Lataire ist Leiter der „Maritime Technologie Division“ der Universität Gent in Belgien. Zusammen mit dem Wissenschaftsinstitut „Flanders Hydraulic Research“ untersucht seine Forschungsgruppe das Verhalten von Schiffen in flachen und engen Gewässern. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel unterstrich er seine Überzeugung, dass bei der Havarie der „Ever Given“ der sogenannte „Bank Effect“ wirkte.
Wie der Name besagt, entsteht er, wenn ein Schiff sich dem Ufer (englisch „bank“) nähert. Und besonders stark können die Kräfte des Ufer-Effekts werden, wenn ein großes Schiff wie die „Ever Given“ durch die Wassermassen eines engen Kanals pflügt. Nähert sich das Schiff einem der Ufer, wird auf dieser Seite der Raum für die vom Rumpf verdrängten Wassermassen immer enger.
Als Folge strömt das verdrängte Wasser immer schneller zwischen der Seitenwand des Schiffs und der nahen Uferböschung hindurch. Und dadurch wiederum verändert sich der Druck im strömenden Wasser gemäß einem Gesetz, das der Schweizer Physiker Daniel Bernoulli schon 1838 entdeckte und in eine Gleichung, die heute seinen Namen trägt, goss.
Geschwindigkeit und Druck
Je schneller das Wasser strömt, desto geringer ist der Druck in ihm. Bernoulli hätte sich aber wohl kaum vorstellen können, dass dermaleinst aufgrund einer praktischen Auswirkung seines physikalischen Strömungsgesetzes mindestens ein Zehntel des weltweiten Warenverkehrs zum Erliegen kommen würde.