Ich bin sehr fasziniert von dem, was sich in den USA ereignet hat. Nicht weil ich pro Trump war, im Gegenteil ich hätte Clinton bevorzugt, sondern weil es nun erst recht Anlass gibt, sich fundamentale Frage zu stellen. "nun erst recht" bedeutet, dass es diesen Anlass bereits vorher gegeben hat, er sich durch den Wahlsieg von Trump aber nun signifikant verstärkt hat.
Fragen die sich stellen sind z.B.
1. Welche Bedeutung hat eigentlich Demoskopie?
Ich denke, nach dem Brexit-Votum und dem Wahlsieg Trumps liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Demoskopie zwar nicht vollkommen unzuverlässsig ist, dass sie aber Grenzen hat. Demoskopie scheint nur in einem Umfeld eines allgemeinen Grundkonsenses in der Gesellschaft zuverlässig zu sein, ist also nur in "Schönwetterphasen" gesellschaftlicher Entwicklung zuverlässig. Dies lässt ein wenig an die Chaostheorie denken, die ja auch die Kalkulierbarkeit von Prozessen grundsätzlich bestätigt, aber Grenzen der Kalkulierbarkeit bestimmt.
2. Beruht das Modell der freiheitlichen Demokratie auf der falschen Annahme des Sieges der Vernunft?
Ich denke ja. Die etablierte Politik versucht diese bittere Wahrheit mit Begriffen wie "post-faktisch" begrifflich zu verdrängen, nicht anerkennend, dass es immer nur eine Frage der Umstände ist, bis irrationale Strömungen Oberhand gewinnen.
3. Hat Trump letztlich nur eine alternative Strategie demokratischen Wahlkampfes demonstriert, eine Strategie also, die ausschließlich auf Stimmung und Emotion setzt und dabei auch negative Stimmung und Emotion nicht ausschließt und so radikal mit politischen Korrektheiten bricht? Stellt sich Trump's Wahlkampf also letztendlich nur als eine neue Form des Wahlbetruges heraus, ein Wahlbetrug wie er von den uneingelösten Wahlkampfversprechungen politisch korrekter etablierter Politiker bereits hinlänglich bekannt ist?
Dies wird sich zeigen müssen. Ich halte es durchaus nicht für absolut unwahrscheinlich, dass der Präsident Trump eine andere Person sein wird als der Wahlkämpfer Trump, der einfach die Gabe hatte Stimmungen zu riechen und diese ohne Rücksicht auf polical correctness für seine persönliche politische Zielsetzung "ich bin eine Gewinnertyp und also werde ich es auch schaffen Präsident zu werden" auszuschlachten. Was er dann aber tut, wenn er der Welt gezeigt hat, dass er gewinnen kann, wenn er nur gewinnen will, das steht auf einem anderen Blatt.