Wolfgang Thierse und Klaus Mindrup:
Unser Land, die Ampelregierung und die SPD brauchen einen Neustart, spätestens
seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds. Als ehemalige Mitglieder des Deutschen Bundestages melden wir uns hier zu Wort und wenden uns dabei vor allem an die eigene Partei.
In unserer Nachbarschaft finden gerade dramatische Entwicklungen statt. Die Formel des faulen Zaubers lautet „möblierte Vermietung auf Zeit“: 38 Quadratmeter in der Oderberger Straße für 2340 Euro im Monat. Das entspricht einer Kaltmiete von fast 62 Euro pro Quadratmeter. Knappheit am Markt führt zu Preisen, die sich kein Normalbürger leisten kann. Bevor eine Altbauwohnung zu diesem Preis angeboten werden kann, muss sie „entmietet“ werden. Wie bekommt man die angestammten Mieterinnen und Mieter aus ihrem Zuhause? Mit einer Eigenbedarfskündigung, die schlecht reguliert ist. Wer einzieht und wie oft jemand deswegen kündigt, überprüft niemand.Die SPD muss hier klare Signale setzen, für einen besseren Mieterschutz im Fall von Eigenbedarfskündigungen und für eine klare Regulierung der möblierten Vermietung.
Beispiel
Pankow: Umgerechnet fast 500 Millionen Euro wurden seit den 90er-Jahren an Zuschüsse für Sanierung und Modernisierung von Wohnungen vom Land Berlin ausgezahlt – und zwar als Zuschuss an die Vermieter. Dazu steuerliche Sonderabschreibungen und Investitionszulagen in ähnlicher Höhe. Heute weiß Berlin nicht einmal, was mit den Objekten passiert, die das Land einst gefördert hat. Belegungs- und Mietpreisbindungen sind fast alle ausgelaufen. Was wir wissen: Viele Privateigentümer veräußerten ihre Häuser nach zehn Jahren mit großen Spekulationsgewinnen. Steuerfrei. Ein weiteres unnötiges Geschenk des Staates an diejenigen, die es nicht brauchen.
Die SPD würde selbst als allein regierende Partei daran nichts ändern.607.000 Menschen waren in Deutschland letztes Jahr mindestens zeitweise wohnungslos, so die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe.Von 2021 auf 2022 ist sie um etwa 50 Prozent gestiegen. Rund 50.000 Betroffene leben ohne jede Art von Notunterkunft auf der Straße, Wind und Wetter ausgesetzt.
1990 gab es in Deutschland noch 2,8 Millionen Sozialwohnungen. 2006 waren es dann 2,1 Millionen. Heute gibt es nur noch eine Million. Dieses drastische Absinken der Zahl der Sozialwohnungen in Verbindung mit der Explosion der Mietpreise erzwingt eine Explosion der Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen.
Ein Zustand, der kontinuierlich immer schlimmer werden wird, denn das deutsche System der zeitlich befristeten Sozialbindung von Sozialwohnungen garantiert bei den aktuell viel zu niedrigen Neubauraten, dass die Zahl der Sozialwohnungen jedes Jahr weiter schrumpfen muss.
Wer durch Leistungskürzungen oder Streichung bedroht ist seine Wohnung zu verlieren,kann vom Jobcenter jederzeit genötigt werden völlig unterbezahlte Jobs mit kaum zumutbaren Arbeitsbedingungen anzunehmen.Heil bereitet das gerade vor.Die anderen mit Job werden sich unter diesen Bedingungen ebenfalls allen Zwängen beugen die man ihnen auferlegt.Die SPD ist ein Vorreiter dieser Politik.