall, ich habe ihn schon Achtklässlern erklärt und sie haben ihn anwenden können. Hegel wollte einen Beitrag zum Weltfrieden leisten und verstand sein Leben als Unterricht zum Frieden. Er entwickelte die Dialektik mit ihrem Denken in Schichten, damit zwei sich streitende Parteien zu einander finden können.
Wenn sich zwei Parteien wegen unterschiedlicher Interessen, Zielen oder Meinungen nicht einigen können, sollen sie gemeinsam nach den höheren Ebenen ihres Problems suchen. Wenn sie die richtige Ebene gefunden haben, stellen sie fest, dass sie ein gemeinsames Anliegen haben und können es gemeinsam lösen und so Frieden schaffen. Dieser Prozess heißt Dialektik - das Ergebnis heißt Synthese.
Das ist schon alles. Was ist daran schwierig? Dialektik ist mit drei Sätzen erklärt. Wenn es diese gemeinsame Ebene nicht gäbe, so wäre das Problem nämlich nicht entstanden. Die beiden Kontrahenten hätten keine Berührung bekommen. Wir sind aber, das gebe ich zu, nicht mehr gewohnt, inhaltliche Ebenen zu erkennen und anzuwenden. Darum halten wir möglicherweise Kompromisse oder Siege für Synthesen und kommen nicht an die Lösungsebenen für die großen Probleme der Menschheit heran. Die bildende Kunst ist eines der wichtigsten Übungsfelder und Werkzeuge, mit der man sich den Verständnis-Ebenen der Realität nähern kann, da man ein Kunstobjekt unter verschiedenen Aspekten betrachten kann und die Ebenen relativ leicht voneinander unterscheiden. Das Spiel beginnt schon dort, wo man auf einem Bild eine Form und ein Farbe analysiert, die erst einmal keine Verbindung haben. Auf einer gewissen Ebene haben sie aber dann doch etwas miteinander zu tun, da sie gemeinsam eine Aussage transportieren.
Wenn Positionen sich hartnäckig als unfähig zur Dialektik erweisen, kann man prüfen ob sie übergrifflich sind. Mitunter kann man sie entlarven.
Hegel erläutert wortreich (bücherweise), wie seiner Meinung nach, im Laufe der Weltgeschichte, zahlreiche Probleme dialektisch gelöst wurden und dass dieser Vorgang, metaphysisch automatisch abläuft.
Dem Automatismus zum Frieden ist jedoch ausdrücklich zu widersprechen. Nur Entropie erhöht sich automatisch und Wasser läuft automatisch den Berg hinunter, solange es keiner Barriere begegnet. Wenn in der Vergangenheit auf dialektischem Wege Frieden oder Fortschritt geschaffen werden konnte, so waren es stets engagierte und mutige Menschen, welche diese häufig gegen den Widerstand der Parteien und dem Automatismus mit Einsatz ihrer Mühe erarbeitet haben. Von selbst ging da gar nichts. Hegels Metaphysik ist problematisch, seine Dialektik ist hingegen eine der wichtigsten und schärfsten geistigen Werkzeuge zum Frieden, welches die Menschheit besitzt.
Ehre an Marx
Bevor ich Karl Marx aufs schärfste kritisiere, möchte ich ihn ehren. Marx hat als einer der wenigen Menschen das schockierende Elend der Arbeiterschaft des 19. Jhs. klar erkannt und benannt. Dieses Elend war so gewaltig, so monströs, dass kein Mensch den Blick darauf lange aushalten konnte. Darum haben fast alle weggeschaut. Dass Marx diesen Blick ausgehalten hat und die Hintergründe dieses Elends analysieren konnte, ist ihm nicht hoch genug anzuerkennen.
Vor allem die Kirchen haben auf das Elend keinerlei Antwort gefunden. Das wundert uns nun nicht mehr. Auf den Worten Jesu ließe sich Humanität aufbauen, auf dem Mitraskult nicht.
Marx hebt sich darum wohltuend ab von allen Hauptströmungen des 19. Jhs., welche sich in materialistischer, inhumaner Weise brüllend gegen die arbeitende Bevölkerung gestellt und ihnen das Notwendigste zum Leben weggenommen haben, um es selbst achtlos zu verschwenden und sich dabei für geistig zu halten.
Dieses abscheuliche Verhalten rechtfertigt bis zu einem gewissen Grade die inhaltlichen Fehler, welche Marx gemacht hat. Ich werde in meiner Kritik an ihm niemals so weit gehen, dass ich diese Großtat irgendwie in Frage stelle. Marx war für die Welt zwingend notwendig. Keine Medizin und keine notwendige Philosophie ist ohne Nebenwirkungen.
