man muss auch keine Idee haben für einen evolutionären Prozess. Es hat sich herausgestellt, dass man in einer Gruppe gleicher Sprache und Sitte besser über die Zeiten kommt als ohne diese. Die Staatsidee ist hingegen relativ neu. England und Frankreich gingen in Europa wohl voran, konnten sich in den Auseinandersetzungen auf dem Boden des HRR (30-jähriger Krieg) im 17. Jhdts. konsolidieren. Das Kleinstaatengebilde im Herzen Europas (dem sehr viel späteren Deutschland) zerfledderte. Selbst die Niederlande konnten sich ab 1648 zu einer Weltmacht entwickeln.
Schon damals erwies es sich, das zentrale Einheiten, mit der Welt besser zurechtkamen, als ein mit Zollschranken zugepflastertes zentraleuropäische Gebilde.
Man muss keine 100 Generationen in die Vergangenheit schauen (dann wäre man wahrscheinlich schon bei den alten Ägyptern). Es sind für einen Mitteleuropäer lediglich 39 Schritte bis zu einem merowingischen Herrscher. Und eine solche Biografie muss keine Exoten aus Asien bemühen.
Man muss auch kein 'Völker-Ranking' erstellen, wenn man seine Ethnie mag. Dies ist keine Ausgrenzung, denn ein Bewusstsein über eine mögliche Herkunft ist so weit im Dunkel der Geschichte versteckt, dass man damit keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlockt. Ich persönlich habe in meiner DNA 0,2% afrikanisches Erbgut; aber was besagt dies schon, dass die Europäer irgendwie mal in Afrika 'wohnten?
Ich war in diesen Ländern Westafrikas und verspürte kein 'Verwandtschaftliches'.
Diese 'Verwandtschaft' kann man getrost zu den Akten legen und sich der Gegenwart zuwenden.
Ein Volk identifiziert sich durch die Sprache, seine Sitten und Götter. Ein Volk identifiziert sich nicht über Parteien! So blieben Franzosen, Franzosen auch wenn eine Partei (Jakobiner) die Macht übernommen hatten (ich verkneife mir ein deutsches Beispiel).
Daher sehe ich sogar einen völkischen Gedanken, als bestes Abwehrmittel gegen Parteien, welche sich eines Volkes 'annehmen' möchten. Wenn aber ein Volk allein nicht in der heutigen Welt bestehen kann (selbst als Export-Weltmeister ist es ja erpressbar) so verbündet es sich mit anderen Völkern, welche die gleiche oder eine ähnliche Entwicklung durchlebt haben.
Das Fremde ist und bleibt ein Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens. Dies zu leugnen ist ebenso 'rassistisch', wie eine humane Einheitssoße über die Welt auszugießen. Diese Bemühungen sind wahrscheinlich der Grund, warum wir in Afghanistan und Mali sind, obwohl wir weder die Seele noch die Bedürfnisse dieser Länder kennen.
Alles Leben und Zusammenleben benötigt die Differenz. Erst ein Gefälle zwischen Dingen und Menschen ist Leben: Tod ist der Verlust dieses Gefälles (biologisch nennt man dies [auch] Entropie).
PS. natürlich ist ein Volk auch wissenschaftlich untersucht. Man findest aber kaum eine Analyse, wie viel der Kimbern und Teutonen, nicht aus ihren Stammsitzen im Norden des heutigen Deutschland stammten. In der Geschichtswissenschaft sind diese Stämme als Germanen subsumiert. Es gilt noch immer das Primat der großen Zahl und die Mengenlehre kann - imho - auch nicht weiter helfen.
Ich entdecke in deinem Beitrag kaum etwas, was im Widerspruch zu dem steht, was ich an Überzeugungen habe. Ich bestreite nicht, dass es die Idee des Volkes gibt - ich bestreite lediglich, dass sie bei wissenschaftlicher Betrachtung noch relevant ist. Wer also eine wissenschaftlich fundierte Rechtsidee auf der Basis der Volksidee ableiten möchte, kommt auch mit deinen Halbansätzen an seine Grenzen. Weil auch deine Ansätze unscharf sind. Gibt es mit deinem Ansatz das Volk der Schweizer? Da harpert es schon bei der Sprache....
