1Das war zu Kants Zeiten ein allgemeiner Irrtum: Der Mensch ist von Natur aus Böse und wird durch Erziehung Gut. Daher muss man ihm den kategorischen Imperativ einprügeln. Im Gegenteil ist die Veranlagung zum Guten dem Menschen als sozietärer Spezies angeboren. Hilfsbereitschaft, Empathie, Schuldgefühl. Wenn wir jemand helfen, werden wir mit Wohlgefühlen belohnt, sehen wir jemanden Leiden, leiden wir mit. Wir haben Mit-leid. Man könnte sogar umgekehrt sagen, der kat. Imperativ ist der Gegenspieler zum Guten im Menschen. So als ob wir ein wissbegieriges Kind zum Lernen zwingen und ihm damit vermitteln, das ist eigentlich etwas Unangenehmes.
2Immanuel Kant sprach über das „radicale“ Böse als eine anthropologische Konstante, eine Anlage zur Neigung, dem Sittengesetz zuwiderzuhandeln.
Nur ist das Sittengesetz eben nicht das Gute. Moral und Gesetz sind nicht identisch. Zwar gehen moralische Vorstellung in Gesetze mit ein, aber eben nicht nur. Deswegen funktioniert der kat. Imperativ auch nicht. Er ist für seine Berühmtheit eine erstaunlich blöde Idee.
Hallo, vorweg danke für die Intensität mit der ich mit ihnen und anderen hier philosophieren kann, es ist mein Interesse, schafft mir Bildung und Verständnis und lässt mich in Dinge einblicken, die eine hohe Konzentration erfordern, was eine willkommene Herausforderung für mich darstellt.
1Kant unterscheidet ja Mechanismen der Natur und Mechanismen der menschlichen Wesensmerkmale. Als menschliches Wesensmerkmal betrachtet er das Böse, weil er eben, anders als die Natur, transzendentale Freiheit besitzt und Freiheit und Kausalität bei ihm miteinander verbunden sind. Nun gibt es Beispiele hier im Thread, die anderes darlegen, gewissermaßen besitzen Tiere eben doch auch transzendentale Freiheit, damit wäre auch "bewiesen", zumindest einige Tiere können zwischen gut und böse wählen, womit ihnen, wenn auch im anderen Maßstab, Moral zu käme. Dieses ist, niemand wird es abstreiten, sichtbares Mitgefühl. Ge
fühl hatte ich ja auch herausgestellt in Post#37 und ich erkenne folglich, auch Tiere besitzen eben Gefühle.
>>Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht so wohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt.<< (Immanuel Kant: AA III, 43) Diese transzendentale Freiheit kommt der Natur nicht zu und mMn ist diese Freiheit auch nicht ableitbar aus den hier im Thread genannten Tierbeobachtungen. Zumindest können wir es nicht feststellen (sollte jemand anderes wissen, gerne...). Kant schätze ich so ein, das auch ihm Beobachtungen von Haustieren nicht fremd waren, auch wenn "ich" in seinen Schriften darüber keinen Hinweiß kenne. Sein Naturverständnis baut auf der Vorstellung von der Natur als Schöpfung Gottes auf, der darin alles so zweckmäßig wie möglich eingerichtet hat. Diese war zur damaligen Zeit, immerhin vor den Darwin Theorien, üblich. Nun mag man dem entgegenhalten, nicht alles erscheint uns in der Natur zweckmäßig zu sein, diverse Arten sind doch ausgestorben. Aber für das Gelingen menschlicher Ordnungen können wir keine Naturmoral heranziehen, dieses bleibt nur eine nach menschlichen Maßstäben zu Grunde liegende Vorstellung von Moral.
Das Fühlen allerdings, ist ein letztes Wesensmerkmal, welches Glück und Unglück, Seligkeit und Unseligkeit, Freude und Trauer hervorbringt, letztendlich eben Gut und Böse mitbestimmen. Die Prädikate Gut und Böse, die nach Kant ausschließlich dem freien Willen zukommen können, sind Prädikate, die mMn sich auf die Vorstellung Kants über das menschliche Dasein beziehen. Kants Naturbegriff klammert den Menschen quasi aus, eigentlich ein Fehler?!
2Kants
kategorischer Imperativ (
>>Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.<<) kann ich nicht als gescheitert brandmarken, aber als überbewertet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorischer_Imperativ#Hoerster
Nun war Kant eben ein Mann seiner Zeit und immerhin hat er es geschafft, einiges Übel seiner Zeit zu zermahlen, andere Philosophen nahmen seine Gedanken auf und führten sie fort.
Schillers Kritik:
Gerne dien ich den Freunden, doch tu ich es leider mit Neigung;
-und so wurmt es mich oft, daß ich nicht tugendhaft bin.
Da ist kein anderer Rat, du mußt suchen, sie zu verachten;
-und mit Abscheu alsdann tun, wie die Pflicht dir gebeut.
Diese Epigramme waren eine Satire auf die herausgerufene Moralpflicht von Kant, Freude schöner Götterfunken!