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"Wenn die Welt ein Dorf wäre ..." - warum wird aus der Menschheit nichts?
Wie es um die Menschheit bestellt ist, zeigt ein Szenario, wo man sich die Welt als Dorf mit 100 Einwohnern vorstellen muss:
Quelle und vollständiger Text auf: http://www.orbit9.de/wissen/weltdorf.php
Die Welt und ihre Bewohner auf Dorfgröße zusammengeschrumpft, zeigen wie erbärmlich es um sie bestellt ist. So ist mir aus Diskussionen mit Rechten und Linken, real und virtuell fast niemand bekannt, dessen Ordnungsvorstellungen für ein Dorf zu so einem Horror führen würden.
In der Regel wäre es so:
Alle Bewohner des Dorfes hätten genug zu essen, eine ausreichende Wohnung und könnten lesen und schreiben. Höhere Bildung wäre eine Sache der Begabung und Neigung und nicht der sozialen Herkunft. Im armen, durch die Not bauernkommunistischen Dorf stände der eine PC im Dorfgemeinschaftshaus und alle könnten ihn nutzen. Im reicheren anarchokapitalistisch-technokratischem Dorf hätten 20 bis 60 Personen ihren eigenen PC und die übrigen gingen ins Internet-Café.
Selbst kommunistische Dörfler würden einsehen, dass man nicht alle gleich arm halten kann und es Unterschiede gäbe - Bauer Macke hat einen neuen großen Traktor, Bauer Rose einen kleinen alten etc. "Kapitalistische" Dörfler widerum fänden es nicht sonderlich hip, wenn 6 Leute 60 Prozent alles Besitzes hätten und die Mehrheit im Elend lebt. Macht Kapitalismus nicht mehr Spaß, wenn alle was von haben?
Die diversen Dörfler wären sich in den oben genannten wirtschaftlichen und sozialen Aspekten vermutlich trotz aller Unterschiede zwischen kommunistischen und kapitalistischen Dörfern recht einig. Niemand darf hungern, man darf aber auch niemanden alles wegnehmen, was er oder sie selbst erarbeitet hat und es auf die verteilen, die weniger fleißig waren.
Unterschiede zwischen den Dörfern gäbe es in viele höhrem Maße in der Lebensweise, der Kultur und damit zusammenhängenden Ideologien. Eine Kirche fürs ganze Dorf? Einen Tempel oder eine Moschee? Oder Kirche, Tempel und Moschee im gleichen Dorf? Verträgt sich Bauerkommunismus mit Religion oder sollen Kirchen, Moscheen und Tempel geschleift werden?
Dann sind noch 11 von 100 Dorfbewohner homosexuell. Vielleicht sogar mehr ... wie gehen die und die Heterosexuellen miteinander um?
Was machen die Dorfbewohner, wenn alle materiellen Bedürfnisse gedeckt sind? Sich aus Langeweile mit dem Nachbardorf prügeln ("Krieg")? Sich den schönen Künsten oder der Wissenschaft widmen, weil Krieg unmoralisch und Müßiggang aller Laster Anfang ist? Oder den Lastern frönen - Wein, Weib und Gesang? Im Kapitalistendorf Besitz anhäufen, auch wenn man ihn nicht braucht um im Jubeljahr wieder verschenken oder investieren muss, weil totes Kapital tötet?
Frönen die Dörfler vielleicht im Namen ihres Glaubens perversen oder sadistischen Ritualen wie manche vorkolumabianischen Indianderkulturen?
Wie sieht es mit den Beziehungen zu anderen Dörfern aus? Schottet man sich ab oder ist offen für Neues? Treibt man Handel miteinander oder fasst die Inter-Dorf-Beziehungen als Geflecht komplizierter Intrigen und Konflikte auf wie bei den Stadtstaaten der antiken Griechen und der Mayas. Sollen sich alle Dörfer friedlich vereinen oder wenigstens bei großen Aufgaben zusammenarbeiten?
