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Erziehung, Disziplin- und dann?
Aus aktuellem Anlass mache ich mir über unsere Schulen Gedanken. Meine Tochter soll am Samstag nachsitzen. Weil sie zu einer Schulklasse gehört, die den Lehrern Sorgen bereitet. Warum Kinder "stören", wird nicht nachgefragt. Hauptsache: Disziplin?
Eine Lehrerin schrieb:
Mein „Lieblingskommentar“ eines Vaters dazu:
Das mit der „Judenverfolgung“ ist stark, was? Lehrer sind die neuen „Juden“?
Oder sie sind der „zu verhindernde Klimawandel“?
Mein Beitrag:
Liebe LehrerInnen, liebe Eltern, liebe MitschülerInnen meiner Tochter.
Auch ich bin für ein gemeinsames Gespräch zwischen uns allen. Warum sind SchülerInnen unaufmerksam? Warum unterhalten sie sich lieber, statt dem Unterricht zu folgen?
Sind aus den meist braven Kindern von damals, in der ersten Klasse, lauter Rabauken geworden? Einfach so, etwa deshalb, weil sie nun in die Pubertät gekommen sind?
Jeder Mensch ist ein Produkt seiner Anlagen und seiner Umwelt. Was hat sich seit damals, als unsere Kinder in die Schule kamen, verändert?
Die grundsätzlichen Anlagen unserer Kinder wohl kaum.
Wer fragt nach den äußeren Veränderungen, etwa danach, dass sich der Leistungsdruck jetzt spürbar erhöht? Wenn die Zeit für Hausaufgaben immer knapper wird? Wie sich die einzelnen LehrerInnen bemühen, um den erhöhten Umfang des zu vermittelnden Wissens mit anregender und im besten Falle humorvoller Motivation zu verbinden?
Haben Sie von ihren Kindern da nur Positives oder Neutrales erfahren?
Wie stehen Sie überhaupt zu dem Gegensatz zwischen erhöhtem Selbstbewusstsein durch zunehmende Erfahrungen der Kinder und dem auch in der Waldorf- Schule herrschendem Prinzip des Frontal- Unterrichts? Dem Prinzip, dass die LehrerIn erst einmal Recht hat- egal, ob sie besonders motiviert oder pädagogisch kompetent ist?
Wer überprüft die Lehrer? "Wer erzieht die Erzieher"?
Unsere Kinder besuchen eine so genannte "freie" Schule. Wie frei ist sie wirklich? Steckt nicht auch hier hinter dem Lehrauftrag ein Erziehungs- und Disziplinierungsauftrag?
Erziehung und Disziplin sind doch aber wichtig, mögen Sie einwenden. Kennen Sie die demokratischen Schulen in diesem Land? Dort können SchülerInnen mitbestimmen. Was und wie sie lernen sogar.
Das ist nur ein Beispiel für mögliche Alternativen. Ein Beispiel dafür, dass es auch andere Schulmodelle- und Methoden gibt.
Es gibt viele für uns erstaunliche Ansätze, Lernen anders zu sehen.
Sicher ist Ihnen bekannt, dass Kinder aus ärmeren oder sogenannten "bildungsfernen" Familien wesentlich schlechtere Bildungschancen haben.
Studien über das "homelearning" in Kanada erwiesen, dass ein solcher Bildungsunterschied kein Naturphänomen ist. Er ist hausgemacht. Die Vorauswahl der Kandidaten für eine Konkurrenzwirtschaft wird von den Schulen erwartet.
Kinder sind von Natur aus neugierig und lernwillig. Aber meist wird eben das an unseren Schulen systematisch verschüttet. Kinder sollen vor allem funktionieren, für den Arbeitsmarkt bereit sein.
Dabei sind gute Noten längst keine Garantie mehr für ein zufriedenes Leben. Noch nicht einmal für eine Arbeitsstelle.
Woher nehmen wir überhaupt das Recht, über die Köpfe unserer Kinder zu entscheiden, wie ordentlich oder diszipliniert sie unbedingt sein müssen? Reden wir darüber genug mit ihnen? Sind sie für uns Partner- oder ähneln sie eher Tieren, die domestiziert werden müssen?
