...ein kleiner Überblick über die künftig in der Knesset sitzenden Parteien:
(Quelle: eine israelische Zeitung. Die darin enthaltenen Aussagen sind alle mit Vorsicht zu genießen, ein paar vereinzelte Bemerkungen aus arabischen Quellen hab ich beigemixt).
Die fünf „Großen“ (94 der 120 Sitze)
(„Das große Wechsel-dich-Bäumchen-Schneewittchen“...)
Kadima («Vorwärts»):
Geschichte: Die am 21. November 2005 von Ariel Scharon «Likud» und Schimon Peres «Avoda» gegründete Partei versteht sich als «neue Mitte» in Israel und erhielt in den drei Jahren ihres Bestehens steten Zulauf sowohl von der zionistischen Rechten wie der Linken. Im Zuge von Korruptionsaffären erklärte der zweite Parteichef Ehud Olmert seinen Rücktritt. 2009 kandidiert auch die 2006 mit 7 Mandaten sehr erfolgreiche Rentnerpartei «Gil» in der Liste mit «Kadima».
Programm: bürgerlich-zionistisch, für die Aufgabe Gazas und von Teilen des Westjordanlands, für Erhalt einer jüdischen Mehrheit in Israel ggf. auch durch Territorientausch, wirtschaftsliberal, für Zivilehe, für Stärkung der Minderheitenrechte
Parteichefin: Tzipi Livni (50), derzeit Außenministerin
Prognose vor der Wahl: 23 bis 27 Mandate
Sitze nach der Wahl: 28 Mandate
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Likud («Zusammenschluss»):
Geschichte: Die Ursprünge der Partei liegen in der 1948 gegründeten revisionistischen «Cherut»-Partei Menachem Begins. Der Ex-Armeegeneral Ariel Scharon bildete den «Likud» 1973 aus kleineren Rechtsparteien. 1977 wurde das Parteienbündnis unter Begin erstmals Wahlsieger in Israel. Letzter «Likud»-Ministerpräsident war Ariel Scharon (2001–2005). Bei den internen Vorwahlen der Partei im Herbst 2008 verzeichneten der rechtsextreme, natio- nalreligiöse Kandidat Mosche Feiglin und seine Anhänger große Erfolge. Feiglin wurde daraufhin von Parteichef Netanjahu auf der Wahlliste auf einen hinteren Listenplatz zwangsversetzt. Kritiker bezeichnen die Partei mittlerweile als «ultranationalistisch».
Programm: rechtskonservativ-zionistisch, Agenda der «nationalen Sicherheit», gegen die Aufgabe des Westjordanlandes und gegen die Bildung eines Staates Palästina, Vorbehalte gegen Friedensgespräche mit Syrien, für zionistische Erziehung, wirtschaftsliberal
Parteichef: Benjamin Netanjahu (59), Ex-Ministerpräsident
Prognose vor der Wahl: 27 bis 30 Mandate
Sitze nach der Wahl : 27 Mandate
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Jisrael Bejtenu («Unser Haus Israel»):
Geschichte: «Jisrael Bejtenu» wurde 1999 von dem aus Moldawien stammen- den Avigdor Lieberman gegründet und versteht sich als Plattform für die mehr als eine Million russischsprachigen, jüdischen und nichtjüdischen Einwanderer in Israel. 2003 war die Partei in der Regierungskoalition, aus der sie 2004 aufgrund des Widerstands gegen den Plan Ariel Scharons zuräumen, jüdische Siedlungen im Gazastreifen ausschied. Im Oktober 2006 wurde «Jisrael Bej- tenu» wieder Koalitionspartei unter «Kadima», trat aber aus Protest gegen Friedensgespräche mit der Palästinensischen Autonomiebehörde im Januar 2008 erneut aus der Regierung aus. Nach dem Gaza-Krieg im Januar 2009 brachte die Partei bei der Wahlkommission den Vorschlag ein, arabisch-israelische Parteien nicht zur Wahl im Februar zuzulassen.
Programm: ultranationalistisch-zionistisch, tritt für eine Zwei-Staaten-Lösung mit strikter ethnischer Trennung ein, die permanent vorgetragenen Gedanken zum «Bevölkerungstransfer», der Forderung an alle Bürger Israels, einen «Treueschwur» gegenüber dem jüdischen Staat abzuleisten, und «Landesverräter» zum Tode zu verurteilen, bringen der Partei bei Kritikern die Bezeichnung «faschistisch» ein. Die Partei tritt für die sozioökonomischen und zivilrechtlichen Interessen (Zivilehe) der russischen Zuwanderer ein.