Vielleicht entwickeln alle Dörfer ungeachtet ihrer Gegensätze, Eigenheiten und Konflikte so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine gemeinsame Identität. So haben sich auch alte Griechen und Mayas als Einheit verstanden, obwohl sie in Kleinstaaten zerfallen waren, die sich ständig in den Haaren lagen. Warum sollte das nicht auch den globalen Dörfern gelingen?
Soweit die Dorf-Metapher. Sie zeigt, dass auch bei anthropoligischem Pessimismus - doch etwas aus der Menschheit hätte werden können. Warum aus der Menschheit in gewissen Sinne "nichts" geworden ist, bedarf einer Erklärung, die über Allgemeinplätze der Form "weil es so gekommen ist, ist es so gekommen" hinausgeht.
Mögliche Antworten auf die Frage, warum aus der Menschheit nichts geworden ist, kreisen um folgende Themenkoplexe:
1. Die anthropologische Antwort
Sie lautet: "Der Mensch ist an die Grenzen des ihm genetisch Möglichen gestoßen und zu mehr nicht in der Lage." Ich halte diese Antwort für problematisch, weil in ihrer Vulgärform alles Elend und jede Schikane letztendlich mit "dem Menschen" oder "der Natur des Menschen" erklärt wird.
Zum einen ist es ein Zirkelschluss, zum anderen wird die Natur des Menschen nicht erklärt.
Man kann gerade mit Bezug auf die ominöse Natur des Menschen diese Antwort sogar umdrehen und hat als Erklärung:
2. Gesellschaften und Ideologien, die nicht mit der Natur des Menschen übereinstimmen
Es fängt damit an, dass 11 der 100 Dorfbewohner homosexuell sind und viele Religionen und (rechte) Ideologien deren Diskriminierung oder gar Ermordung fordern. Zudem sind 52 Dorfbewohner Frauen und Frauen werden in vielen Wertesystemen noch immer drangsaliert und als minderwertig angesehen. Die 48 Männer im Dorf werden durch solche "patriarchalen" Wertesysteme nicht unbedingt zu besseren Menschen oder gar den Machern, die das Dorf in Schwung bringen. Im Gegenteil: 4 oder 5 Männer im patriarchalen Dorf sind bösartige Tunten oder Klemmschwestern, die ihre Mitmenschen tyrannisieren. Als "Männer" im positiven Sinne eine Fehlbesetzung! Mit den übrigen 43 Männern sieht es nicht unbedingt besser aus. 20 malochen wie die Stiere, der Rest ist eher dumm und faul.
Rechtschaffene Männer und Frauen in diesem Dorf fragen sich, womit sie das alles verdient haben, denn
3. Die Menschen leiden nicht entsprechend, sondern wider ihre "Natur"!
Was immer man vom Menschen halten mag, so verfahren doch recht viele nach der Devise "austeilen und einstecken" und wer nicht gern einstecken mag, soll sich auch beim "Austeilen" zurückhalten. Menschen ertragen Entbehrungen und stehen nach Tiefschläger wieder auf, wo man sie schon für tot gehälten hätte.
So zuwider mir diese Vorstellung ist, so mag etwas die Maya-Hochkultur für Leid entsprechend der "menschlichen Natur" stehen. Vor 1000 Jahren fetzten sich sich da, schlachteten sich auf ihren Opfersteinen ab und ließen sich selbst opfern. Als sie keine Lust mehr dazu hatten, gaben sie ihre Städte auf und lebten als Bauern im Dschungel.
Nur scheint es mir heute so: die Menschen sollen leiden, leiden, leiden und werden getadelt, wenn sie darauf keine Lust haben. Von ihnen wird nicht Leid als Konsequenz ihrer Handlungen oder als "Durchgangsstadium" für ein besseres Leben verlangt. Nein, sie sollen immerzu leiden und den Dörflern, wo alle ein Dach über dem Kopf und genug zu essen haben, wird das Dorf, wo 70 von 100 hungern, als Beispiel vorgehalten.
