Wären die 3 Millionen fehlenden Arbeitsplätze vorhanden, wenn einzelne Hartzer keine "Fehler" begangen hätten? Natürlich nicht.
Deine ständiges Herunterbrechen ursächlich gesellschaftlicher Probleme in die Verantwortung der Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse ist nicht nur falsch, sondern obendrein zynisch.
Es fehlen keine 3 Millionen Jobs. Im Oktober waren ca. 2,2 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet und 824.000 Stellen ausgeschrieben. Wenn man mit einplant, dass die Arbeitsplatzbewegung einen gewisse Menge an Jobsuchenden zu jedem Zeitpunkt braucht, ist genügend Arbeit vorhanden.
Das Problem besteht oft darin, dass Langzeitarbeitslose nicht geeignet sind für viele produktive Stellen, entweder wegen fehlender Fähigkeiten oder aus individuellen Gründen.
Zuerst den Fehler beim Individuum zu suchen ist folgerichtig, einmal weil die Einstellungsentscheidung vom individuellen Fall abhängig ist. Viel wichtiger ist aber, dass das System erst dann zum Schuldigen erklärt werden sollte, wenn eindeutig ist, dass der jeweilige Hartz IV Empfänger das bestmögliche getan hat und trotzdem nichts findet. Bevor das geschehen ist, ist eine Verallgemeinerung nicht richtig.
Ein Grund für meine Skepsis gegenüber dem primären Recht der sich selbst als "Ungerecht" behandelt Fühlenden, Ungerechtigkeit zu definieren rührt auch aus diesem Punkt her. Wer nicht in der Lage ist, in seinem unmittelbaren Machtbereich für ein Auskommen und eine funktionale Ordnung in seinem Leben zu sorgen, bietet wenig Anlass zu glauben, er/sie wäre in der Lage, größere Gesellschaftszusammenhänge wie Gerechtigkeit effektiv zu beurteilen.
Und es gibt gute Gründe die gegen die alleinig systemische Ursache sprechen:
1) 44,8 Millionen Erwerbstätige schaffen es, zumindest bedingt erfolgreich den eigenen Unterhalt zu sichern. Wenn nur etwa 4,9% einer betrachteten Population nicht in der Lage sind, funktional zu agieren, spricht das nicht offensichtlich gegen das betrachtete System, die Erfolgsquote ist zu hoch.
2) Es ist nicht randomisiert, wer in Hartz IV gerät. Keine oder schlechte Ausbildung, negatives Verhalten am Arbeitsplatz, begangene Straftaten, fehlende Impulskontrolle und psychische Erkrankungen sind gute Prädiktoren für eine erhöhte Hartz IV Quote. Dass Menschen mit psychischen Erkrankungen eine deutlich erhöhte Gefahr haben, halte ich tatsächlich für einen Punkt an dem das System versagt, wenn auch nicht ausschließlich. Bei den anderen Punkten sind es ganz klar Variablen, die auf persönliche Verfehlungen rückführbar sind (sofern die letzten beiden Punkte eben auszuschließen sind).