Parteichef: Avigdor Lieberman (50), Ex-Minister für Transport
Prognose vor der Wahl: 13 bis 16 Mandate
Sitze nach der Wahl : 15 Mandate
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Avoda («Arbeiterpartei»):
Geschichte: Die einst größte Partei des Landes entstand 1968 aus dem Zusammenschluss der linkszionistischen «Mapai», «Achdut Ha-Avoda» und «Rafi». Bis 1977 waren alle Ministerpräsidenten Israels von der «Mapai» bzw. «Avoda». Der letzte Ministerpräsident der Partei war Ehud Barak (1999–2001). Seit dem Abgang des jetzigen Präsidenten Schimon Peres erlebt die «Avoda» einen schleichenden Verfall. Die Partei hat zudem ihren einst sozialdemokratischen Charakter verloren. Seit 2006 ist sie Koalitionspartner von «Kadima».
Programm: linkszionistisch, wirtschaftsliberal, für Friedensgespräche und Teilabzug der jüdischen Siedlungen aus dem Westjordanland, vertritt einen Großteil der Kibbuzbewegung, für humanistische Bildung Parteichef: Ehud Barak (66), derzeit Verteidigungsminister (u.a. Mitglied dieser Partei: Raleb Majadele (bisheriger Minister für Wissenschaft, Sport und Kultur, erster israelisch-arabischer Minister in der Knesset)
Prognose vor der Wahl: 13 bis 18 Mandate
Sitze nach der Wahl : 13 Mandate
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Schas («Sefardische Hüter der Bibel»):
Geschichte: «Schas» wurde 1984 unter der Führung des sefardischen Oberrabbiners Ovadja Josef als Zusammenschluss regionaler Listen gegründet. Sie versteht sich als ethnischer Vertreter der religiösen sefardischen Juden, die aus Nordafrika und den arabischen Ländern nach Israel einwanderten. Ihre schwerste Stunde erlebte die Partei in der spektakulären Korruptionsaffäre des früheren Parteichefs Arieh Deri Ende der 1990er Jahre. 1999 feierte die Partei mit 17 Mandaten ihr bislang bestes Ergebnis. Seit 2006 ist sie mit «Kadima» in der Regierungsgewalt und hat vier Ministerposten inne.
(Ovadja Josef hat Avigdor Liebermann drei Tage vor der Wahl als „Satan“ beschimpft.
Demnächst koallieren die strengreligiöse Partei und „Satan“ wohl miteinander)
Programm: nationalreligiös-zionistisch, für eine Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen orientalischen und europäischen Juden, strengreligiös, in Fragen der Friedensverhandlungen meist pragmatisch, aber gegen die Aufgabe Ost- Jerusalems, für jüdisch-religiöse Erziehung und sefardisch-orthodoxen Lebensstil, gegen Rechte für Homosexuelle
Parteichef: Eli Yishai (46), derzeit Minister für Industrie, Handel und Arbeit
Prognose vor der Wahl: 10 Mandate
Sitze nach der Wahl : 11 Mandate
(..und nun die politischen Bettchen der sieben „kleinen“ Zwerge)
(26 von 120 Sitze):
Jahadut Ha-Tora Ha-Meuchedet («Vereinigtes Tora-Judentum»):
Geschichte: Die 1992 gegründete Liste ist ein Zusammenschluss der ultraorthodoxen, europäisch-jüdischen Parteien «Degel Ha-Torah» und «Agudat Israel». Die phasenweise gespaltene Bewegung ist heute die Interessenvertretung der chassidischen und charedischen Juden in Israel. Die Ultraorthodoxen im Land werden in der Regel durch Weisung der Rabbiner zur Wahl dieser Liste aufgefordert. Die Liste ist wegen ihrer politischen Flexibilität als Koalitionspartner bei den Wahlen oft das «Zünglein an der Waage».