Also sinnloses, nicht der menschlichen Natur entsprechendes Leid.
4. Resultat anonymer gesellschaftlicher Dynamiken
Der Zustand der Welt und der Menschen ist die Folge gesellschaftlicher Prozesse, die "wie Naturgesetze" wirken. Wir selbst tun uns das Leid an, über das wir klagen. Wir tun es oft nicht wissentlich oder vorstätzlich, aber wir tun es als Teil der Interaktionen mit anderen Menschen. Am "Markt" oder anderen Prozessen in der "Massengesellschaft". Es kommt alles von selbst und ist vielleicht auch nicht zu ändern. Der Hartz-IV-Empfänger, der zu faul und bequem für politische Arbeit ist, hat am ganzen Elend ebenso viel Schuld wie Peter Hartz. Wobei es ihm noch besser geht als 70-80 der 100 Dorfbewohner.
Aber der politisch Aktive mit und ohne Hartz IV hat da zwangsläufig Erfahrungen gemacht, die ihn an dieser Sichtweise zweifeln lassen.
5. "Eingriffe von außen" - Verschwörungstheoretiker an die Front!
Es mag die massengesellschaftliche Dynamik geben, wie sie in 4. skizziert wurde. Aber sind nicht alle Beteiligten gleich mächtig, sondern es gibt Hierarchien von Macht und Ohnmacht, von Wirkung und Vergeblichkeit. Peter Hartz hat mehr Macht als seine Opfer, die Erwerbslosen und es gibt - anonyme - Kräfte, die deutlich mehr Macht haben als Peter Hartz.
Last but not least gibt es Mächte, welche Massengesellschaften steuern, ohne selbst ihrer oft selbst für Hochgestellte tödlichen Dynamik unterworfen zu sein. Die, die in "Gated Communities" oder Villen an der Côte d'Azur leben. Die die Länder plünder, auf die sie selbst nie einen Fuß gesetzt haben.
Die, welche Tür an Tür mit denen wohnen mögen, deren Leben sie durch ihre Intrigen zerstören. Die, welche sich mit Vermögen und/oder neuer Stellung ins Exil nach Kalifornien verdrücken, nachdem sie ihr Heimatland kaputt gemacht oder ausgesaugt haben.
"Außen" kann vieles bedeuten und von den "Meistern der Insel" zu irgendwelchen irdischen Verschwörerclicquen ist es da vielleicht kein so großer Schritt.
6. Aus der Menschheit ist doch etwas geworden
... wir merken es nur nicht! Für einen Gelehrten z. B. des späten Mittelalters wäre das 21. Jahrhundert trotz Kritik vielleicht ein großer Erfolg, weil er selbst um 1400 in einem System vegetieren mussten, das nicht einmal die Bedürfnisse einer halben Milliarde Menschen befriedigen konnte. Und wo sich die Herrschenden und ihnen hörige Eliten darum einen Dreck scherten!
Im Dreißigährigen Krieg fiel im Juni Schnee, heute drehen wir bei 10 Grad im Juni die Zentralheizung an. Dieser Tage wurde ein Nazi-Kriegsverbrecher im Alter von 89 Jahren nach Deutschland zur Aburteilung überstellt. In Den Hag schmort derweil diverses Balkan-Kleinzeug im Kriegsverbrecherknast und mag über Ungleichbehandlung jammern. 1648 kam kein Mensch darauf, den Verantwortlichen des Dreißigjährigen Krieges als Großverbrecher den Prozess zu machen.
Das Prinzip der Stufenrakete soll aus dem 16. Jahrhundert stammen, nur fand sein Erfinder damals keine Regierung, die ihn förderte. Schließlich hatten die alle Wichtigeres zu tun - siehe oben Dreißigjähriger Krieg :rolleyes2: Heute bauen wir unter dem Gezeter von Raumfahrt-Gegnern - "die Probleme auf der Erde lösen" - Instrumentenkapseln und Teleskope, um deren Raffinesse uns vielleicht sogar Außerirdische beneiden.
