Sorry, [MENTION=209]Pommes[/MENTION] für die etwas beleidigende Äußerung von mir, gestern Abend.
Ein paar ausführlichere Sätze zum Thema Lohnstückkosten:
Deutschland hat traditionell im weltweiten Vergleich eher geringe Lohnstückkosten. Das war schon vor 100 Jahren so. Diese Tatsache war schon immer auch Anlass für kritische Auseinandersetzungen der konkurrierenden Wirtschaftsmächte, auch der Siegermächte im Rahmen der Abwicklung und Neuorganisation nach den Weltkriegen.
Einerseits liegt das an der Tatsache, dass Deutschland schon lange ein starker Industriestandort ist, andererseits an der traditionell eher emsigen, fleißigen Mentalität des Deutschen. Letzteres hat allerdings in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich nachgelassen.
Die ökonomischen Vorteile dieser geringen Lohnstückkosten wurden international immer durch Aufwertungen der D-Mark teilweise ausgeglichen. Dieser Effekt fiel mit der Euroeinführung weg.
Schröder reagierte auf die neue Währung mit den Hartz-Gesetzen, also mit einer gezielten, starken -wenn auch indirekten- Senkung der Massenlöhne. Es ist kein Zufall, dass die Agendarede im Jahr nach der Einführung der Euro-Münzen und -Scheine gehalten wurde.
Deutschland hatte im ersten Jahrzehnt nach der Euroeinführung die geringste Lohnentwicklung innerhalb der Euroländer, was auch dazu führte, dass die deutschen Exportüberschüsse eher noch stiegen, weil nunmehr viele europäische Konkurrenzländer überhaupt nicht mehr mit Deutschland mithalten konnten.
Deutschland gilt innerhalb der EU (und auch für die USA) als der Hauptverantwortliche für die Eurokrise, unter anderem wegen der genannten Lohnpolitik. Dass dies in den deutschen Medien nicht oder kaum publiziert wird, zeigt, wie (mittelbar) zensiert unsere Medien inzwischen funktionieren. Abgesehen davon will das natürlich auch kein Deutscher hören. Wenn in den vergangenen beiden Jahren die Lohnzuwächse in Deutschland ein wenig höher waren, dann hat das nichts mit stärkeren Gewerkschaften zu tun, sondern mit politischem Druck auf Deutschland, seine Löhne der eigenen Produktivität anzupassen. Innerhalb der europäischen Gewerkschaften galten die deutschen Gewerkschaften ebenfalls als Hauptverantwortliche der Eurokrise, weil sie zu brav waren.
Wenn man Lohnstückkosten betrachtet, dann reicht es aber nicht aus, nur das zu betrachten, was der einzelne Arbeitnehmer verdient oder in Summe an Lohnkosten verursacht.
Ich hatte Dich in einem meiner Beiträge darauf hingewiesen, dass im Wort Lohnstückkosten auch das Wort „Stück“ steckt, was Du aber scheinbar nicht richtig verstanden hattest.
Damit spielte ich auf die Tatsache ab, dass es natürlich einen Unterschied für die Lohnstückkosten ausmacht, ob man für 1.000 Stück pro Tag 10 Arbeitnehmer benötigt oder nur 5.
Deutschland ist in dieser Beziehung traditionell sehr viel weiter als die meisten anderen Länder. Dieses Thema hat verschiedene Facetten.
Nehmen wir einmal die Wochenarbeitszeit als einen Faktor. Deutschland ist neben den Niederlanden das Land unter den OECD-Staaten mit der höchsten Teilzeitquote. Das hat durchaus auch Auswirkungen auf die Lohnstückkosten.
Der Standort Deutschland neigt mehr als andere dazu, seine Beschäftigten nur zu den Zeiten zu beschäftigen, in denen auch aktiv Arbeit für sie vorhanden ist. Und das kann im Einzelfall natürlich auch bedeuten, dass der Arbeitnehmer nur 4 Stunden am Tag in der Arbeit ist.
