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"der Charme einer Schulhofschlägerei" - warum ist die Gesellschaft so geistlos?
Seit über 15 Jahren schreibe ich Science Fiction-Erzählungen und denke mir dafür Orte, Gesellschaftssysteme, Kulturen und fiktive Welten aus. Dabei ist mir letztens aufgefallen, dass ich eigentlich ganz gut in das Konzept der "offenen Gesellschaft" des Philosophen Popper passen würde :rolleyes2:
"Mein" System besteht aus vielen verschiedenen Gemeinwesen mit unterschiedlichen Orientierungen. Es auf allen Größenskalen diverse Projekte, die von einer Vielzahl verschiedener Akteure getragen werden: Privatpersonen, Kooperativen, kooperationen staatlicher und nicht-staatlicher Instanzen ... das "Unternehmen" im Sinne einer von der Vision zum Projekt gewordenen Einrichtung steht hoch im Kurs.
Manche Gemeinwesen mögen bei der Verteilung von Aufgaben und Gütern nach "kommunistischen" Prinzipien vorgehen, aber das erfolgt aus praktischen Erwägungen. Der "Kommunismus", wie wir ihn als Ideologie kannten, hat ausgedient.
Wenn ich selbst nicht schreibe, lese ich mir manchmal die Weltentwürfe auf der Perrypedia durch. Da sind eine Menge fiktiver Gemeinwesen, die zwar finstere Seiten haben mögen, aber oft auch so etwas wie eine "Vision". Milliarden Menschen und ungeheure Ressourcen werden mit fantastischer Technik zusammengebracht, um große Dinge zu realisieren.
Mir ist schon der Gedanke gekommen, dass in Wirklichkeit nicht so sehr die Kriege und Konflikte, die in Space Operas oft so breit und dröge ausgewalzt werden, solche technokratischen Systeme bestimmen. Sondern vielmehr das Aufbauen, das Errichten von Stützpunkten auf unwirtlichen Welten und dergleichen. Da gerade in ferner Zukunft Kriege vermutlich mit der Vernichtung aller beteiligten Parteien enden würden, mögen sich noch so martialische Gesellschaften dann mit dem Bauen zufriedengeben.
"Der Mensch baut!", sagt ein keltischer Gott in einem Fantasyfilm. Damit hat er etwas Wichtiges gesagt: Der Mensch baut nicht aus einer äußeren Notwendigkeit, er baut, weil es zu seinem Menschsein gehört. Ameisen oder Biber bauen zum Überleben, Menschen bauen gerade dann, wenn ihr Überleben gesichert ist. Verzichtet er auf das "Bauen", das Schöpferische, mögen sogar Dinge beginnen, mit denen die Menschen ihr Überleben selbst gefährden. Weil sie dann an sich positive Affekte gegen sich selbst wenden.
Womit wir in der Wirklichkeit angekommen sind. Für die der Satz steht: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen." Der Verzicht auf Visionen macht unser Leben aber weder schöner noch beschaulicher. Wir bauen keinen Stützpunkt auf einem Neutronenstern, dafür wollen Union und F.D.P. die Atomkraftwerke länger laufen lassen und vielleicht neue AKWs bauen.
Vor die Alternative gestellt, angesichts der materiellen Sättigung in den Industrieländern auf weiteres Wachstum zu verzichten oder "kosmische" Visionen zu entwerfen, weil langfristig nur sie Wachstum aufnehmen können, haben wir weder das Eine noch das Andere getan. Wir haben auch nicht auf großkotzige Raumfahrtprojekte verzichtet, um den armen Menschen auf der Welt zu helfen. Der Tier- und Pflanzenwelt auf der Erde könnten wir keinen größeren Gefallen tun als entweder auszusterben oder auf den Mond zu übersiedeln. Es steht nur zu befürchten, dass wir weder das Eine noch das Andere tun.
In Umkehrung des Argumentes, dass Visionen für das Leid in der Geschichte im Allgemeinen und im 20. Jahrhundert im Besonderen verantwortlich sind, stelle ich hier die Gegenthese auf: Der Verzicht auf Visionen führt zu Leid, vielleicht sogar zum größtmöglichen Leid. Denn die Horrorvision mag wenigstens zu einem Ende mit Schrecken führen. Der faule Kompromiss führt nur zu Schrecken ohne Ende.
Jene Affekte, welche die Menschen positiv über "Visionen" resp. in Projekte ausagieren, agieren sie ohne Visionen in sinnlosen Aggressionen aus. Ihnen diese Affekte zu nehmen, würde aus Menschen seelenlose Pflanzen machen.
Das wird schon am Wort "Aggression" deutlich. Es kommt aus dem lateinischen "aggredi" - auf jemanden zugehen. Man kann auf jemanden zu gehen, weil man mit ihm etwas erreichen will. Man kann auch auf jemandem zugehen, weil man ihn totschlagen will (wobei die Römer beides ganz gut konnten).
Die Fantasielosgikeit der herrschenden Diskurse ist so gesehen mehr als nur ein ästhetischer Makel. Sie mag unsere Existenz ebenso bedrohen wie es in der Vergangenheit die "Visionen" von Wahnsinnigen getan haben. Ich habe da immer das Gefühl, in den Talkrunden verhandeln hochdotierte Taugenichtse darüber, wie sie ihren Mitmenschen das Leben noch ein bisschen schwerer machen können. Der Psychoterror der Ausgesorgt-Habenden, denen alles um sie herum egal ist. Deren "Vision" ist Gesellschaft als austariertes Gleichgewicht kleiner und mittlerer Tyrannen, mit deren Herrschaft sich die Menschen bis in alle Ewigkeit abfinden sollen.