Unter dieser Sichtweise ist es mit "nichts geworden" vielleicht so: Im Laufe der Geschichte ändert sich nicht nur das Leben, sondern auch Maßstäbe und Normen wandeln sich. Heute ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit mit Sicherheit nicht kleiner als im Mittelalter und es mag sogar Dinge geben, wo wir etwas qua demographischer Expansion und technischer Mittel schlimmer sind als die Menschen damals. Aber in anderen sind wir auch besser und wir haben vermutlich - ohne uns dessen bewusst zu sein - mancham sogar strengere Normen als damals. Für den Umgang der Menschen miteinander, für das Handeln des Staates gegen die Menschen etc. Sogar meine christlich-fundamentalistische Sekte warnte vor einer Idealisierung des Mittelalters: damals gab es nicht unbedingt mehr Glauben, sondern auch mehr "Aberglauben".
7. Aus der Menschheit wird noch etwas werden
Nicht die Menschheit und der Mensch, sondern die um 1750 begonnene Epoche ("Moderne") ist an ihre Grenzen gestoßen. Mit heutigen massengesellschaftlichen Strukturen und Verhaltensmustern lässt sich mehr nicht erreichen, aber den Menschen sind andere und bessere Vergesellschaftungsformen möglich.
Es kann auch sein, dass die Entwicklung der Produktivkräfte die jetzigen Strukturen auf die eine oder andere Art und Weise ad absurdum führt.
8. Der Mensch hat seinen Platz im Kosmos noch nicht gefunden
Soweit ich das überblicken kann, ist das Thema vieler Religionen der Platz des Menschen im Kosmos. Nur verorten die meisten Religionen den Menschen da ganz unten in einem oft kruden oder gar kranken Kosmos. Den meisten Göttern früherer Religionen möchte man nicht unbedingt allein und im Dunkeln begegnen, weil es ... nun ja, Psychopathen sind. Der Regengott der Mayas z. B. erfreute sich am Weinen von Kindern, na klasse :rolleyes2: Auch beim Gott der Juden, Christen und Moslems kommen gewisse Zweifel. In einem anderen Forum schrieb jemand, als sich um die Zeit 1000 vor Christus das Bild des "einzigen Gottes" herauskristallisierte, hätten die Menschen die damaligen Herrscher im Nahen Osten als Vorbild genommen. Und diese Herrscher hätten Ähnlichkeit mit Adolf Hitler gehabt ...
So ist es kein Wunder, dass die Menschen im Zuge der Aufklärung den ihn von den Religionen zugewiesenen Platz im Kosmos nicht mehr akzeptierten. Weil der Platz zu bescheiden war, weil der "König der Welt" (der Koran über Gott) nicht immer gütig, sondern auch jähzornig, rachsüchtig und grausam war. Weil die Religionen ein falsches Bild vom Kosmos malten ...
... nur ist die Aufklärung über ihr Ziel hinausgeschossen. Sie hat eine universelle Moral konzipiert, die außerhalb, ja über jeder Art von Herrschaft steht. Schluss mit den "geoffenbarten" Steinigungen und dergleichen! Die Wissenschaften malten das Bild eines Kosmos, der einem absoluten Gott eigentlich viel würdiger ist als die Käseglocke, in der sich die Menschen im Mittelalter wähnten.
Aber über den Platz des Menschen im neuen Kosmos schweigen sich die Aufklärer weitgehend aus. Bestrebungen, so einen Platz zu finden, werden von ihnen ignoriert oder gar kaltlächelnd abgeschmettert. Nihilismus ist Trumpf und im Werte-Vakuum machen sich Faschisten und Fundamentalisten breit. Ideologien, die im Namen der Ordnung das Chaos noch schlimmer machen.
Wie es um die Menschheit bestellt ist, zeigt ein Szenario, wo man sich die Welt als Dorf mit 100 Einwohnern vorstellen muss:
Wenn wir die ganze Menschheit auf ein Dorf von 100 Einwohnern reduzieren und auf die Proportionen aller bestehenden Völker achten würden, so wäre dieses Dorf so zusammengestellt:
(...)
