Wal Buchenberg, 26.12.2017
"... Nationalismus betont die Gemeinsamkeit und Identität jenseits von Arm und Reich und jenseits der sozialen Klassen. „Nation“ ist eine erfundene, fiktive Gemeinschaft zwischen Leuten, die sich noch nie getroffen haben, die nie miteinander sprechen, aber angeblich „dazu gehören“.
Ziel einer nationalen Gemeinschaft ist die Bündelung aller Kräfte für eine eigene, starke Staatsmacht, die in der Konkurrenz mit anderen Staaten sich durchsetzen kann.
Der Nationalismus entwickelte sich im 19. Jahrhundert innerhalb von gerade mal 50 Staaten in der Welt. Nationalstaat war damals identisch mit Weltgeltung und mit kapitalistischer Überlegenheit über eine Masse von rückständigen, unfreien Völkern und Regionen. Die eigene Nation verkörperte den Übermensch, alle anderen waren zweitrangig oder gar Untermenschen.
Ist schon mal Blödsinn. Der Nationalismus entstand u.a. während der französischen Revolution, und er war ein Gegenentwurf zum adelskonzentrierten Feudalismus. Ohne Nationalismus wäre das Deutschland, das wir heute kennen, gar nicht erst entstanden, nicht mal das Deutsche Reich.
Der Nationalismus, von dem er da redet, ist in Wirklichkeit der Imperialismus, eine Spielart des exklusiven Nationalismus. Dieser Nationalismus enstand Ende des 19.Jahrhunderts aus Radikalisierungstendenzen innerhalb der Staaten.
Die Identität der eigenen Nation definiert sich notwendig und immer über das Anderssein gegenüber den Fremden, den Barbaren, den Armen. „Jeder Nationalismus beginnt mit Volksmusik und endet mit Stacheldraht“ (Simon Winder). Kein Nationalist kommt ohne Feindbild aus. Ohne Krieg ist kaum ein Staat und kein Nationalismus entstanden.
Ist das so?
Durch welche Kriege sind das heutige Lettland, Litauen und Estland entstanden?
Wo ist der Stacheldraht in Norwegen oder Dänemark?
Seit 1945 nahm der Nationalismus eine linke Wendung. Die unfreien Kolonialvölker übernahmen die Grundsätze des Nationalismus, um ihre staatliche Unabhängigkeit von den Kolonialherren zu erkämpfen. Der Nationalismus der „kleinen Nationen“ wurde schick, selbst dort, wo dahinter schon Hegemoniebestrebungen über die Nachbarstaaten sichtbar wurden. Nationalismus verband sich mit "Befreiung" und "Selbstbestimmung". Die Zahl der selbständigen Staaten hat sich nach 1945 dadurch mehr als verdoppelt. Der linke Nationalismus ist stolz auf die „Vereinten Nationen“, wo jeder Staat eine Stimme hat, auch wenn er nichts zu melden hat.
Was ist dagegen einzuwenden? Wärs besser, das wären heute noch Kolonien?
Es gibt auch fehlgeschlagene Versuche eines „fortschrittlichen“ Nationalismus: Der Panslawismus in Osteuropa, der Panarabismus in Nahost, die Negritude in Afrika. Auch die jüngsten Staatsbildungen von Al Kaida und des Islamischen Staates basierten auf einer fiktiven nationalistischen Gemeinschaft der sunnitischen Moslems.
Was bitte soll am Panslawismus, an Al-Qaida oder ISIS Nationalismus sein? Das sind Ideologien oder theoretische, aber nie vollendete Staatsgebilde, die Nullkommanichts mit Nationalismus zu tun haben. Wenn man schon von Nationalismen redet, sollte man den Amerikanismus, das Kurdentum oder den tibetischen Buddhismus dazuzählen.
Die Europäische Union überwindet auch nur scheinbar den Nationalismus. Der Versuch ein „europäisches Wirgefühl“, also einen Europa-Nationalismus, zu schaffen, ist hochkant gescheitert. Die EU war ein illegitimes Kind des Kalten Krieges. Eingeklemmt zwischen die Supermächte USA und Sowjetunion suchten die europäischen Klein- und Mittelmächte eine kapitalistische Kopie der Sowjetunion zu schaffen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schaffte die EU zwar noch die „Osterweiterung“, aber damit waren die europäischen Gemeinsamkeiten aufgebraucht. Der Brexit und das Erstarken nationalistischer Bewegungen in ganz Europa beweisen, dass die Zeiten des „europäischen Zusammenwachsens“ vorbei sind.
Blablabla. Seit es die EU gibt, redet man davon, dass sie gescheitert ist, alles, was die EU anfässt, will man morgen schon zusammenbrechen sehn. Dass sich Menschen nicht dafür schämen, sich selbst Europäer zu nennen, wird dagegen gerne verdrängt. Dass weit mehr Staaten in die EU wollen, als diese inzwischen logischerweise bereit ist aufzunehmen, will man mir auch als Scheitern verkaufen.
Gähn!
Eine zweite Triebfeder des heutigen Nationalismus ist das Auseinandertriften von Arm und Reich in Europa und Nordamerika. Die Reichen kennen die Quellen ihres Reichtums und denken international und global. Der Nationalismus der Armen ist ein halb hilfloser und halb trotziger Appell an ihre Oberschicht, sie nicht zu kurz kommen zu lassen.
Na endlich mal was, was halbwegs stimmt. Unterschätzen sollte man die Fähigkeiten der Nationalisten aber nicht.
Das greift der heutige Nationalismus von AfD bis ÖVP auf. Dieser "populistische" Nationalismus möchte nicht, dass es den armen Landsleuten besser geht - etwa durch Erhöhung von Mindestlohn und Mindestrente - nein, der populistische Nationalismus zielt darauf ab, das Leben der Flüchtlinge und anderer Ausländer möglichst unerträglich zu machen. Diese Politik hilft nicht den "eigenen" Leuten, schadet aber den anderen. Die "eigenen" Leute sollen sich damit zufrieden geben, wenn es anderen noch schlechter geht als ihnen.
OK, das stimmt auch teilweise. Aber ist halt typisches Merkmal von exklusiven Nationalismus.