Ich weiß, dass diese Zeilen Einige von Ihnen provozieren. Seien Sie gewiss, ich habe keine Ursache, Sie unnötig aufzuregen. Jedoch gewiss Gründe, Sie aus der Not heraus aufzufordern, Ihre Kinder ernst zu nehmen.
Jede Träne, die ungerechter "Disziplinarmaßnahmen" wegen vergossen wird, ist ein Schnitt in die Seele Ihres Kindes. Manche Wunden werden immer wieder aufbrechen, ein Leben lang.
Wollen Sie das? Oder sind Sie bereit, sich mit den Kindern und den Lehrern an einen Tisch zu setzen, um einen Teil dessen zu leben, was von unserer Gesellschaft immer behauptet wird: Demokratie-?
Was unsere Kinder- meist wohl unbewusst- fordern, das ist unsere Aufmerksamkeit. Sie wollen ernst genommen werden. Auch, wenn sie oft herumalbern.
Vielleicht wehren sie sich ja auch, mythisch gesprochen, gegen die "Vertreibung aus dem Paradies". Sehen sie doch, wie unfroh das Leben eines Erwachsenen aussehen kann.
Warum sollten sie sich da beeilen, möglichst früh erwachsen zu werden?
Und wenn sie erwachsen werden, müssen sie es dann so werden, wie wir es wurden?
Gibt es keine Möglichkeit gesellschaftlicher Entwicklung, mit mehr Freiheit, als wir sie hatten?
Die Erziehungswissenschaftlerin Marianne Gronemeyer fragt: "Was wäre, wenn unser lebhaftestes Interesse nicht der Vergleichbarkeit aller, sondern der vollkommenen Unvergleichlichkeit, der absoluten Einzigartigkeit eines
jeden einzelnen gälte? Was wäre, wenn wir zweitens, der Überraschung, dem
Unerwartbaren und Staunenswerten in der Schule Gastrecht gewährten?
Was wäre, wenn wir drittens statt der alles durchherrschenden Konkurrenz der
Freundschaft und Befreundung Vorrang gäben, wenn wir also die Schule als einen
gastlichen Ort begriffen, in dem die Gastfreundschaft das Miteinander regelt?
Und was - viertens -, wenn an die Stelle der Wissensvermittlung und Qualifikation
das Denken und das Fragen träte? "
Sie hier: http://www.marianne-gronemeyer.de/resources/Brugg+2012+Schule.pdf
Ich würde mich freuen, wenn wir uns ähnliche Fragen gegenseitig stellen würden.
In einem Gespräch zwischen SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern.
Was meinen Sie?
Aus aktuellem Anlass mache ich mir über unsere Schulen Gedanken. Meine Tochter soll am Samstag nachsitzen. Weil sie zu einer Schulklasse gehört, die den Lehrern Sorgen bereitet. Warum Kinder "stören", wird nicht nachgefragt. Hauptsache: Disziplin?
Eine Lehrerin schrieb:
Liebe Eltern der Klasse 8A,
*
wie Sie wissen, versuchen wir gerade mit allen Kräften, Disziplin, Umgangsformen und dadurch die Unterrichtsqualität in der achten Klasse zu verbessern.
In der laufenden Epoche gab es unentwegt Situationen, in denen ich aufgrund massiver Unruhe den Unterricht abbrechen musste und lange gewartet habe, bis sich alle Schüler wieder beruhigten und dem Unterricht zuwendeten. Ab einer bestimmten Zeit habe ich diese Minuten gezählt und angekündigt, bei zwanzig "Warteminuten" eine zusätzliche Unterrichtsstunde am Sonnabend einzurichten. Leider Gottes ist heute auch die zwanzigste Minute verstrichen,,,,, - es muss sein....
So tut es mir wohl leid, aber ich sehe mich doch gezwungen, Ihnen mitzuteilen, dass die Schüler der Klasse am Sonnabend, 30.11.2013, um 8.00 Uhr in der Schule erscheinen müssen. ...