Demgegenüber haben südeuropäische Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien eine stark auf Vollzeitbeschäftigung ausgerichtete Beschäftigungsstruktur, mit der Folge, dass dort sehr viel mehr bezahlte Anwesenheitszeiten auftreten, die im eigentlichen Sinne aber keine aktiven Arbeitszeiten sind.
Man kann das sinnbildlich sehr gut an einer Berufsgruppe in Deutschland erkennen, die derzeit bei der Mindestlohndebatte im Gespräch ist, den Taxifahrern. Es wird nämlich als Folge des gesetzlichen Mindestlohns zu einer deutlichen Erhöhung der Taxitarife kommen. Stell dir vor, ein Taxifahrer hat 50 Minuten keine einzige Fahrt und wartet erfolglos am Taxistand. Diese Zeit muss natürlich der Kunde bezahlen, wenn man dem Taxifahrer einen Mindestlohn geben will, denn sie gehört zu seiner Arbeitszeit. Nun kommst Du nach 50 Minuten und orderst bei ihm eine Fahrt von 2 Kilometern. Was müsstest Du im zahlen, damit er neben seinen sonstigen Kosten noch auf die 8 Euro 50 Gewinn plus Sozialversicherung usw. in dieser Stunde kommt? Merkst du was?
Der Kunde muss also nicht nur die eigentliche Fahrleistung bezahlen, sondern auch das Warten das Taxifahrers auf den nächsten Kunden und ggf. seine schlechte Organisation, weil er vielleicht gerade am unpassenden Taxistand steht . Dies führt einerseits zu erhöhten Lohnstückkosten, wenn man den Begriff in diesem Fall auch auf Dienstleistungen übertragen würde und/oder zu einem geringeren Fahrgastaufkommen, weil mehr Leute als bisher den gehobenen Preis nicht zu zahlen bereits sein werden.
Außerdem führt es dazu, dass die Konkurrenz des traditionellen Taxigewerbes versucht, genau diesen Kostenblock des Wartens auf den Kunden gen Null zu optimieren. Du weißt ja sicher, was sich in diesem Gewerbe gerade an Konkurrenz auftut? Der Hauptgrund, weshalb diese Konkurrenz billiger ist, liegt nicht darin, dass sie unausgebildet sind oder weniger Konzessionskosten haben, sondern darin, weil bei solchen Beförderungen im Prinzip nur die reine Fahrleistung bezahlt werden muss und nicht das Warten auf den nächsten Kunden.
Ein anderer Faktor, der bei den Lohnstückkosten sehr ins Gewicht fällt, ist die deutlich professionellere Arbeitsorganisation in Deutschland. Das muss im Einzelfall nicht immer gleich Arbeitsverdichtung oder Mehrbelastung für den Beschäftigten bedeuten. Man kann Arbeitsprozesse so gestalten, dass man weniger Arbeitszeit für ein Stück benötigt, ohne dass die Belastung des einzelnen Beschäftigten dadurch steigt und auch ohne, dass man statt Arbeitnehmern Maschinen einsetzt. Dies hat natürlich Einfluss auf die Lohnstückkosten eines Produkts, ohne dass der einzelne Beschäftigte deshalb weniger verdienen muss. In solcher Hinsicht ist Deutschland meist sehr viel weiter als der Rest der Welt.
Und dann kommt natürlich die technologische Unterstützung hinzu. Allein die Tatsache, dass Deutschland traditionell ein starker Industriestandort war, führte natürlich dazu, dass man häufiger auch einen ausreichend hohen Absatz seiner Produkte hat, bei dem sich Investitionen in technologische und maschinelle Unterstützung rechnen und man dadurch den Einsatz von Beschäftigten spart. Wer nur 10 Stück am Tag absetzt, für den rechnet sich die Anschaffung einer Maschine als Ersatz für eine manuelle Herstellung nicht, während bei einem Absatz von 1.000 Stück das schon der Fall sein kann. Dieser Effekt reduziert ebenfalls die Lohnstückkosten, unabhängig von der eigentlichen Lohnhöhe der übrig gebliebenen Beschäftigten.