"Dem Osten wurde es erspart, Einwanderungsland zu werden"
Wenn ich einmal von seinen vermutlich egoistischen Motiven absehe: Kretschmann hat Recht. Im Osten gibt es gemessen an der Bevölkerung noch immer zu wenig Menschen, die sichtbar Minderheiten angehören, die zum Beispiel schwarz sind. Und es gibt einen Strukturwandel, ganze Gegenden entvölkern sich. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, würde ich sagen: Es ist Zeit für die zweite Wende und einen neuen Aufbau Ost, infrastrukturell, emotional, kulturell.
Was meinen Sie damit?
Es war die größte Bankrotterklärung der deutschen Politik nach der Wende, dass sie zuließ, dass ein Drittel des Staatsgebiets weiß blieb. Aus Angst vor den Skins und denen, die mit ihnen sympathisierten, hat man diesem Teil des Landes die Zumutung erspart, eine Einwanderungsgesellschaft zu werden. Inzwischen haben wir aber eine andere Situation. Die Leute sind ja schon da. Städte wie Leipzig und Rostock haben bereits eine bunt gemischte Einwohnerschaft.
Dann ist man doch auf dem Weg, oder?
Nicht in der Fläche und den Kleinstädten. Wo immer ein Vietnamese oder Türke ein Restaurant aufgemacht haben, bekamen die Leute Stress, wurden Scheiben eingeschlagen oder Imbisse angezündet. Das hat viele weitere Migranten abgeschreckt. Genau das war die erklärte Strategie der Nazis, die Behörden haben nichts dagegen unternommen. Und können sich jetzt brüsten: Es gibt bei uns keinen Rassismus. Es gibt ja kaum Migranten.