Ich bin mir der zahlreichen Fragen und Probleme, die sich aus einer solchen Maßnahme ergeben, sehr bewusst....*
Ich gebe Ihnen gegenüber auch gerne zu, dass ich zu dieser Zeit sehr viel lieber mein Wochenende genießen würde, als unbezahlte Überstunden zu geben....* Aber es ist in der Klasse leider eine Stufe erreicht, in der wohl nur noch mit ganz klaren Formen und vor allem großer Konsequenz eine Übernahme von persönlicher Verantwortung der Schüler für ihr Verhalten und ihr Lernen und ihren Umgang miteinander als Klassengemeinschaft erreicht werden kann. Die Probleme bestehen, in verschieden großer Ausprägung,* in allen Unterrichten und Fächern, bei allen Lehrern,...., auf ihre Weise sind auch alle Schüler beteiligt.* Irgendwie müssen nun seitens der Schule ganz klare Signale und Grenzen gesetzt werden.
Ich hoffe sehr, dass Sie als Eltern uns Lehrer in dieser schwierigen Situation unterstützen können und werden und dieser zugegebermaßen unpopulären Aktion nicht Ihrerseits widersprechen.
Ich wünsche Ihnen trotz allem ein schönes Wochenende..
Mein „Lieblingskommentar“ eines Vaters dazu:
--------------------------Sehr geehrte LererInnen, sehr geehrte Eltern,
ich persönlich finde das Herangehen der Lehrer richtig und förderungswürdig. Die Klasse / manche Schüler dieser Klasse verhalten sich so, dass die Lehrer nicht mit der Klasse arbeiten können. Es ist daher auch an der Zeit, dass die Schüler lernen solche Probleme auch untereinander zu regulieren und dazu bedarf es der Klasse als Ganzes. Es ist eine wichtige Funktion der Gesellschaft, dass es Menschen mit Courage gibt die andere Menschen bei dem Stoppen was sie tun, wenn es nicht gut für die Gesellschaft ist. ...
Sich aus gesellschaftlichen Problemen rauszuhalten mit "das geht mich nichts an, ich war das nicht" ist ein Wegschauen und ignorieren von Situationen in den ein Einschreiten womöglich nötig oder angebracht wäre.
Und jetzt noch ein Vergleich für die Hartgesottenen: Die Judenverfolgung hätte verhindert werden können, Kriege hätten verhindert werden können, der Klimawandel könnte verhindert werden. Aber ich war ja nicht der Böse, ich fliege ja nicht täglich und ich habe nie persönlich ein Kohlekraftwerk beheizt. Ich bin unschuldig. Die anderen sollen das alles verantworten. So ähnlich haben auch unsere Großväter gesprochen, als man sie fragte "Und, warum habt ihr nichts dagegen unternommen?".
MfG!
Das mit der „Judenverfolgung“ ist stark, was? Lehrer sind die neuen „Juden“?
Oder sie sind der „zu verhindernde Klimawandel“?
Mein Beitrag:
Liebe LehrerInnen, liebe Eltern, liebe MitschülerInnen meiner Tochter.
Auch ich bin für ein gemeinsames Gespräch zwischen uns allen. Warum sind SchülerInnen unaufmerksam? Warum unterhalten sie sich lieber, statt dem Unterricht zu folgen?
Sind aus den meist braven Kindern von damals, in der ersten Klasse, lauter Rabauken geworden? Einfach so, etwa deshalb, weil sie nun in die Pubertät gekommen sind?
Jeder Mensch ist ein Produkt seiner Anlagen und seiner Umwelt. Was hat sich seit damals, als unsere Kinder in die Schule kamen, verändert?
Die grundsätzlichen Anlagen unserer Kinder wohl kaum.
Wer fragt nach den äußeren Veränderungen, etwa danach, dass sich der Leistungsdruck jetzt spürbar erhöht? Wenn die Zeit für Hausaufgaben immer knapper wird? Wie sich die einzelnen LehrerInnen bemühen, um den erhöhten Umfang des zu vermittelnden Wissens mit anregender und im besten Falle humorvoller Motivation zu verbinden?
Haben Sie von ihren Kindern da nur Positives oder Neutrales erfahren?
Wie stehen Sie überhaupt zu dem Gegensatz zwischen erhöhtem Selbstbewusstsein durch zunehmende Erfahrungen der Kinder und dem auch in der Waldorf- Schule herrschendem Prinzip des Frontal- Unterrichts? Dem Prinzip, dass die LehrerIn erst einmal Recht hat- egal, ob sie besonders motiviert oder pädagogisch kompetent ist?
Wer überprüft die Lehrer? "Wer erzieht die Erzieher"?
