Hallo Diskursant,
mit dem Begriff Völkerwanderung das von Dir beschriebene Szenario zu assoziieren ist schon ziemlich naiv und dürfte in erster Linie solche Leute in die Irre führen, die mit dem Begriff schon deshalb nichts anfangen können, weil es sich um historische Prozesse handelt, die sie eh nicht interessieren. Gleichwohl darf man nicht übersehen, daß sich - und da ist die Gretchenfrage stets, wie genau man den Begriff "Volk" definiert - sehr wohl ganze Stämme in Bewegung gesetzt haben (aus den verschiedensten Gründen, halt). Fakt ist auch, daß diese Massenmigration in erster Linie Folge eines massiven Verdrängungsprozesses war: es war ja keineswegs so, daß die Gebiete, aus denen besagte Völker ausgewandert sind anschließend unbesiedelt geblieben wären, jedenfalls nicht zu großen Teilen (Ausnahmen mögen die Regel bestätigen).
Und daß sie letztlich zu massiven, auch mit erheblichen Gewaltausbrüchen verbundenen Umwälzungen in weiten Teilen der damals bekannten Welt, insbesondere in Mitteleuropa geführt haben.
Wie man das Kind nennt, ist meiner Ansicht nach egal; da der Begriff der Völkerwanderung etabliert ist - und in eben dem Sinne, über den wir hier sprechen in der Forschung durchaus kritisch gesehen und häufig auch neu definiert wird - sehe ich keinen Grund, ihn zur Kennzeichnung der fraglichen Epoche auch weiterhin zu nutzen.
Allerdings gibt es einen Stelle, an der ich Dir erheblich widersprechen möchte: die heutige
Migrationsbewegung(en) verläuft bzw.: verlaufen keineswegs gewaltlos, im Gegenteil. Zum einen ist Gewalt - und zwar in massivster Form - einer der wesentlichen Migrationsauslöser. Zum anderen führt die Migration stets zu neuer Gewalt. Die Migrationsbewegungen auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, zum Beispiel, sind alles, aber nicht "gewaltlos". Weder in ihren Ursachen noch in ihren Folgen. Und sie sind es auch nicht in Europa: keine einzige Flüchtlingsunterkunft, in der es nicht täglich zu Gewalttaten käme, kein Tag, an dem es nicht zu massiven Übergriffen auf die europäische Bevölkerung käme, kein Tag, an dem es nicht die entsprechenden Gegenreaktionen gäbe (wenn auch - noch!!! - in eher geringem Umfang).
Daß wir, auch in Europa, diesbezüglich auf einem Pulverfaß sitzen, das - anders als im Nahen Osten oder in Nordafrika oder Teilen Asiens - noch keine Anstalten macht, hochzugehen darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Lunte bereits munter brennt.
Es gibt Gewalt. Und es gibt - damals wie heute - einen Kausalzusammenhang zwischen Gewalt und Migration, auch wenn sich der Grad der Gewalttätigkeit noch unterscheiden mag. Ich betone nochmals: NOCH.
Gruß -
Bendert