Die Kirche hat für ihren Fehler teuer bezahlt. Sie verlor die Menschen und die Gotteshäuser leerten sich. Sie hat seither kaum noch Einfluss auf die Gesellschaft und die Kultur und es hat den Anschein, als ob auch die Ziele nicht mehr existieren. Der Beitrag von engagierten Christen ist seither rein persönlicher Natur.
Kritik an Marx
Ob Marx die Dialektik verstanden hat, ist schwer zu ergründen. Jedenfalls wendet er sie in den Hauptlinien seines Schaffens nicht an. Auch sein Verhältnis zur Metaphysik ist nicht wirklich geklärt. Sein Satz, dass Religion Opium für das Volk sei, bedeutet nicht, dass er alle Metaphysik ablehnt. Vielmehr meint Marx damit, dass Religion die Menschen betäubt und damit träge gegenüber der Ausbeutung macht. Das entspricht durchaus der Erfahrung.
Marx hat von Hegel aber leider den Fehler des Automatismus übernommen, und glaubt an eine automatische Höherentwicklung hin zum Kommunismus. Wo Hegel vollkommen klar und sauber dialektisch argumentiert, versteigt sich Marx zu einer schwerwiegenden Fehlinterpretation. Der Sieg das Klassenkampfes und die Aufrichtung einer Diktatur der Arbeiter- und Bauernschaft ist mitnichten eine Hegel-Synthese. Es ist die mutwillige Durchsetzung der Antithese gegen die These der vorangegangenen Unterdrückung durch die Fabrikbesitzer, nur um statt dessen eine Herrschaft privilegierter Arbeiterführer durchzusetzen.
Die Weiterentwicklung zu einer klassenlosen Gesellschaft scheitert bei Marx an der aufgeschobenen Persönlichkeitsentwicklung der Einzelnen. Marx macht den gleichen Fehler wie Maslow und setzt die Entwicklung der Persönlichkeit ans Ende. Die Persönlichkeit des Menschen ist jedoch eine Synthese seiner Teilinstanzen und muss SOFORT begonnen werden, weil sie mit dem Menschen mitwachsen muss. Die Persönlichkeit der Unterdrückten müsste sich gegen die Herrschaft der Arbeiterführer entwickeln, womit sich der Klassenkampf unendlich fortsetzen müsste. Darum ist der Kommunismus keine sinnvolle Utopie und Marx hat den Hegel nicht vom Kopf auf die Füße gestellt. Das war auch nicht notwendig.
Hegel und Dialektik waren zur Zeit von Marx artiger Gesprächsstoff scheingebildeter und gelangweilter Oberschicht. Nichts davon wurde praktisch angewendet. Die arbeitende Bevölkerung gewann den Eindruck, dass Hegel wichtig aber Dialektik kompliziert und schwierig sei. Marx verstand es propagandistisch, den Arbeitern den Klassenkampf dialektisch nach Hegel und metaphysisch als Weltfrieden zu verkaufen. Er nutze die Popularität des Philosophen und den Begriff dazu, seine Vorstellungen von der Revolution unter das Volk zu bringen. Indem er den Klassenkampf mit den Etiketten „Hegel“, „Dialektik“ und „Höherentwicklung“ versah, machte er den Philosophen mundtot und die Anstrengung zum Frieden und zur geistigen Bewegung zunichte. Wir schauen seither Hegel durch die Brille von Marx an.
Diese propagandistische Leistung bildet eine der Linien zum Aufstieg der späten Formen des Kapitalismus und zu den Weltkriegen.
Leider sind die Linken heute immer noch nicht in der Lage, diesen gravierenden historischen Fehler zu korrigieren und dem kapitalistischen Materialismus eine fundiert begründete Theorie der Menschenwürde, Ethik, Chancengerechtigkeit und einer sozialen Gesellschaft entgegenzusetzen.
Da das Problem komplex ist, kann die Synthese nach Hegel auch nur komplex sein. Es muss zuerst eine ehrliche Analyse der Situation erfolgen. Armut wurde im 19.Jh. als Versagen und persönliche Schuld oder als Schuld der Ahnen wahrgenommen. Reichtum wurde als Gottes Segen und Belohnung gesehen. Das Geld kann auch durch Zermalmen von Menschenmassen gekommen sein, der Gläubige machte brav seinen Bückling und pries den Schlächter als von Gott gesegnet. Wir sind auch heute noch nicht frei von dieser Vorstellung. In Wirklichkeit geht die Situation von installierten Mechanismen aus. Leistung alleine ist vollkommen nutzlos. Einen ersten Teil davon hatte Marx erkannt, seine Analyse greift aber zu kurz. Er sah im Eigentum der Produktionsmittel das Urproblem. Damit schiebt er die Schuld den Reichen zu, eine Synthese nach Hegel ist auf dieser Ebene noch vollkommen unmöglich. Marx liegt inhaltlich vor dem kategorischen Imperativ.
