[COLOR="#0000CD"]Politische Verhältnisse und Vorgänge werden in der Mitteilungsarbeit sortierend behandelt, ausgrenzend oder hervorhebend, durch titelnde Wortwahl die Meinung des Publikums lenkend. Desinformation kann man das nennen oder "Sprachregelung", die Zerrbilder der Realität erzeugt. Wird da nun "gelogen"?
Man kann das massenmediale Ärgernis dezenter benennen. Die sprachkritischen Wissenschaftler sagen in der Begründung für ihr Urteil über das Wort "Lügenpresse": "Nicht immer" sei allerdings in den Medien "die Wahrheit" zu finden. Das ist recht vorsichtig ausgedrückt. So viel akademische Zurückhaltung wird man von jenen Bürgern, ganz gleich, wo sie politisch stehen, nicht erwarten können, die sich von den etablierten Medien informationell übers Ohr gehauen fühlen. Vermutlich werden sie die Warnung vor dem Begriff "Lügenpresse" als hochmütiges Verhalten von Experten empfinden, die es sich mit den massenmedialen Machtinhabern nicht verderben möchten. Auch in solch einem Gefühl steckt Pauschalisierung, und in journalistischen Jobs sind nicht nur Konformisten tätig.
Aber die Aburteilung des Wortes "Lügenpresse" kann ablenken - von Realitäten. Wenn alltagssprachlich mit "Lügen" gezielte und durchaus systematische Täuschungsmethoden des Informationsbetriebs gemeint sind: Die existieren. In großem Ausmaß.
Nur ein kleines aktuelles Beispiel dafür: In einem Interview mit den "Tagesthemen" trug der ukrainische Regierungschef Jazenzuk eine recht heftige, Hitlerdeutschland entlastende Revision der Geschichte des Zweiten Weltkrieges vor (Nazipropaganda in den Tagesthemen?). Es bedurfte mahnender Anstöße von Nichtprofis, um in den Leitmedien (sie sind sonst nicht unaufmerksam, wenn derart Verdächtiges auftritt) wenigstens einige verspätete Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen. Beschweigen war in diesem Fall angesagt, denn Kiew soll ja sauber dastehen, als Hort "westlicher Werte"...
Ich meine: Wer davon nicht sprechen möchte, sollte sich zurückhalten bei der Anklage gegen "das Unwort Lügenpresse".[/COLOR]