Ich arbeite gerade an einem Vortrag über Liebe.
Hier mal ein paar Gedanken dazu, von Dr. Peter Decker:
Liebe und Liebesideal.
In ihrer Freizeit suchen die Menschen Liebe und dafür den Richtigen/die Richtige. Die Welt der Liebe ist als Gegenwelt zur Konkurrenz gedacht: Nicht kalte Berechnung, Vorteil auf Kosten anderer, Gegeneinander – sondern Miteinander.
1. Grundlage: Liebe. Angezogen-werden durch und Anerkennung, Wertschätzung der Einzelheit einer anderen Person: Auch Seele, Aussehen, Geruch etc. Im Unterschied zu Respekt und Freundschaft (wegen eines gemeinsamen Interesses schätzt man eine bestimmte Eigenschaft des anderen). Darin auch Überwindung der Scham und Aufgeben der sonst selbstverständlichen Distanz – körperlich und überhaupt.
2. Die Suche nach dem Richtigen.
a) Wenn aus Bereitschaft zu und Interesse an einer Liebe die schwierige Suche nach dem Richtigen wird, liegt etwas anderes vor, als das man mal schaut, wo sich ein Techtelmechtel ergibt. Da gibt es einen kritischen Blick auf die mögliche Zuneigung – nämlich ob sie dem Anspruch auf totale Entsprechung standhält. Der Partner soll durch seine Eigenschaften meine beständige Befriedigung, mein dauerhaftes Interesse an ihm garantieren. Hierhin gehören die Ideale von zwei Individuen, die wie Hälften seien, die zueinander finden müssten.
b) Umgekehrt geht die Suche – derselbe Anspruch – auf totale, unbedingte, d.h. durch keine bestimmte Eigenschaft bedingte und durch sie relativierbare Anerkennung. Man will als totale Entsprechung des anderen anerkannt werden. • Frauen argwöhnen, dass sie um ihrer Schönheit oder des Sex Willen geliebt werden; Männer wegen Geld und Ansehen. Das wollen sie nicht! Sie wollen als die ganze Person anerkannt sein, jenseits aller Eigenschaften, die sie zu bieten hat. • Mitten in der Praxis der Beziehung die Frage: „Liebst du mich eigentlich?“ Da genügt die Beziehung, wie sie ist, der Verkehr und die gemeinsamen Interessen, die man findet, nicht. Jenseits dessen fragt man nach der total positiven Einstellung. Diese totale Zuwendung ist durch keine praktische Zuwendung zu befriedigen.
c) Dieses Ansinnen totaler Entsprechung und totaler Anerkennung – aktiv wie passiv – ist erstens eine massive Zumutung und zweitens nur durch Selbstbetrug zu haben. Ein anderer hat eben seinen Willen und seine Interessen – und die sind nicht für mich in der Welt und nicht an mich angepasst. Die Entsprechung ist weder zu erwarten noch vernünftigerweise zu wünschen. In der Phase der Verliebtheit wird der Anspruch durch einen gewissen Selbstbetrug für eine kurze Zeit befriedigt: Man sieht bloß die Entsprechung, und den Rest nicht: „Blind vor Liebe“.
d) Schon die Partnerwahl ist nicht glückliches Erleben, lockeres es-darauf-ankommenlassen, mal sehen, ob sich Sympathie entwickelt und damit Leben, wenn sie sich nicht einstellt. Sondern sie geht sehr reflektiert, berechnend vor: Geld, Stand, Bildung, Aussehen – alles soll dem Wählenden gerecht werden und ihn vor sich und anderen schmücken. Es gibt eine Abprüfung des anderen, bei der er als Instrument meiner Befriedigung ins Auge gefasst wird. Bei den 33% Internet-Anbahnungen ist die Reihenfolge ohnehin umgekehrt. Von wegen Anti-Welt zur Konkurrenz, Berechnung, Nutzendenken: Kein freies Mögen und Finden, sondern eine angestrengte Suche nach dem besten erreichbaren Partner – weil das Ziel der Brautschau schon feststeht: Dauerhafte Beziehung, dafür muss man eine/einen abkriegen. Dies ist die Perspektive der jungen Leute auf SemesterFeten, Diskos, Internet-Match-Dienste. Oder umgekehrt. Dann aber gleich abwertend: One-Night-Stand, jemanden zum Ficken. Auch das ist nicht das lockere Verhältnis. Kurzzeitgeschichten werden als negative Alternative zu dem langfristigen, was gerade nicht geht, betrachtet.