6 Personen würden 59% des gesamten Weltreichtums besitzen
und alle 6 Personen kämen aus den USA.
80 hätten keine ausreichenden Wohnverhältnisse
70 wären Analphabeten
50 wären unterernährt
1 würde sterben
2 würden geboren
1 hätte einen PC
1 hätte einen akademischen Abschluss
Quelle und vollständiger Text auf: http://www.orbit9.de/wissen/weltdorf.php
Die Welt und ihre Bewohner auf Dorfgröße zusammengeschrumpft, zeigen wie erbärmlich es um sie bestellt ist. So ist mir aus Diskussionen mit Rechten und Linken, real und virtuell fast niemand bekannt, dessen Ordnungsvorstellungen für ein Dorf zu so einem Horror führen würden.
In der Regel wäre es so:
Alle Bewohner des Dorfes hätten genug zu essen, eine ausreichende Wohnung und könnten lesen und schreiben. Höhere Bildung wäre eine Sache der Begabung und Neigung und nicht der sozialen Herkunft. Im armen, durch die Not bauernkommunistischen Dorf stände der eine PC im Dorfgemeinschaftshaus und alle könnten ihn nutzen. Im reicheren anarchokapitalistisch-technokratischem Dorf hätten 20 bis 60 Personen ihren eigenen PC und die übrigen gingen ins Internet-Café.
Selbst kommunistische Dörfler würden einsehen, dass man nicht alle gleich arm halten kann und es Unterschiede gäbe - Bauer Macke hat einen neuen großen Traktor, Bauer Rose einen kleinen alten etc. "Kapitalistische" Dörfler widerum fänden es nicht sonderlich hip, wenn 6 Leute 60 Prozent alles Besitzes hätten und die Mehrheit im Elend lebt. Macht Kapitalismus nicht mehr Spaß, wenn alle was von haben?
Die diversen Dörfler wären sich in den oben genannten wirtschaftlichen und sozialen Aspekten vermutlich trotz aller Unterschiede zwischen kommunistischen und kapitalistischen Dörfern recht einig. Niemand darf hungern, man darf aber auch niemanden alles wegnehmen, was er oder sie selbst erarbeitet hat und es auf die verteilen, die weniger fleißig waren.
Unterschiede zwischen den Dörfern gäbe es in viele höhrem Maße in der Lebensweise, der Kultur und damit zusammenhängenden Ideologien. Eine Kirche fürs ganze Dorf? Einen Tempel oder eine Moschee? Oder Kirche, Tempel und Moschee im gleichen Dorf? Verträgt sich Bauerkommunismus mit Religion oder sollen Kirchen, Moscheen und Tempel geschleift werden?
Dann sind noch 11 von 100 Dorfbewohner homosexuell. Vielleicht sogar mehr ... wie gehen die und die Heterosexuellen miteinander um?
Was machen die Dorfbewohner, wenn alle materiellen Bedürfnisse gedeckt sind? Sich aus Langeweile mit dem Nachbardorf prügeln ("Krieg")? Sich den schönen Künsten oder der Wissenschaft widmen, weil Krieg unmoralisch und Müßiggang aller Laster Anfang ist? Oder den Lastern frönen - Wein, Weib und Gesang? Im Kapitalistendorf Besitz anhäufen, auch wenn man ihn nicht braucht um im Jubeljahr wieder verschenken oder investieren muss, weil totes Kapital tötet?
Frönen die Dörfler vielleicht im Namen ihres Glaubens perversen oder sadistischen Ritualen wie manche vorkolumabianischen Indianderkulturen?
Wie sieht es mit den Beziehungen zu anderen Dörfern aus? Schottet man sich ab oder ist offen für Neues? Treibt man Handel miteinander oder fasst die Inter-Dorf-Beziehungen als Geflecht komplizierter Intrigen und Konflikte auf wie bei den Stadtstaaten der antiken Griechen und der Mayas. Sollen sich alle Dörfer friedlich vereinen oder wenigstens bei großen Aufgaben zusammenarbeiten?