Diese Idee "Ich gehöre dazu....und der andere nicht!" ist keine Idee, die nur auf völkisches Denken zutrifft. Das passt schon auf den trivialen Familienbegriff - was, wenn eine Ein-Kind-Familie noch ein Kind adoptiert. Gehört das adoptierte Kind zur Familie?
Da gibt es keine triviale Antwort - wenn du genügend solcher Konstrukte anschaust, wirst du mal so oder mal anders Meinungen hören.
Schau mal auf typische deutsche Sportvereine....da gibt es regelmäßig Fußballer, die der Boulle-Fraktion desselben Vereins absprechen, dass diese wirklich dazu gehören.....dieselben Fußballer, 30 Jahre später, spielen Boulle.....
Es ist menschlich, dass wir uns abgrenzen und ausgrenzen. Aber willkürlich - wie auch der Volksbegriff.
Das syrische Baby, was 30 Jahre von seinen bayrischen Adoptiveltern erzogen und sozialisiert wurde, spricht Deutsch, Bayrisch, geht in Lederhosen aufs Oktoberfest, hat aber einen Hauttaint - der anderen bayrischen Bürgern bei einer Begegnung Nachts den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Ist dieses syrische Baby nach 30 Jahren bayrischer Sozialisation nun ein Deutscher? Gehört es zum deutschen Volk, weil es deutsch spricht, deutsch erzogen wurde, in deutschen Vereinen engagiert ist, und deutsche Werte vertritt? Wenn das Baby noch christlich erzogen wurde - gehört es dann zum deutschen Volk?
Du warst in den Ländern Westafrikas und verspürtest keine Verwandschaft.....mag ja sein - nur - bedeutet das, dass da keine Verwandschaft ist?
Wenn du einen unerwarteten Bruder hättest, der eines Tages auf dich zukommt, weil dein Vater oder deine Mutter irgendwann man fremd gegangen sind....würdest du zu diesem "Kuckuckskind" gleich verwandschaftliche Gefühle empfinden?
Andererseits - wenn ein christlich geprägter Europäer in eine Kirche irgendwo in der Welt geht, und dort wenn auch in fremder Sprache dieselben Riten gepflegt werden - dann fühlt sich der gläubige Europäer irgendwie dann doch zu Hause.....
"Verwandschaft" definiert sich in diesem Sinne also nicht über Gene! Völkische Zusammengehörigkeit dann wohl auch nicht. Wer also genau definiert, wer zu welchem Volk gehört, und wer nicht?
Wenn man es aber nicht so ganz hart definieren kann - dann sollte man den Volksbegriff in der Politik auch eher vermeiden!
"Der Fremde" den gibt es auch schon im Nachbarort. Das hat was mit Angst vor dem Ungewissen zu tun. Das ist menschlich - und eine Reaktion darauf, dass Ungewissheit eine gewisse Bedrohlichkeit mit sich bringt.
Nur - sollten wir auf der Basis von trivialen und einfachsten Gefühlen wie Liebe, Angst, Hass, Freude, Spaß, Ablehnung etc. etc. ernsthaft Politik machen?
Wohl eher nicht!
P.S.: Die besseren wissenschaftlichen Untersuchungen zu Themen aus dem Umfeld "Volk" zeigen regelmäßig auf, dass der Volksbegriff unscharf ist....
Germanen werden vor allem deshalb als Germanen subsummiert, weil die siegreichen Römer diesen Begriff für bestimmte Stämme ausserhalb ihres Einflussgebietes genutzt haben. Das bedeutet noch lange nicht, dass die unter dem römischen Begriff des Germanen subsummierten Völker sich als Germanen gefühlt haben.
Wer sich mal damit beschäftigt, ab wann die Italiener Italiener wurden, oder ab wann die Deutschen deutsche.....dem wird klar, wie banal und beliebig der Volksbegriff eigentlich ist. Zu Ende gedacht, könnten auch Parteimitglieder isch als Volk definieren...oder alle Lokführer der Bahn....und wenn sie gemeinsam in einer Gewerkschaft streiken, tun sie das in gewisser Weise sogar.
Genau deshalb ist der Volksbegriff so unscharf und damit wenig geeignet, um mit ihm Politik machen zu wollen.