In Ungarn hat die Armut in den letzten Jahren Ausmaße erreicht, wie es sie in Friedenszeiten das letzte Mal während des Ständestaates der Zwischenkriegszeit gegeben hat. Statistiken zufolge lebt heute so gut wie die Hälfte der Bevölkerung in Armut, ein Drittel fristet sein Dasein in tiefster Verelendung und ohne jede Hoffnung auf eine Verbesserung. In den letzten drei Jahren ist es so weit gekommen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union (EU) Ungarn zu einer sozial gerechteren Wirtschafts- und Sozialpolitik drängen, etwa zu einer weniger restriktiven Arbeitslosenpolitik oder dazu, mehr Geld im Portemonnaie der Rentnerinnen und Rentner zu lassen. Das ist beachtenswert, wo doch diese Institutionen für die Durchsetzung der schieren Marktmacht stehen – und Staatschef Viktor Orbán ausgerechnet unter Berufung auf das »nationale Wohl« seine erbitterten Schlachten gegen sie schlägt.
Bereits die sozialdemokratisch-liberale Vorgängerregierung hatte mit ihrer Politik die Verarmung der unteren ungarischen Gesellschaftsschichten forciert. Sie beschloss etwa, in allen jenen Fällen, in denen in einer Familie zwei Erwachsene auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, nur einem von beiden die Sozialhilfe auszuzahlen. Trotz einer beträchtlichen Inflationsrate von sechs bis acht Prozent kürzte sie das Arbeitslosengeld und verringerte dessen Bezugsdauer. Doch mit Antritt der Orbán-Regierung kam es ab 2010 zu einer radikalen Verschärfung dieser Politik, die nun weit über die vorherigen Kürzungen hinausgeht. »Wer es im Leben zu nichts gebracht hat, der ist eben gerade so viel wert, so kann ich es sagen. Dessen Leben ist nicht mehr wert, taugt nicht für mehr.« Diese mittlerweile berühmt gewordene Aussage des Kanzleramtsministers János Lázár, des zweiten Manns im Orbán-Staat, aus dem Jahr 2011 steht beispielhaft für diese Politik. Orbáns Fidesz-Partei erklärte, dass Arbeitslose zumeist Sozialschmarotzer seien, Kranke und Behinderte in der Regel Betrüger, und bei den Armen handele es sich um moralisch Schwache, die daher an ihrer Lage selber schuld seien. Nach der Amtsübernahme entwickelte die Regierung eine deutlich gegen Arme gerichtete Politik. …
Auch die brutale Verschärfung des Strafgesetzbuches für Delikte, die typischerweise von Armen, darunter viele Roma, begangen werden, nimmt die internationale Öffentlichkeit kaum wahr. Dieses Vorgehen passt blendend in die gegen die Schwachen und Schwächsten der Gesellschaft gerichtete Ausgrenzungspolitik von Fidesz. Beispielsweise wurde aus den USA das Prinzip des »Three-Strikes-Law« übernommen, das festschreibt, dass bei der dritten Verurteilung wegen eines beliebigen Vergehens automatisch eine lebenslange Haftstrafe verhängt wird. Eingeführt wurde auch die tatsächlich lebenslängliche Gefängnisstrafe, und in Verletzung internationaler Abkommen wurde das Strafmündigkeitsalter von 14 auf 12 Jahre herabgesetzt. Die »Kinderkriminalität« wird von der Orbán-Regierung einzig und allein durch den Bau von Erziehungs- beziehungsweise Besserungsanstalten bekämpft, wo die Kinder unter den schlimmsten Bedingungen Jahre verbringen. Psychologische, erzieherische oder sonstige materielle oder humanitäre Unterstützung für die Betroffenen kommen für die heutigen ungarischen Machthaber nicht in Frage. Verurteilungen von Kleinkriminellen im Ad-hoc-Verfahren sind keine Ausnahme mehr. Im Müll zu wühlen und auf der Straße zu schlafen ist per Verfassung zur Straftat erklärt. Im Hochsommer 2013 wurde ein Obdachloser wegen des Diebstahls einer Bettdecke im Wert von sechs Euro sowie zwei Euro Bargeld zu elf Jahren Gefängnis verurteilt – er war eben rückfällig….
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In Ungarn bekämpft man die Armen,nicht die Armut.Da gibt es von Seiten der EU keine größeren Proteste,schließlich passt eine solche Vorgehensweise hervorragend in das neoliberale Weltbild.In der außenpolitischen Ausrichtung Ungarns sieht man da schon eher ein Problem,eine vermeintliche Nähe zu Russland wiegt allemal schwerer als die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten.