Verschwöriker sind bedauernswerte Menschen....
Auszug aus dem Buch
Die Intrige, von Peter Matt. Untertitel:
Theorie und Praxis der Hinterlist. Hanser Verlag München-Wien 2006 S.248ff
Deshalb darf man sich bei der Frage nach den literarischen Verkörperungen von Weltintrigen, welche die alte Vorsehung, das alte Fatum im umfassenden Sinne zu ersetzen suchen, nicht auf die anerkannte Weltliteratur und die nobelpreisfähigen Werke beschränken. Arthur Conan Doyles Moriarty-Modell wurde im 20. Jahrhundert vom Engländer Sax Rohmer (1883-1959) aufgegriffen und zur Zentralfigur einer jahrzehntelangen Romanproduktion von immenser Popularität umgeschaffen.
Ohne Prof. Moriarty hätte es Dr. Fu Manchu nicht gegeben. Dieser ist Sax Rohmers legendärer Bösewicht. Er tritt 1913 erstmals vor die Augen einer schaudernd-entzückten Leserschaft, im Roman »The Mystery of Dr. Fu Manchu«. 14 Romane sind es insgesamt, von 1913 bis 1959, in denen der satanische Chinese sein Unwesen treibt. Die Magie Fu Manchus, die Angstlust, die er auslöste, nährte sich von der weitverbreiteten Furcht vor der »Gelben Gefahr«, vom Phantasma der Chinesen als eines Riesenvolkes mit skrupellosen Welteroberunggelüsten. Das personalisierte sich in Fu Manchu.
Rohmers Bücher teilen ihren rassistischen Einschlag mit vielen populären Verbrecherromanen des frühen 20. Jahrhunderts. Entscheidend aber ist im vorliegenden Zusammenhang, daß Fu Manchu tatsächlich die Weltherrschaft anstrebt: »Fu Manchu ist der größte und verruchteste Schurke aller Zeiten; sein Ziel die Welteroberung. Er besitzt die Doktorwürde von verschiedenen europäischen Universitäten, leitet Geheimbünde, weiß alles, was Okkultismus und Zauberei betrifft; alle Erkenntnisse sämtlicher Wissenschaften sind ihm bekannt. Er ist ein Meister der Verkleidung.«
Auch der Film hat den Stoff vielfach aufgegriffen; berühmt wurde» The Mask of Fu Manchu« von 1932 mit Boris Karloff in der Titelrolle.
Auch in der jüngeren Gegenwart gibt es Zeugnisse für das Bedürfnis der kollektiven Phantasie nach Weltintrigen und Weltintriganten. Wer dieses Bedürfnis literarisch bedient, hat, was die Auflagen betrifft, ausgesorgt, auch wenn er vom offiziellen Kulturbetrieb kaum zur Kenntnis genommen wird. Ein Beispiel ist die »Illuminatus!«-Trilogie der Amerikaner Robert Shea und Robert A. Wilson, die auch in Deutschland, unter Ausschluß der literarischen Öffentlichkeit, seit Jahren erfolgreich ist. Der erste Band, »Das Auge in der Pyramide«, stand im Januar 2003 in der 25. Auflage. Bei jüngeren Leserschichten hat »Illuminatus!« Kultcharakter. Das ist insofern überraschend, als die Lektüre sehr anspruchsvoll ist. Es wird auf unterschiedlichsten Handlungsebenen erzählt, in schleuderndem, schwindelerregendem Wechsel.
Die einzelnen Erzählfetzen, die da durcheinanderwirbeln, sind aber schmissig gemacht, im kalkulierten Duktus billiger Reißer, mit krudem Sex untermischt. Immer lassen sie die Möglichkeit durchblicken, es könnte sich alles um flutende Halluzinationen unter Drogeneinfluß handeln. »Psychedelic«, »psychedelisch« nannte man das in den 70er Jahren, als die Trilogie entstand. Hinter der literarischen Artistik und den Thriller-Effekten, die aus dem Arsenal von Schwarzem Kriminalroman, Science fiction, Fantasy und Horror stammen, steht indessen ein einziger Gedanke: Die Welt und alles, was auf ihr geschieht, jeder Krieg, jede Wirtschaftskrise, jedes Attentat, jeder Friedensschluß und jedes ökonomische Abkommen, auch alle Regierungen und alle Geheimdienste, sind gelenkt und gesteuert von einer mächtigen Untergrundorganisation, den Illuminaten.
Diese Illuminaten haben durchaus mit dem historisch belegten Orden gleichen Namens zu tun, der 1776 von Adam Weishaupt in Ingolstadt gegründet wurde und dem ein ansehnlicher Teil der fortschrittlichen Intelligenz Deutschlands beitrat. Aber im Spekulationsgefüge der »Illuminatus!«-Trilogie ist diese geschichtlich nachgewiesene Geheimgesellschaft der deutschen Aufklärung nur ein Glied in einer viel älteren Kette.
