Oh Du Fröhliche !
Geschrieben am 17.12.1998
Nach einem verschwitzten Abend bei knöchern trockenem Gänsebraten mit halbkaltem Rotkohl und Cappuccino ohne Zucker, den ich mit listig-dumm-naiven Kollegen in einem seitlichen Zweckraum mit der Bezeichnung eines ausländischen Städtenamens
im hiesigen Hypertroph-Möchtegern-Weltstadt-Hotel Remarque verbracht hatte, marschierte ich kräftig drauflos, mit Mütze und Regenmantel, durch peitschende, dünne Regenschauer hindurch, streng darauf achtend, dass mein Schritt diesen wuchtig-elastischen Swing behielt, den mir innere Erregung und Freude bescherten, weil ich mir sicher war, den müden Haufen einmal richtig aufgemischt zu haben.
Vorbei an teilerleuchteten Fassaden, die nur hin und wieder dunkle Lücken aufwiesen, aus denen jederzeit jemand hätte hervortreten und mich aus dem Gleichgewicht bringen können.
Vorbei am Lotterleben, in welchem sich hinter diskret hohen Fenstern die dekadente Geldprominenz des Sonnenhügels und des Westerbergs - schon angetrunken und mit rotgeränderten, kleinen Schweinsaugen zur alkoholischen Endlösung eines solchen Mittwochsabends trifft.
In Höhe des Pink Piano röhrte der schwarze Carrera mit dem Designer-Nummernschild XX-M - wie Michael an mir vorbei, bevor ich in die kälteste Straße der Stadt die Wilhelmstrassse einbog, und mich nach langgestrecktem Anlauf daran machte, die letzte Steigung bis zur Einmündung in die Mozartstrasse zu bewältigen, ohne auch nur eine Spur langsamer zu werden.
Sofort nach dem Schließen der Haustür spürte ich den Schweiß aus allen Poren dringen.
Ich riß mir die Kleider vom Leibe und suchte zwei Flaschen Bier aus dem Keller.
Die erste verglühte, wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, und erst gegen Ende der zweiten holte ich wieder Luft, um mich an die häusliche Umgebung anzupassen.
Es vergingen nicht einmal 10 Minuten, als mich bleierne Müdigkeit überfiel.
Soldi gelang es tatsächlich noch , mir die Highlights des Abends zu entlocken, bevor wir uns beide erschöpft in unser gemütliches Matratzenparadies fallen ließen.
Weil mir aber - trotz allergrößter Erschöpfung - die Gedanken wie Irrlichter im Kopf herum zu schwirren begannen, schaltete ich kurz den Fernseher ein. Allerdings ohne Ton, da Soldi sich schon auf die Seite gerollt hatte.
So erschien auf dem Bildschirm Bill Clinton mit dicken Tränensäcken und im Hintergrund eine schlabbrig herunter hängende USA-Flagge.
Ich sah, wie sich seine Mundwinkel beim Sprechen - typisch amerikanische Maultaschen bildend - bewegten, ohne dass sich in der oberen Hälfte des Gesichts etwas bewegte.
Da wußte ich, was die Stunde geschlagen hatte: mein aufgeregt leiser Aufschrei wurde von der schon fast eingeschlafenen Soldi mit einem verwaschenen "`lau``ch nich``" kommentiert, bevor auch ich mich, aufgewühlt , aber sterbensmüde - auf die Seite drehte und das Licht löschte.
Ich erwachte mit hämmerndem Puls und sehr plötzlich, aufgeschreckt durch die kalt-präzise Stimme des Radio-Nachrichtensprechers, der meinen Alarmnerven tief im Innersten getroffen hatte.
Die Meldung lautete : " die USA und Großbritannien haben die jüngste Behinderung internationaler Waffenkontrollen durch den irak mit massiven Luftangriffen beantwortet !
Gegen 23 Uhr MEZ schlugen am Mittwochabend die ersten Marschflugkörper auf irakischem Boden ein.
Präsident Clinton sagte in einer Fernsehrede, er habe eine Serie massiver, andauernder Luftangriffe angeordnet.
Diese sollten Saddam Hussein eine machtvolle Botschaft übermitteln.
Der britische Premierminister Tony Blair erklärte in London in einer Fernsehansprache "...........................etc
kataskopos