Und was genau wollen Sie ändern?
Was die Besteuerung von Vermögen und Kapitalerträgen anbelangt, wünsche ich mir – platt gesagt – die gute alte Zeit unter Helmut Kohl zurück. Es gab mal einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent, es gab eine progressive Besteuerung von Kapitalerträgen, es gab eine Erbschaftssteuer, die das Papier wert war, auf dem sie stand. Und es gab eine Vermögenssteuer, die nach Kritik an ihrer Ausgestaltung einfach ganz ausgesetzt wurde.
Bei den Ersatzveranstaltungen für das Weltwirtschaftsforum diskutieren Reiche gerade ebenfalls über allerlei Menschheitsprobleme. Zeichnet sich ein Umdenken ab?
Ich denke, dass wir in den nächsten zwei Jahrzehnten vor entscheidenden Fragen stehen. Es geht darum, ob wir die ökologische Krise meistern, ob wir die Krise der Ungleichheit in vielen Gesellschaften bewältigen und ob wir die Vertrauenskrise der Demokratie in den Griff bekommen. Die Welt ist reich, und wir könnten die Probleme lösen – aber das Geld ist schlecht verteilt. Der Grenznutzen großer Vermögen geht gegen null, während anderswo jeder Euro mehr einen Unterschied machen würde.
Die Zeit ist reif. Es gibt eine kritische Masse junger Erbinnen und Erben, die völlig verständnislos vor einem Haufen Geld steht – weil sie sich wundert, was ihnen da ohne jegliche Steuern überlassen wird. Zugleich leben wir in einer Gesellschaft, in der ein Drittel wirklich gegen den Abstieg kämpft. Wir haben soziale Nöte, ein Fünftel aller Kinder ist von Armut bedroht.
Hat auch die Pandemie Ihre Sichtweise verändert?
Ich glaube, auch den Vermögenden ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Um die Krise zu bekämpfen, haben die Zentralbanken massiv Geld ausgegeben. Dadurch haben alle Sachwerte, Aktien, Immobilien und Rohstoffe, deutlich an Wert gewonnen. Allein in den vergangenen zwei Jahren hat sich unser Vermögen dadurch fast verdoppelt, ohne dass wir etwas tun mussten.
Sie kommen selbst aus der Wirtschaft, haben sich auf dem freien Markt behauptet. Macht es Ihnen da keine Sorge, dass Vater Staat die zusätzlichen Einnahmen verschwenden könnte?
Ein intransparenter Fiskus ist ein Problem, wir haben ja nicht ohne Grund eine Vertrauenskrise in unserer repräsentativen Demokratie. Das Thema müssen wir lösen, definitiv. Aber man kann das eine Problem nicht gegen das andere ausspielen und keine Steuern zahlen, weil der Staat nicht so effizient ist, wie man es gerne hätte.
Schlussendlich belaufen sich die Steuerprivilegien für uns Millionäre und Milliardäre auf 80 Milliarden Euro pro Jahr. Würde man das ändern, könnte man die Mehrwertsteuer deutlich senken oder die Einkommenssteuer für die unteren 80 Prozent drastisch reduzieren. Selbst wenn der Fiskus keine zusätzlichen Gelder einnehmen sollte, könnte man also viel für mehr Gerechtigkeit tun.
Die Ampelkoalition hat Steuererhöhungen bislang kategorisch ausgeschlossen. Was können sie realistischerweise erreichen?
Erst mal können wir über das Thema sprechen. Über Geld wird in Deutschland wenig geredet, am wenigsten von den Vermögenden, die sich gern bedeckt halten. Und ich hoffe, dass die FDP ihre Blockade bei der Erbschaftssteuer aufgibt. Die ist, wie wir sie gerade anwenden, verfassungswidrig, wie das Verfassungsgericht zweimal bestätigt hat. Wenn Sie über 10 Millionen Euro erben, zahlen Sie bei einem Betriebsvermögen oft überhaupt keine Steuern mehr. Wer hingegen ein kleines Haus erbt, muss jenseits des Freibetrags schnell mal 10 Prozent abgeben.