Programm: ultraorthodox-zionistisch, für Siedlungsbau, für religiös definierten Staat, für Stärkung des Rabbinats, für orthodox-religiöse Erziehung, gegen Rechte für Homosexuelle
Parteichef: Jaakov Litzman (60), Rabbiner
Prognose: 5 Mandate
Sitze nach der Wahl : 5 Mandate
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Chadasch («Demokratische Front für Frieden und Gerechtigkeit»):
Geschichte: Die 1977 aus der kommunistischen Bewegung Israels, Friedens- und Menschenrechtsbewegungen gegründete linke «Chadasch» versteht sich als erste «Jüdisch-Arabische Partei» in Israel. Die meisten Wähler der Partei sind jedoch arabische Israelis. Die Partei bildete in der Vergangenheit Wahlbündnisse mit den arabischen Parteien «Balad» und «Ta’al». «Chadasch» ist heute wichtigster Partner des außerparlamentarischen israelischen Friedenslagers.
Programm: marxistisch-nichtzionistisch, für die Anerkennung des Minderhetenstatus der arabischen Bevölkerung in Israel, für den Abzug aller jüdischen Siedlungen aus den 1967 besetzten Gebieten, für die Umsetzung der Zwei- Staaten-Lösung und Friedensgespräche mit Syrien, für das Recht auf Rück- kehr der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 und 1967, starke Umwelt- und Sozialagenda, für die Rechte Homosexueller
Parteichef: Mohammed Barakeh (53)
Prognose vor der Wahl: 3 bis 5 Mandate
Sitze nach der Wahl : 4 Mandate
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Ra’am/ Ta’al («Vereinigte Arabische Liste – Arabische Bewegung für Erneuerung»):
Geschichte: Die Liste wurde 1996 aus bürgerlich-nationalistischen und islamischen arabischen Parteien in Israel gebildet. Sie hat traditionell eine große Anhängerschaft in der beduinischen Bevölkerung Israels. Erstmals kandidierten «Ra’am» und Achmed Tibis «Ta’al» 2006 zusammen. Die Liste wirft dem jüdischen Staat Rassismus und Kriegsverbrechen in Gaza vor. Daraufhin erwägte die israelische Wahlkommission, «Ra’am/Ta’al» von der Wahl im Februar auszuschließen.
Programm: islamisch-bürgerlich-nationalistisch, für Schaffung eines «Staates aller seiner Bürger» in Israel, für die Zwei-Staaten-Lösung und eine palästinensische Hauptstadt in Ost-Jerusalem, gegen die Rechte von Homosexuellen
Parteichef: Ibrahim Sarsur (50), Leiter der islamischen Bewegung in Israel
(Spitzenkandidat dieser Partei war Achmed Tibi. Bei jeder Wahl bringt Tibi genau die Stimmen seines Klans ein, die wiederum ausreichen, ihn mit einem Mandat zu versorgen. Das reicht nicht, um die Wahlhürde im Alleingang zu überwinden, aber es macht ihn attraktiv für Listen, deren Einzug sonst unsicher wäre. Sozusagen ein söldnerischer Berufspolitiker. Bei der vorletzten Knessetwahl kandidierte er für die kommunistische Chadasch (Hadash )
Prognose vor der Wahl: 4 Mandate
Sitze nach der Wahl : 4 Mandate
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Ha-Ichud Ha-Leumi («Nationale Union»):
Geschichte: Die 1999 gegründete rechtsextreme Liste ist ein Zusammen- schluss der radikalnationalistischen und nationalreligiösen Parteien «Cherut – Nationale Bewegung», «Achi», «Moledet» und «Tkuma». Unter Parteigründer Rechaveam Zeevi zog «Ha-Ichud Ha-Leumi» 2001 in die Regierung Scharon. Bei den Wahlen im Jahr 2006 trat sie gemeinsam mit der Nationalreligiösen Partei (NRP) an und gewann 9 Mandate. Die Liste spaltete sich Ende 2008 über die Frage der «nationalen Sicherheit». Die «Achi»-Partei kandidiert 2009 gemeinsam mit dem «Likud».
