Mit Blick auf die NS-Zeit von 1933 bis 1945 sagte nun Gauland: "Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen."
Gauland forderte außerdem eine Neubewertung der Taten deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen. Wenn Franzosen und Briten stolz auf ihren Kaiser oder den Kriegspremier Winston Churchill seien, "haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen", sagte Gauland in seiner von der AfD auch auf YouTube veröffentlichten Rede.
http://www.spiegel.de/politik/deuts...eutschlands-nazi-vergangenheit-a-1167750.html
Aus meiner Sicht hat Gauland schlicht recht. Kein Land kann für seine Geschichte in Dauerschuld gehalten werden. Es sind Generationen vergangen, das Deutschland von heute muß nicht mehr gegeißelt werden.
Wie seht ihr das?
Hallo Picasso,
Gauland hat tatsächlich recht, wenn er sagt Deutschland dürfe nicht in Dauerschuld gehalten werden; auch die Anspielung, daß 12 Jahre in der Geschichte eines Volkes nicht das herausragendste identitätsstiftende Merkmal darstellen können, ist nicht zu widerlegen: nur Narren kommen auf die Idee, die Jahrtausende währende Entwicklung der deutschen Völker mit allen ihren Irrungen und Wirrungen, aber eben auch ihren Erfolgen, ihren Fortschritten, ihren Siegen mit 12 Jahren nationalsozialistischer Herrschaft für ausgelöscht und irrelevant zu erklären.
Nur: stimmt denn überhaupt die Prämisse, von der Gauland ausgeht? WER genau hält denn Deutschland in "Dauerschuld"? Eben... Niemand, außer den Deutschen selbst. Kein anderes Volk auf unserem Planeten hat jemals eine derartige Selbstanklage öffentlich zur Schau gestellt (selbst den Chinesen ist mittlerweile klar, daß Mao als Verbrecher Hitler und Stalin durchaus ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen war, nur wird darum nicht ein derartiges Aufhebens gemacht) - und ist damit letztlich in einer armseligen Nabelschau gelandet, denn: außer den Deutschen interessiert sich buchstäblich keine Sau mehr dafür, welche Verbrechen von Deutschem Boden ausgegangen sind. Gaulands erster Fehler besteht also darin, zu behaupten Deutschland werde in Dauerschuld gehalten - es hält sich selbst darin, weil es sich in dieser Ecke sehr bequem ausharren läßt.
Gaulands zweiter Fehler besteht nämlich darin, denselben Fehler zu machen wie die überwiegend linke Geistesschickeria: er differenziert nicht zwischen "Schuld" und "Verantwortung". In gewisser Weise ist die Berufung auf die "deutsche Schuld" nichts anderes als die gestaltgewordene Weigerung, Verantwortung zu übernehmen. Ein einfaches Beispiel: Schuld an der völlig unnötigen Zerstörung von Städten wie Hamburg oder Dresden waren zweifelsfrei nicht die Bewohner dieser Städte, die, wenn sie denn überhaupt mit dem Leben davongekommen sind, buchstäblich vor dem Nichts standen, egal, ob sie sich überhaupt jemals in ihrem Leben etwas hatten zu Schulden kommen lassen. Sondern die Briten, die ohne militärische Notwendigkeit (wie sie beispielsweise bei der nicht minder vollständigen Zerstörung des Ruhrgebiets durchaus nachvollziehbar war) zumindest in Dresden schlicht ihrer Rachsucht freien Lauf gelassen haben. Doch gleich, wie moralisch zweifelhaft dieses Vorgehen gewesen sein mag: VERANTWORTLICH dafür waren die Deutschen selbst, die mit ihren Bombenangriffen auf britische Städte den Kampf gegen die Zivilbevölkerung Jahre zuvor eröffnet hatten.