Unsere Kinder besuchen eine so genannte "freie" Schule. Wie frei ist sie wirklich? Steckt nicht auch hier hinter dem Lehrauftrag ein Erziehungs- und Disziplinierungsauftrag?
Erziehung und Disziplin sind doch aber wichtig, mögen Sie einwenden. Kennen Sie die demokratischen Schulen in diesem Land? Dort können SchülerInnen mitbestimmen. Was und wie sie lernen sogar.
Das ist nur ein Beispiel für mögliche Alternativen. Ein Beispiel dafür, dass es auch andere Schulmodelle- und Methoden gibt.
Es gibt viele für uns erstaunliche Ansätze, Lernen anders zu sehen.
Sicher ist Ihnen bekannt, dass Kinder aus ärmeren oder sogenannten "bildungsfernen" Familien wesentlich schlechtere Bildungschancen haben.
Studien über das "homelearning" in Kanada erwiesen, dass ein solcher Bildungsunterschied kein Naturphänomen ist. Er ist hausgemacht. Die Vorauswahl der Kandidaten für eine Konkurrenzwirtschaft wird von den Schulen erwartet.
Kinder sind von Natur aus neugierig und lernwillig. Aber meist wird eben das an unseren Schulen systematisch verschüttet. Kinder sollen vor allem funktionieren, für den Arbeitsmarkt bereit sein.
Dabei sind gute Noten längst keine Garantie mehr für ein zufriedenes Leben. Noch nicht einmal für eine Arbeitsstelle.
Woher nehmen wir überhaupt das Recht, über die Köpfe unserer Kinder zu entscheiden, wie ordentlich oder diszipliniert sie unbedingt sein müssen? Reden wir darüber genug mit ihnen? Sind sie für uns Partner- oder ähneln sie eher Tieren, die domestiziert werden müssen?
Ich weiß, dass diese Zeilen Einige von Ihnen provozieren. Seien Sie gewiss, ich habe keine Ursache, Sie unnötig aufzuregen. Jedoch gewiss Gründe, Sie aus der Not heraus aufzufordern, Ihre Kinder ernst zu nehmen.
Jede Träne, die ungerechter "Disziplinarmaßnahmen" wegen vergossen wird, ist ein Schnitt in die Seele Ihres Kindes. Manche Wunden werden immer wieder aufbrechen, ein Leben lang.
Wollen Sie das? Oder sind Sie bereit, sich mit den Kindern und den Lehrern an einen Tisch zu setzen, um einen Teil dessen zu leben, was von unserer Gesellschaft immer behauptet wird: Demokratie-?
Was unsere Kinder- meist wohl unbewusst- fordern, das ist unsere Aufmerksamkeit. Sie wollen ernst genommen werden. Auch, wenn sie oft herumalbern.
Vielleicht wehren sie sich ja auch, mythisch gesprochen, gegen die "Vertreibung aus dem Paradies". Sehen sie doch, wie unfroh das Leben eines Erwachsenen aussehen kann.
Warum sollten sie sich da beeilen, möglichst früh erwachsen zu werden?
Und wenn sie erwachsen werden, müssen sie es dann so werden, wie wir es wurden?
Gibt es keine Möglichkeit gesellschaftlicher Entwicklung, mit mehr Freiheit, als wir sie hatten?
Die Erziehungswissenschaftlerin Marianne Gronemeyer fragt: "Was wäre, wenn unser lebhaftestes Interesse nicht der Vergleichbarkeit aller, sondern der vollkommenen Unvergleichlichkeit, der absoluten Einzigartigkeit eines
jeden einzelnen gälte? Was wäre, wenn wir zweitens, der Überraschung, dem
Unerwartbaren und Staunenswerten in der Schule Gastrecht gewährten?
Was wäre, wenn wir drittens statt der alles durchherrschenden Konkurrenz der
Freundschaft und Befreundung Vorrang gäben, wenn wir also die Schule als einen
gastlichen Ort begriffen, in dem die Gastfreundschaft das Miteinander regelt?
Und was - viertens -, wenn an die Stelle der Wissensvermittlung und Qualifikation
das Denken und das Fragen träte? "
Sie hier: http://www.marianne-gronemeyer.de/resources/Brugg+2012+Schule.pdf
Ich würde mich freuen, wenn wir uns ähnliche Fragen gegenseitig stellen würden.
In einem Gespräch zwischen SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern.
Was meinen Sie?