Um dies zu zeigen, werden esoterisches Wissen und esoterische Dokumente in Mengen aufgeboten und dem Leser in gezielten Dosen verabreicht. Band um Band vibriert von der Faszination einer uralt-modernen Hyperintrige, die die Gründung der Vereinigten Staaten ebenso gelenkt haben soll wie den Kennedy-Mord. Dabei taucht als Beweismittel, das jedermann schon zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten hat, die amerikanische Dollarnote auf. Dort findet sich bekanntlich das Bild der Pyramide mit dem Auge in der schwebenden Spitze. Das geheimnisvolle Zeichen, das dem ersten Band der Trilogie - »Das Auge in der Pyramide« - den Untertitel geliefert hat, soll sich in der Tat von den historischen Illuminaten herleiten; seine freimaurerische Ikonographie ist offensichtlich.
Daß dem weltweit mächtigsten Zahlungsmittel, dem Dollar, Inbegriff globaler Finanzmacht und Geldstrategie, ein esoterisches Schlüsselsymbol aufgedruckt ist, gewinnt frappierenden Beweischarakter in einem Thesengebäude, bei dem sich die konkreten Machtverhältnisse auf dem heutigen Planeten mit den Überlieferungen antiker, mittelalterlicher und neuzeitlicher Geheimlehren vernetzen. Übrigens weist Umberto Ecos Roman »Das Foucaultsche Pendel«, zwölf Jahre nach »Illuminatus!« erschienen, überraschende Ähnlichkeiten mit dieser Trilogie auf. Aber das Verführerische, das »Illuminatus!« für breite Leserschichten zu haben scheint, die schillernde Verlockung zum Glauben an eine geheime Weltlenkung größten Ausmaßes - vielleicht, vielleicht auch nicht, vielleicht eben doch ... - geht von Ecos Roman nicht aus.
Daß die USA und mit ihnen die ganze Welt seit dem 11. September 2001 im Banne eines real existierenden Weltintriganten stehen, mit Namen Usama bin Laden und einem Gesicht, das die Christus-Ikonographie in Erinnerung ruft, hat mit der Literatur insofern zu tun, als deren Konzepte so sicher wie unreflektiert in die Phantasiearbeit um das »Terrornetz« und seinen Führer einschießen. Dabei ist es bedenkenswert, daß die islamistische Organisation Al Kaida von einem monotheistischen Vorsehungs- und Schicksalsglauben bestimmt ist; ihre Sendung leitet sie vom Willen Gottes her. Dem nähert sich auch die amerikanische Gegenposition in manchen ideologischen Signalen, die von der Administration des Präsidenten George W Bush ausgehen. Es scheint, daß das spätmittelalterliche Konzept vom großen Satan als dem Weltintriganten, wie es bei Tasso noch einmal faßbar wurde, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 250 Jahre nach Voltaire, weltweit wiederkehrt. Der amerikanische Präsident und der Chef der islamistischen Geheimorganisation betrachten einander wechselseitig als dieses Wesen.
Soweit der Textauszug.
Hartmut sagte:
All diese Megaverschwörungstheorien wollen ja eigenverantwortetes Handeln für unmöglich erklären. Wir alle - huhu - leben in der Matrix, tanzen hilflos, sind bloß Schachfiguren in einem Spiel, das wir nicht verstehen.
Nur der Verschwöriker verfügt über tiefes Wissen, hat kraft seiner überlegenen Einsicht die Zauberworte zur Verfügung, um uns alle wieder in den Stand der Unschuld zu versetzen.
Wir haben es hier mit Wortmagie zu tun. "Alle zurück auf Start, es gibt keine geschichte, es gibt nur die Matrix!" ist die tiefe Metapher aller Verschwöriker. "
Schon seit Urzeiten verdienten diverse Leute mit Vorhersagungen, Weissagungen und Prophezeiungen ihren Lebensunterhalt. Nur sie verfügten und verfügen noch immer über ein tiefes Wissen der menschlichen Natur.
Sind diese Wahrsager, diese Prophezeiher, einmal von ihrer Sicht der Dinge erfasst, werden sie zu lebenslangen Missionaren, die überall fieberhaft versuchen, die armen unwissenden Menschen zu missionieren. Sie sagen, der Mensch könne tun und lassen was er wolle, er könne seine Welt nicht ändern, weil diese von mächtigen Herrschern gelenkt und bestimmt werde….Diese Herrscher seien es, die Kraft ihres Amtes bestimmen, was Zukunft ist..
Jede Gelegenheit erfassen die Verschwöriker beim Schopfe, um ihrem Klientel zu beweisen, dass sie ein handlungsunfähiges Nichts seien……
Für mich sind Menschen wie Hellmann beklagenswerte kranke Geschöpfe, die man am besten in Ruhe lassen sollte. In meiner Nachbarschaft lebt solch ein bedauernswerter Mensch: Allen Leuten erzählt er immer wieder -und das seit schon zwanzig Jahren (wie mir zugetragen wurde)-, daß es eine Lüge sei, daß die Amerikaner auf dem Mond waren, daß das alles geschauspielert gewesen sei.
Grüße
Iphigenie