Diese 12 Jahre sind ganz sicher nicht identitätsstiftend für das deutsche Volk von heute, aber sie haben maßgeblich seine heutige Identität geprägt. Nicht in dem Sinne, daß sich der heute lebende Deutsche für irgendetwas schuldig fühlen müßte (oder sollte) oder gar irgendjemandem etwas schuldig wäre (derzeit versuchen ja wohl gerade die Polen, noch eine schnelle Marie aus der Historie herauszuschlagen, was man ihnen nicht verübeln kann: die Vorlage für solche Forderungen liefern wir selbst, eben WEIL wir, statt Verantwortung zu übernehmen, im "mea culpa" zu verharren versuchen). Aber in dem Sinne, daß hier, wie in keinem anderen Land der Welt, das Recht, die Pflicht und auch die Schuldigkeit bestehen, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen UND DARAUS ZU LERNEN. Denn genau DAS ist die Verantwortung, die uns aus diesen 12 Jahren - und all den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor und danach - erwächst und die gerade die Deutschen weit klarer erkennen müßten und mit der sie wesentlich freier umgehen könnten als irgend ein anderes Volk... wenn sie den Mut dazu hätten und sich nicht jammernd in die Eselsecke zurückzögen.
Ich sehe da übrigens die Westdeutschen weit mehr in der Pflicht als die Ostdeutschen: in Ostdeutschland waren die Nazis per definitionem "die anderen" - es macht einen erheblichen Unterschied, ob man sich aus der "Ich"-Perspektive mit einem Thema auseinandersetzt als aus der Distanz; ich vermute, daß genau das einer der Gründe dafür ist, warum Extremismus aller Art in Ostdeutschland wesentlich verbreiteter ist als im Westen.
Jedenfalls: eine abzugeltende Schuld gegenüber Dritten gibt es nicht, wohl aber eine gegenüber dem eigenen Volk - und die heißt Verantwortung zu übernehmen aus dem Verlauf der Geschichte. Noch heute wird das Thema "Drittes Reich" als isolierter Komplex im Schulunterricht behandelt; der Krieg gegen die Juden im Inneren nicht abgegrenzt gegen den Krieg nach außen. Die engen Bezüge zwischen Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittem Reich werden nicht untersucht und hergestellt, ebensowenig die Zusammenhänge zwischen erstem und zweitem Weltkrieg, geschweige denn die Zusammenhänge beider Kriege mit jenen aus dem 19. Jahrhundert. Umbrüche und Verwerfungen in europäischen Gesellschaftssystemen werden auf die französische Revolution (die dann, fälschlicherweise, als enormer Fortschritt und die Geburtsstunde europäischer Demokratie gefeiert und bewertet wird) und die russische verkürzt - günstigstenfalls noch ergänzt durch die industrielle Revolution, wobei letztere gern als Entwicklung gegen die Menschlichkeit gewertet wird, an der sich die Welt ultimativ in die bösen Kapitalisten und die armen Proletarier aufgespalten habe. Daß es letztlich eben diese industrielle Revolution war, der wir es verdanken, daß sich kein Europäer mehr Gedanken darüber machen muß, wo seine nächste Mahlzeit herkommt und ob er zum Schlafen ein Dach über dem Kopf hat, kann dabei getrost unter den Tisch fallen - es wäre politisch nicht korrekt.
