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Unsere Verfassung ist legitim!
Gemäß Art. 146 GG verliert das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen wurde. Einen Aufruf, eine derartige Verfassung zu beschließen, enthält das Grundgesetz jedoch nicht. Der ursprüngliche Text der Präambel wies dem Grundgesetz bis 1990 als Aufgabe zu, „dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben“. Die Präambel alter Fassung wurde abgeschlossen mit dem Satz „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“[28]
In der Umformulierung infolge des Einigungsvertrages von 1990 wurde nun vereinfacht und ohne Einschränkungen festgestellt, dass „sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt[29] dieses Grundgesetz gegeben“ habe. „Die Deutschen in den Ländern [Aufzählung der Bundesländer] haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“[28]
In Artikel 146 wurde durch den Einigungsvertrag hinter den Worten „Dieses Grundgesetz“ der Nebensatz „das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt“ eingefügt, um klarzustellen, dass der Artikel auch nach Herstellung der deutschen Einheit weiterhin gelte.
Die Textpassagen dieses Grundgesetz-Artikels werden gelegentlich dahin gehend interpretiert, nur eine direkt – also plebiszitär – beschlossene Verfassung erfülle das staatsrechtliche Programm des Grundgesetzes und der provisorische Zustand sei weiterhin gegeben. Mehrheitlich wird in der Staats- und Rechtswissenschaft darin jedoch kein demokratisches Defizit gesehen, denn das Prinzip der repräsentativen Demokratie, das hier letztlich zur Anwendung kommt, sei qualitativ und demokratietheoretisch nicht mangelhaft, sondern eine graduelle und systematische Grundentscheidung. Auch habe das Grundgesetz in seiner alten Fassung von einer freien Entscheidung des Volkes gesprochen – als Kontrast zur politischen Unfreiheit der Deutschen in der DDR –, nie jedoch von einer direkten Entscheidung. Daher seien besondere plebiszitäre Anforderungen hieraus nicht herleitbar. Das deutsche Volk habe durch den verfassungsändernden Gesetzgeber der Jahre 1990–94 stets frei und kontinuierlich gesprochen; es „hat im Grundgesetz eine gültige, würdige und respektierte Verfassung gefunden, unter der es ein freies, freiheitliches, demokratisches Leben in einem sozialen und föderativen Rechtsstaat führen kann“.[30] Vielmehr schließe der belassene Artikel 146 eine Verfassungsreform mit Aufhebung des Grundgesetzes zwar nicht aus, er verlange sie aber auch nicht.[31]
Es ist nur scheinbar ein Widerspruch, dass diese gesamtdeutsche Verfassung weiterhin die Bezeichnung „Grundgesetz“ trägt. Das Grundgesetz erfüllt nicht nur alle Funktionen einer Verfassung und hat sich bereits im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik als solche gefestigt, sondern wird auch den Legitimitätsanforderungen an eine Verfassung gerecht. Die Beibehaltung des ursprünglichen Namens Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ist historisch bedingt und lässt sich auch als Respekt vor der Arbeit des Parlamentarischen Rates deuten. Gegenwärtig lautet daher die Feststellung zur Verfassungsgesetzgebung vereinfacht: Das Grundgesetz ist die Verfassung.[3