Vielleicht entwickeln alle Dörfer ungeachtet ihrer Gegensätze, Eigenheiten und Konflikte so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine gemeinsame Identität. So haben sich auch alte Griechen und Mayas als Einheit verstanden, obwohl sie in Kleinstaaten zerfallen waren, die sich ständig in den Haaren lagen. Warum sollte das nicht auch den globalen Dörfern gelingen?
Soweit die Dorf-Metapher. Sie zeigt, dass auch bei anthropoligischem Pessimismus - doch etwas aus der Menschheit hätte werden können. Warum aus der Menschheit in gewissen Sinne "nichts" geworden ist, bedarf einer Erklärung, die über Allgemeinplätze der Form "weil es so gekommen ist, ist es so gekommen" hinausgeht.
Mögliche Antworten auf die Frage, warum aus der Menschheit nichts geworden ist, kreisen um folgende Themenkoplexe:
1. Die anthropologische Antwort
Sie lautet: "Der Mensch ist an die Grenzen des ihm genetisch Möglichen gestoßen und zu mehr nicht in der Lage." Ich halte diese Antwort für problematisch, weil in ihrer Vulgärform alles Elend und jede Schikane letztendlich mit "dem Menschen" oder "der Natur des Menschen" erklärt wird.
Zum einen ist es ein Zirkelschluss, zum anderen wird die Natur des Menschen nicht erklärt.
Man kann gerade mit Bezug auf die ominöse Natur des Menschen diese Antwort sogar umdrehen und hat als Erklärung:
2. Gesellschaften und Ideologien, die nicht mit der Natur des Menschen übereinstimmen
Es fängt damit an, dass 11 der 100 Dorfbewohner homosexuell sind und viele Religionen und (rechte) Ideologien deren Diskriminierung oder gar Ermordung fordern. Zudem sind 52 Dorfbewohner Frauen und Frauen werden in vielen Wertesystemen noch immer drangsaliert und als minderwertig angesehen. Die 48 Männer im Dorf werden durch solche "patriarchalen" Wertesysteme nicht unbedingt zu besseren Menschen oder gar den Machern, die das Dorf in Schwung bringen. Im Gegenteil: 4 oder 5 Männer im patriarchalen Dorf sind bösartige Tunten oder Klemmschwestern, die ihre Mitmenschen tyrannisieren. Als "Männer" im positiven Sinne eine Fehlbesetzung! Mit den übrigen 43 Männern sieht es nicht unbedingt besser aus. 20 malochen wie die Stiere, der Rest ist eher dumm und faul.
Rechtschaffene Männer und Frauen in diesem Dorf fragen sich, womit sie das alles verdient haben, denn
3. Die Menschen leiden nicht entsprechend, sondern wider ihre "Natur"!
Was immer man vom Menschen halten mag, so verfahren doch recht viele nach der Devise "austeilen und einstecken" und wer nicht gern einstecken mag, soll sich auch beim "Austeilen" zurückhalten. Menschen ertragen Entbehrungen und stehen nach Tiefschläger wieder auf, wo man sie schon für tot gehälten hätte.
So zuwider mir diese Vorstellung ist, so mag etwas die Maya-Hochkultur für Leid entsprechend der "menschlichen Natur" stehen. Vor 1000 Jahren fetzten sich sich da, schlachteten sich auf ihren Opfersteinen ab und ließen sich selbst opfern. Als sie keine Lust mehr dazu hatten, gaben sie ihre Städte auf und lebten als Bauern im Dschungel.
Nur scheint es mir heute so: die Menschen sollen leiden, leiden, leiden und werden getadelt, wenn sie darauf keine Lust haben. Von ihnen wird nicht Leid als Konsequenz ihrer Handlungen oder als "Durchgangsstadium" für ein besseres Leben verlangt. Nein, sie sollen immerzu leiden und den Dörflern, wo alle ein Dach über dem Kopf und genug zu essen haben, wird das Dorf, wo 70 von 100 hungern, als Beispiel vorgehalten.