Programm: ultranationalistisch-zionistisch, «Großisrael»-Ideologie, gegen den Abzug jüdischer Siedlungen aus den besetzten Gebieten, für «Bevölkerungs- transfer» der Palästinenser aus Israel und den besetzten Gebieten, gegen Friedensgespräche, für soziale Gerechtigkeit unter den Juden Israels, gegen Rechte für Homosexuelle, gegen den Dialog mit Deutschland
Parteichef: Jaakov Katz (57), Leiter des Siedler-Fernsehens «Arutz Scheva»
Prognose: 3 bis 5 Mandate
Sitze nach der Wahl : 4 Mandate
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Ha-Tnua Ha-Chadascha Meretz («Die neue Bewegung – Meretz»):
Geschichte: Am 22. Dezember 2008 wurde die Verbindung der linksliberalen, zionistischen «Meretz»-Partei und der «Neuen Bewegung» offiziell verkündet. «Meretz» besteht seit 1992 als Zusammenschluss von Teilen der sozialis- tischen «Mapam» mit kleinen linkszionistischen Parteien. Zweimal, unter Jitzchak Rabin (1993-1996) und unter Ehud Barak (1999–2001) war «Meretz» in der Regierung. Die «Neue Bewegung» entstand im Herbst 2008 mit dem Selbstverständnis als «neue Linke» im Land. Gründungsmitglieder der Bewegung sind unter anderem der Autor Amos Oz und Ex-WZO-Präsident Avraham Burg.
Programm: humanistisch-linkszionistisch, für Trennung von Staat und Religion, gegen die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete, für die Zwei-Staaten-Lösung und Friedensverhandlungen mit Syrien, für soziale Marktwirtschaft, für humanistische Erziehung, für die Gleichstellung von Mann und Frau, für die Rechte Homosexueller, für Umweltschutz
Parteichef: Chaim Oron (68), Ex-Minister für Landwirtschaft
(u.a. Mitglied dieser Partei: Tzvia Grienfeld, seit 4.11.2008 erste ultraorthodoxe Frau in der Knesset)
Prognose: 4 bis 6 Mandate
Sitze nach der Wahl : 3 Mandate
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Balad («Nationale Demokratische Versammlung»):
Geschichte: Die Partei wurde 1995 von jungen arabischen Intellektuellen um Azmi Bischara gegründet. Seit 2002 richten jüdische Parteien regelmäßig Vorwürfe gegen Bischara, dass dieser Informationen die «staatliche Sicherheit» betreffend bei Besuchen in Syrien und Libanon weitergegeben und für die Hisbollah spioniert haben soll. Nach der Eröffnung eines polizeilichen Untersuchungsverfahrens im Frühjahr 2007 kehrte Bischara von einem Besuch in Kairo nicht nach Israel zurück. Rechtsnationale jüdische Politiker wie Avigdor Lieberman fordern Bischaras Tod. «Balad» sollte aufgrund seiner sympathisierenden Haltung für die Gazaner im Januar-Krieg von den Wahlen ausgeschlossen werden. Der Oberste Israelische Gerichtshof wies das Ansinnen mehrerer zionistischer Parteien zurück.
Programm: arabisch-nationalistisch, sozialdemokratisch, für ein Selbstverständnis Israels als säkularen «Staat aller seiner Bürger» anstatt «jüdisch-demokratischer Staat», für die Zwei-Staaten-Lösung in den 1967er Grenzen und für die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 und 1967, für Anerkennung der arabischen Minderheit in Israel und Verleihung der kulturellen Autonomie
Parteichef: Jamal Zahalka (54)
(Spitzenkandidat dieser Partei war bei dieser Wahl Said Nafa. Said Nafa ist Druse, er war schon öfter im Gefängnis, weil er sich weigerte, sich beim Militär einzuschreiben)
Prognose vor der Wahl: 0 bis 2 Mandate
Sitze nach der Wahl : 3 Mandate
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Ha-Bejt Ha-Jehudi («Das Jüdische Haus»):
Geschichte: Ha-Bejt Ha-Jehudi ist im November 2008 als Zusammenschluss der rechtsnationalen Nationalreligiösen Partei (NRP), «Moledet» und «Tkuma» gegründet worden. Seitdem fiel das Bündnis über Richtungsstreitereien mit den nichtreligiösen rechtsnationalen Parteien teilweise wieder auseinander.
Programm: nationalreligiös-zionistisch, «Großisrael»-Ideologie, gegen die Aufgabe der jüdischen Siedlungen im Westjordanland, starke Unterstützung für die Siedlerbewegung «Gusch Emunim», für die sozioökonomischen Interessen der orientalischen Juden in Israel
Parteichef: Daniel Herschkowitz (56), Rabbiner und Mathematikprofessor
Prognose vor der Wahl: 3 bis 4 Mandate
Sitze nach der Wahl : 3 Mandate