Silvio Gesell und Jean Ziegler kommen mit ihren Analysen viel näher an den echten Kern des Problems heran. Es ist hier nicht der Ort, die Freigeldtheorie von Gesell auszubreiten (Silvio Gesell: Die natürliche Wirtschaftsordnung, Helmut Creutz, Margret Kennedy). Ich halte diese Theorie eindeutig für wert, darüber nachzudenken, allerdings auch für vorläufig. Es fehlt die Forschung an alternativen Konzepten für die Währung und die Wirtschaft. Dies berührt unser Thema aber nur am Rande.
Eigentum oder Leben
Zieglers Analyse ist erst wenige Jahre alt (Jean Ziegler: Was ist so schlimm am Kapitalismus?). Nach Ziegler ist das entscheidende Merkmal des Kapitalismus nicht der Privatbesitz der Produktionsmittel, sondern die Haltung zum Eigentum und zum Leben.
Von ihm kommt der entscheidende Satz: Im Kapitalismus und in allen derzeitigen Wirtschaftstheorien steht der Schutz des Eigentums ÜBER dem Schutz des Lebens!!!
Das Leben wird von allen bedeutenden Weltanschauungen der Metaphysik zugerechnet und unterliegt daher nicht der menschlichen Verantwortung. Das Eigentum hingegen ist nach gängiger Vorstellung Gottes Segen, aber der menschlichen Verantwortung übergeben. Marx übernimmt diese archaische Denke. Auch bei ihm steht das Eigentum über dem Leben. Der Klassenkampf beinhaltet das Töten der besitzenden Klasse um die Reichtümer mit Schein des Rechts rauben zu können. Auch an dieser Stelle hat sich Hegel nicht durchsetzen können. Die Eigentümer müssen ihren Reichtum deshalb zum Schutz ihres Lebens einsetzen, was wir auch sehen. Auf diese Weise werden Kompromisse und Synthesen verhindert. Marxsche Orthodoxie ist daher das größte Hindernis für eine gerechte Wirtschafts- und Sozialordnung, nicht nur für die Linken, sondern wegen der Angst auch für die Rechten.
In den Erbschuld-Erbsegen-Religionen wird das Leben der Transzendenz zugeordnet. Das Eigentum ist als Belohnung dem Menschen gegeben. Marx und die Linken übernehmen diesen Fehler und zeigen damit, dass sie sich geistig VOR der Aufklärung und vor Kant befinden.
Wenn ein Räuber Sie fragt: „Geld oder Leben?“, können Sie antworten: „Geben sie mir lieber ihr Geld, mit ihrem Leben kann ich nichts anfangen.“ Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Sie ihm Ihr Geld geben und damit die Prioritäten richtig setzen. Das Leben ist das höherwertige Rechtsgut, daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Denn wenn Sie tot sind, brauchen Sie keinen Nippes mehr.
Das Problem ist, dass die Eigentümer ihren Besitz zum Schutz ihres Lebens einsetzen müssen, da sie nicht darauf hoffen können, dass ihr Leben und ihre Würde geachtet wird, wenn ihr Besitz in Frage gestellt ist. Das ist der einzige Sinn von Reichtum, was wollen sie sonst außer Sicherheit, denn für die unaufgeklärten Menschen ist das Eigentum das höherwertige Rechtsgut. Das ist die Wunde des Mitraskultes, des Kapitalismus und der Neusucht. Die Menschen achten das Leben und die Menschenwürde nicht, da ihr Eigentum nicht geachtet wird. Das ist der Kern der Verwerfung. Und was ich hier gerade ausbreite ist das Ergebnis der Dialektik nach Hegel. Der Frieden hat nur eine Chance, wenn wir die wichtigsten Prioritäten dieser Welt setzen, wo sie selbstverständlich hin gehören. Garantieren Sie den Menschen ihr Leben, ihre Würde und die Menschenrechte, dann können sie ihre Hände entkrampfen.
Marx hat die Oberflächlichkeit und Scheinbewegung des Avantgardismus erkannt. Vollkommen richtig ordnet er die Neusucht dem Kapitalismus und der sich schützenden Oberschicht zu. Sein Versuch einer kulturellen Entwicklung zum Höheren scheitert allerdings hoffnungslos.
Jeder Versuch, auf dem Stierkult Chancengerechtigkeit aufzubauen ist sinnlos. Marx entlässt die Kultur zwar vom Avantgardismus aber er unterwirft sie dem Diktat des Klassenkampfes und weist ihr die Aufgabe der Propaganda zu.
Das Ergebnis ödet uns an.
Wenn sich Künstler parteipolitisch äußern, verlieren sie fast notwendig ihre Vielschichtigkeit. Künstler sollen sich zivilisiert, kulturell und human äußern, damit sind sie voll und ganz ausgelastet.