Der sächsische Ministerpräsident zur NZZ:
Der Krieg in der Ukraine muss gestoppt werden. Die Waffen müssen schweigen, das Sterben muss aufhören, sonst stürzt die ganze Welt ins Chaos. Wir brauchen jetzt eine schnelle und beherzte Diplomatie. Man wird diesen Krieg nicht auf dem Schlachtfeld entscheiden.
Es ist eine Spirale, die sich weiterdreht; die eine Sanktion zieht die nächste nach sich. Und mittlerweile haben wir in Deutschland eine Inflation von neun Prozent. Die Kostensteigerungen für Energie sind wie ein Tsunami, der immer grösser wird.
Russland ist stark, und das Land hat viele Ressourcen. Wie lange wollen wir diese Materialschlacht und das Sterben aushalten: Wochen? Monate? Jahre? Was ist der Plan? Wir haben jetzt ein halbes Jahr hinter uns, und wir sehen die Folgen, auch für Deutschland und Europa. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, keinen einzigen Tag. Jeder Kriegstag wird die ökonomischen und sozialen Verwerfungen auf diesem Kontinent um Wochen und Monate verlängern.
Ich habe aber auch davor gewarnt, dass eine Spirale von Sanktionen unsere ökonomischen Grundlagen zerstören würde. Wir können nicht einfach auf russisches Gas verzichten: Dieser Hinweis von mir wurde damals schnell weggewischt. Die Bundesregierung wollte ein Gasembargo. Und jetzt haben wir ein riesiges Problem. Die Gaspreise explodieren, die ersten Fabriken stehen still, Produktion wird ins Ausland verlagert, Kurzarbeit beginnt wieder. Das ist ein gewaltiger sozialer Sprengstoff. Und die Bundesregierung führt unser Land sehenden Auges in die Rezession.
Ich spüre bei dieser Regierung zu viel Selbstgerechtigkeit. Das stört mich sehr. Und nicht nur mich. Die Regierung verliert in der Öffentlichkeit gerade erheblich an Respekt.Unsere Aufgabe als Politiker ist es nicht zu warnen, sondern zu handeln. Viele Menschen stehen vor massiven Erhöhungen der Nebenkosten und wissen nicht, wie sie die bezahlen sollen.
Man kann doch nicht nur über Entlastungspakete sprechen und darüber, wie man am besten Strom und Gas spart. Wir müssen an die Ursachen ran!
Wir müssen jetzt deutlich sagen: Nein, es wird kein weiteres Embargo auf russisches Öl geben. Wir können darauf einfach nicht verzichten. Der Krieg muss enden, damit wir wieder wirtschaftlich zusammenzuarbeiten können. Überhaupt, dieser Satz: «Nie wieder Energie aus Russland!» Der ist nicht nur naiv, sondern gefährlich. Ein Russland, das sich nur noch in Richtung China orientiert und mit uns nichts mehr zu tun hat, wird völlig unkalkulierbar.
Michael Kretschmer über Energiepreise: «Wie ein Tsunami» | https://www.nzz.ch/international/michael-kretschmer-ueber-energiepreise-wie-ein-tsunami-ld.1701263