Und so stehen wir als Deutsche heute da, versuchen erneut an unserem Wesen die Welt genesen zu lassen, glauben wieder einmal - eigentlich: immer noch - alle Welt mit unseren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Errungenschaften beglücken zu müssen, feiern das Ende von Diktaturen und die Ankunft der Demokratie an fernen Ufern - und begreifen nicht einmal ansatzweise, und zwar OBWOHL unser Volk der Urheber einer der größten Katastrophen aller Zeiten war!!!, daß wir mit unserem Idealismus, der unserer ständigen Selbstanklage diametral gegenübersteht im Augenblick dabei sind, dieselben Fehler zu wiederholen, die uns erst in die Rolle des Verbrechervolks gebracht haben: wir spalten unser Volk durch immer mehr Wohlfahrt in Leistungsträger und -empfänger, wir vernachlässigen die Freiheit des Einzelnen zugunsten vermeintlicher Sicherheit für alle, wir zerstören die Mitte zugunsten der Randgruppen (was sich nicht zuletzt auch darin niederschlägt, daß wir inzwischen nur noch 1 große Volkspartei zzgl. eines kleinen Rests einer ehemaligen Volkspartei in unseren Parlamenten finden, dafür aber gleich 4 Randgruppen, davon 2 linksextremistisch, politisch vertreten sind, die zusammen mehr als ein Drittel der Wähler repräsentieren). Wir kuschen vor den modernen Faschisten in Gestalt moslemischer Zuwanderer, verfolgen eben jene Politik des Appeasement, die letztlich auch eine der Ursachen für den zweiten Weltkrieg war; wir gehen (noch) nicht auf die Straße und wehren uns gegen die allgegenwärtige Indoktrination von links- und von rechtsaußen. Und das, obwohl wir WISSEN (oder es zumindest müßten!!!), daß Radikalisierung eben NICHT 51% der Wählerstimmen bedarf, sondern daß 18% völlig ausreichen können.
Und sorgen in unserer politisch korrekten Einfalt noch dafür, daß ganze Nationen in Schutt und Asche liegen, Bürgerkriege toben, wo Diktaturen und das, was WIR als "Unrechtsregime" betrachten zugunsten einer völlig deplatzierten "Demokratisierung" als einziger Stabilitätsgarant niedergemacht wurden. Hurraaaaaaaa... In Syrien, Ägypten, dem Irak sterben die Menschen wie die Fliegen, aber wenigstens sterben sie auf demokratischem Boden - es geht ihnen dabei schlechter als je zuvor? Macht nix, Hauptsache Saddam Hussein ist weg, der war ja wirklich kein Demokrat (im Gegensatz zu Stammesfürsten, Taliban und IS: die wissen sich ihre Mehrheiten zu schaffen, sind also lupenreine Demokraten).
Im Gegenteil: schon finden sich wieder jene, die unser Wahlrecht für nicht ausreichend demokratisch halten, die nach der Einführung des Plebiszit schreien. Weil es ja überhaupt nicht demokratisch ist, wenn jeder volljährige Bürger unseres Landes auf allen Ebenen - von der Kommune bis zum Bund - alle paar Jahre seine Stimme abgeben darf. Nein, es möge bei jeder Gelegenheit das gesamt Volk und nicht sein gewähltes Parlament entscheiden: schneller und nachhaltiger kann man ein Volk von rund 80 Millionen nicht radikalisieren und seine Regierung handlungsunfähig machen. Und das alles, OBWOHL wir in unserem eigenen Land und mit unserer EIGENEN Geschichte mehr als deutlich vor Augen haben, worin die Zündschnur endet, an der wir gerade mit dem Feuerzeug herumspielen.
DAS ist unsere Schuld. Wir sind nicht Schuld am Tod von Millionen Juden. Wir sind nicht Schuld am Tod von Millionen Soldaten zwischen 1939 und 1945. Unsere Soldaten waren nicht besser oder schlechter als alle anderen auch - sie haben ihr Leben für die Zivilbevölkerung gelassen, die den Beginn des Krieges (per Wahl) nicht verhindert hat. Es ist jedoch unsere historisch begründete Verantwortung, so etwas niemals wieder zuzulassen.
Aber: WIR sind schuld, daß es die Grünen gibt, die Linke, die AfD. Und WIR sind schuld, daß diese Randgruppen - fern ab der Mitte - die Mehrheitsgesellschaft vor sich hertreiben. WIR sind schuld, daß Ideologie die Vernunft besiegt hat in unserem Land und in unserem Volk. Und WIR werden das eines Tages unseren Kindern und Kindeskindern erklären müssen.
Gruß -
Bendert
P.S.: Wen interessiert schon ein Gauland - ein kleines Licht unter vielen anderen kleinen Lichtern. Kümmern wir uns lieber um den Kronleuchter, den diese kleinen Lichter überstrahlen...