Also sinnloses, nicht der menschlichen Natur entsprechendes Leid.
4. Resultat anonymer gesellschaftlicher Dynamiken
Der Zustand der Welt und der Menschen ist die Folge gesellschaftlicher Prozesse, die "wie Naturgesetze" wirken. Wir selbst tun uns das Leid an, über das wir klagen. Wir tun es oft nicht wissentlich oder vorstätzlich, aber wir tun es als Teil der Interaktionen mit anderen Menschen. Am "Markt" oder anderen Prozessen in der "Massengesellschaft". Es kommt alles von selbst und ist vielleicht auch nicht zu ändern. Der Hartz-IV-Empfänger, der zu faul und bequem für politische Arbeit ist, hat am ganzen Elend ebenso viel Schuld wie Peter Hartz. Wobei es ihm noch besser geht als 70-80 der 100 Dorfbewohner.
Aber der politisch Aktive mit und ohne Hartz IV hat da zwangsläufig Erfahrungen gemacht, die ihn an dieser Sichtweise zweifeln lassen.
5. "Eingriffe von außen" - Verschwörungstheoretiker an die Front!
Es mag die massengesellschaftliche Dynamik geben, wie sie in 4. skizziert wurde. Aber sind nicht alle Beteiligten gleich mächtig, sondern es gibt Hierarchien von Macht und Ohnmacht, von Wirkung und Vergeblichkeit. Peter Hartz hat mehr Macht als seine Opfer, die Erwerbslosen und es gibt - anonyme - Kräfte, die deutlich mehr Macht haben als Peter Hartz.
Last but not least gibt es Mächte, welche Massengesellschaften steuern, ohne selbst ihrer oft selbst für Hochgestellte tödlichen Dynamik unterworfen zu sein. Die, die in "Gated Communities" oder Villen an der Côte d'Azur leben. Die die Länder plünder, auf die sie selbst nie einen Fuß gesetzt haben.
Die, welche Tür an Tür mit denen wohnen mögen, deren Leben sie durch ihre Intrigen zerstören. Die, welche sich mit Vermögen und/oder neuer Stellung ins Exil nach Kalifornien verdrücken, nachdem sie ihr Heimatland kaputt gemacht oder ausgesaugt haben.
"Außen" kann vieles bedeuten und von den "Meistern der Insel" zu irgendwelchen irdischen Verschwörerclicquen ist es da vielleicht kein so großer Schritt.
6. Aus der Menschheit ist doch etwas geworden
... wir merken es nur nicht! Für einen Gelehrten z. B. des späten Mittelalters wäre das 21. Jahrhundert trotz Kritik vielleicht ein großer Erfolg, weil er selbst um 1400 in einem System vegetieren mussten, das nicht einmal die Bedürfnisse einer halben Milliarde Menschen befriedigen konnte. Und wo sich die Herrschenden und ihnen hörige Eliten darum einen Dreck scherten!
Im Dreißigährigen Krieg fiel im Juni Schnee, heute drehen wir bei 10 Grad im Juni die Zentralheizung an. Dieser Tage wurde ein Nazi-Kriegsverbrecher im Alter von 89 Jahren nach Deutschland zur Aburteilung überstellt. In Den Hag schmort derweil diverses Balkan-Kleinzeug im Kriegsverbrecherknast und mag über Ungleichbehandlung jammern. 1648 kam kein Mensch darauf, den Verantwortlichen des Dreißigjährigen Krieges als Großverbrecher den Prozess zu machen.
Das Prinzip der Stufenrakete soll aus dem 16. Jahrhundert stammen, nur fand sein Erfinder damals keine Regierung, die ihn förderte. Schließlich hatten die alle Wichtigeres zu tun - siehe oben Dreißigjähriger Krieg :rolleyes2: Heute bauen wir unter dem Gezeter von Raumfahrt-Gegnern - "die Probleme auf der Erde lösen" - Instrumentenkapseln und Teleskope, um deren Raffinesse uns vielleicht sogar Außerirdische beneiden.