Seit über 15 Jahren schreibe ich Science Fiction-Erzählungen und denke mir dafür Orte, Gesellschaftssysteme, Kulturen und fiktive Welten aus. Dabei ist mir letztens aufgefallen, dass ich eigentlich ganz gut in das Konzept der "offenen Gesellschaft" des Philosophen Popper passen würde :rolleyes2:
"Mein" System besteht aus vielen verschiedenen Gemeinwesen mit unterschiedlichen Orientierungen. Es auf allen Größenskalen diverse Projekte, die von einer Vielzahl verschiedener Akteure getragen werden: Privatpersonen, Kooperativen, kooperationen staatlicher und nicht-staatlicher Instanzen ... das "Unternehmen" im Sinne einer von der Vision zum Projekt gewordenen Einrichtung steht hoch im Kurs.
Manche Gemeinwesen mögen bei der Verteilung von Aufgaben und Gütern nach "kommunistischen" Prinzipien vorgehen, aber das erfolgt aus praktischen Erwägungen. Der "Kommunismus", wie wir ihn als Ideologie kannten, hat ausgedient.
Wenn ich selbst nicht schreibe, lese ich mir manchmal die Weltentwürfe auf der Perrypedia durch. Da sind eine Menge fiktiver Gemeinwesen, die zwar finstere Seiten haben mögen, aber oft auch so etwas wie eine "Vision". Milliarden Menschen und ungeheure Ressourcen werden mit fantastischer Technik zusammengebracht, um große Dinge zu realisieren.
Mir ist schon der Gedanke gekommen, dass in Wirklichkeit nicht so sehr die Kriege und Konflikte, die in Space Operas oft so breit und dröge ausgewalzt werden, solche technokratischen Systeme bestimmen. Sondern vielmehr das Aufbauen, das Errichten von Stützpunkten auf unwirtlichen Welten und dergleichen. Da gerade in ferner Zukunft Kriege vermutlich mit der Vernichtung aller beteiligten Parteien enden würden, mögen sich noch so martialische Gesellschaften dann mit dem Bauen zufriedengeben.
"Der Mensch baut!", sagt ein keltischer Gott in einem Fantasyfilm. Damit hat er etwas Wichtiges gesagt: Der Mensch baut nicht aus einer äußeren Notwendigkeit, er baut, weil es zu seinem Menschsein gehört. Ameisen oder Biber bauen zum Überleben, Menschen bauen gerade dann, wenn ihr Überleben gesichert ist. Verzichtet er auf das "Bauen", das Schöpferische, mögen sogar Dinge beginnen, mit denen die Menschen ihr Überleben selbst gefährden. Weil sie dann an sich positive Affekte gegen sich selbst wenden.
Womit wir in der Wirklichkeit angekommen sind. Für die der Satz steht: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen." Der Verzicht auf Visionen macht unser Leben aber weder schöner noch beschaulicher. Wir bauen keinen Stützpunkt auf einem Neutronenstern, dafür wollen Union und F.D.P. die Atomkraftwerke länger laufen lassen und vielleicht neue AKWs bauen.
Vor die Alternative gestellt, angesichts der materiellen Sättigung in den Industrieländern auf weiteres Wachstum zu verzichten oder "kosmische" Visionen zu entwerfen, weil langfristig nur sie Wachstum aufnehmen können, haben wir weder das Eine noch das Andere getan. Wir haben auch nicht auf großkotzige Raumfahrtprojekte verzichtet, um den armen Menschen auf der Welt zu helfen. Der Tier- und Pflanzenwelt auf der Erde könnten wir keinen größeren Gefallen tun als entweder auszusterben oder auf den Mond zu übersiedeln. Es steht nur zu befürchten, dass wir weder das Eine noch das Andere tun.
In Umkehrung des Argumentes, dass Visionen für das Leid in der Geschichte im Allgemeinen und im 20. Jahrhundert im Besonderen verantwortlich sind, stelle ich hier die Gegenthese auf: Der Verzicht auf Visionen führt zu Leid, vielleicht sogar zum größtmöglichen Leid. Denn die Horrorvision mag wenigstens zu einem Ende mit Schrecken führen. Der faule Kompromiss führt nur zu Schrecken ohne Ende.
Jene Affekte, welche die Menschen positiv über "Visionen" resp. in Projekte ausagieren, agieren sie ohne Visionen in sinnlosen Aggressionen aus. Ihnen diese Affekte zu nehmen, würde aus Menschen seelenlose Pflanzen machen.
Das wird schon am Wort "Aggression" deutlich. Es kommt aus dem lateinischen "aggredi" - auf jemanden zugehen. Man kann auf jemanden zu gehen, weil man mit ihm etwas erreichen will. Man kann auch auf jemandem zugehen, weil man ihn totschlagen will (wobei die Römer beides ganz gut konnten).
Die Fantasielosgikeit der herrschenden Diskurse ist so gesehen mehr als nur ein ästhetischer Makel. Sie mag unsere Existenz ebenso bedrohen wie es in der Vergangenheit die "Visionen" von Wahnsinnigen getan haben. Ich habe da immer das Gefühl, in den Talkrunden verhandeln hochdotierte Taugenichtse darüber, wie sie ihren Mitmenschen das Leben noch ein bisschen schwerer machen können. Der Psychoterror der Ausgesorgt-Habenden, denen alles um sie herum egal ist. Deren "Vision" ist Gesellschaft als austariertes Gleichgewicht kleiner und mittlerer Tyrannen, mit deren Herrschaft sich die Menschen bis in alle Ewigkeit abfinden sollen.