Sicherlich gab und gibt es Bestrebungen dem Atheismus einen theoretischen Unterbau zu verpassen. Mögen die Leute ihren Spaß damit haben, aber es ist nicht unbedingt notwendig. Wer den Glauben an Götter konsequent verwirft, ist Atheist. Er muss nicht begründen wieso es keine Götter geben kann. Er ist einfach der Meinung dass der Glaube an Götter eine blöde Spinnerei ist und damit ist die Sache für ihn erledigt.
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Hier gehen unsere Meinungen auseinander. Es mag einen wissenschaftlichen Atheismus geben, aber der naive Atheismus ist ihm nicht unterlegen oder etwa kein "richtiger" Atheismus.
In der Praxis hast Du recht, in der Theorie nicht, weil Du nicht einfach Begriffe nach Belieben inhaltlich füllen kannst. Die kommen sonst unverhofft zurück.
Die Sache ist nämlich nicht so einfach erledigt.
ich habe noch ein zweites Problem mit dem Begriff, der ebenfalls mit der langen geistesgeschichtlichen Tradition zusammenhängt, die Du, ich widerhole mich, nicht einfach abschütteln kannst.
Der Atheismus wird nämlich über weite Strecken mit Materialismus gleichgesetzt. Diese Vorstellung ist zwar nicht philosophisch stringent, aber ich möchte nicht die Vorstellung verstärken, dass der Mensch ein Haufen Fleisch und drei Stück Seife ist. Wie gesagt, das ist nicht Inhalt des Atheismus, aber in den Köpfen der Ungebildeten wird diese Verbindung allzuschnell gezogen und damit bin ich nicht einverstanden.
Wie Du richtig bemerkt hast, können auch Atheisten etwas glauben, nein, das muss man stärker formulieren, sie müssen etwas glauben und zwar im Vollbegriff des Wortes "Glauben". Sie brauchen einerseits nämlich Inhalte, Bildung und zweitens brauche sie Vertrauen und funktionierende soziale Gefüge.
Unsere gesammte Geistesgeschichte lang und das sind in diesem Fall wirklich tausende von Jahren, wurden die immateriellen Werte dem Religiösen entlehnt. Das holst Du nicht in ein paar Monaten auf, das schwöre ich Dir. Ohne immaterielle Werte kann aber eine Gesellschaft nicht leben, weil sie aus der Raubtiermentalität nicht herauskommt. Der Mensch braucht nämlich, um etwas beitragen zu können, sehr wohl Hirarchien, nur braucht er sie nicht von Gott oder von einem schwafelnden Politiker, sondern er braucht sie in sich selbst. Wenn Du also das Religiöse ablehnst, und da sind wir völlig einer Meinung, dann musst Du die immateriellen Werte aus etwas anderes nehmen. Und dazu, entschuldige, dass ich darauf so beharre, ist der naive Atheismus nicht in der Lage. Um das zu realisieren brauchts Du BildungBildungBildung sonst bist Du am Ende ganau dort, wo du dachtst nicht mehr zu sein, genau dort wo die Religionen sind, in der völligen Orientierungslosigkeit.
Die Grundlagen der immateriellen Werte kannst Du nämlich nur aus der Mathematik, aus sauber formulierten Menschenrechten, aus sauber formulierten Prämissen und aus persönlichen Setzungen nehmen, die Du ebenfalls sorgfältig auswählen musst.
Entschuldige, ein naiver Atheismus findet sich am Ende nur bei hohlen Sprüchen, vielen PS, im Börsenchrash und/oder in einer möglichst lauten Disco wieder, damit man nichts merkt.
Wie willst du aber Sorgfalt in den Prämissen walten lassen, wenn du die Sorgfalt in den Urbegriffen vermissen lässt? Darum halte ich den naiven Atheismus für schlichtes Desinteresse.
Wenn Du Atheist sein willst, dann geht das mmn nur, indem Du besser und genauer bist als die Religionen. Sonst wirst Du Liebe, Ehre, Fleiß, Hilfe, Leistung, Vertrauen, Gnade, Frieden, Selbstdisziplin nur von Hinten sehen. Oder Du machst sie zu deinem Gott und bist dann genau so schlau wie vorher. Ich finde das einen hohen Anspruch. Und weil ich ein Mensch bin, der seine Prämissen sorgfältig wählt, bin ich auch "nur" "Agnostiker" (wenn auch ein ziemlich scharfer).