Unter dieser Sichtweise ist es mit "nichts geworden" vielleicht so: Im Laufe der Geschichte ändert sich nicht nur das Leben, sondern auch Maßstäbe und Normen wandeln sich. Heute ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit mit Sicherheit nicht kleiner als im Mittelalter und es mag sogar Dinge geben, wo wir etwas qua demographischer Expansion und technischer Mittel schlimmer sind als die Menschen damals. Aber in anderen sind wir auch besser und wir haben vermutlich - ohne uns dessen bewusst zu sein - mancham sogar strengere Normen als damals. Für den Umgang der Menschen miteinander, für das Handeln des Staates gegen die Menschen etc. Sogar meine christlich-fundamentalistische Sekte warnte vor einer Idealisierung des Mittelalters: damals gab es nicht unbedingt mehr Glauben, sondern auch mehr "Aberglauben".
7. Aus der Menschheit wird noch etwas werden
Nicht die Menschheit und der Mensch, sondern die um 1750 begonnene Epoche ("Moderne") ist an ihre Grenzen gestoßen. Mit heutigen massengesellschaftlichen Strukturen und Verhaltensmustern lässt sich mehr nicht erreichen, aber den Menschen sind andere und bessere Vergesellschaftungsformen möglich.
Es kann auch sein, dass die Entwicklung der Produktivkräfte die jetzigen Strukturen auf die eine oder andere Art und Weise ad absurdum führt.
8. Der Mensch hat seinen Platz im Kosmos noch nicht gefunden
Soweit ich das überblicken kann, ist das Thema vieler Religionen der Platz des Menschen im Kosmos. Nur verorten die meisten Religionen den Menschen da ganz unten in einem oft kruden oder gar kranken Kosmos. Den meisten Göttern früherer Religionen möchte man nicht unbedingt allein und im Dunkeln begegnen, weil es ... nun ja, Psychopathen sind. Der Regengott der Mayas z. B. erfreute sich am Weinen von Kindern, na klasse :rolleyes2: Auch beim Gott der Juden, Christen und Moslems kommen gewisse Zweifel. In einem anderen Forum schrieb jemand, als sich um die Zeit 1000 vor Christus das Bild des "einzigen Gottes" herauskristallisierte, hätten die Menschen die damaligen Herrscher im Nahen Osten als Vorbild genommen. Und diese Herrscher hätten Ähnlichkeit mit Adolf Hitler gehabt ...
So ist es kein Wunder, dass die Menschen im Zuge der Aufklärung den ihn von den Religionen zugewiesenen Platz im Kosmos nicht mehr akzeptierten. Weil der Platz zu bescheiden war, weil der "König der Welt" (der Koran über Gott) nicht immer gütig, sondern auch jähzornig, rachsüchtig und grausam war. Weil die Religionen ein falsches Bild vom Kosmos malten ...
... nur ist die Aufklärung über ihr Ziel hinausgeschossen. Sie hat eine universelle Moral konzipiert, die außerhalb, ja über jeder Art von Herrschaft steht. Schluss mit den "geoffenbarten" Steinigungen und dergleichen! Die Wissenschaften malten das Bild eines Kosmos, der einem absoluten Gott eigentlich viel würdiger ist als die Käseglocke, in der sich die Menschen im Mittelalter wähnten.
Aber über den Platz des Menschen im neuen Kosmos schweigen sich die Aufklärer weitgehend aus. Bestrebungen, so einen Platz zu finden, werden von ihnen ignoriert oder gar kaltlächelnd abgeschmettert. Nihilismus ist Trumpf und im Werte-Vakuum machen sich Faschisten und Fundamentalisten breit. Ideologien, die im Namen der Ordnung das Chaos noch schlimmer machen.
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