Ich halte deine Kritik für etwas überzogen, teile sie nicht, will aber teilweise darauf eingehen:
a) Seriösität/Quelle
- Der Teil ist für mich relativ irrelevant, da es mich nicht interessiert, wer genau der Verfasser ist und unter welchen Umständen das Modell der Alternativen Hegemonie entwickelt wurde
- Eine gute Idee macht man nicht an der Person des Autors fest, solange er kein bekannter Extremist oder Lobbyist ist, sonst hätte es in der Weltgeschichte nur wenige gute Ideen gegeben
- Ich gehe davon aus, dass die federführende Erich von Werner Gesellschaft im Jahr 2018 noch relativ klein ist und gerade erst mit ihrer Tätigkeit beginnt. Jeder fängt mal an und sich überhaupt solchen Fragestellungen zu widmen, nötigt schon Respekt ab. Da werden im Moment noch wenige Leute sehr viel selbst finanzieren und da sind Abstriche voll ok. Von daher für mich kein Kritikpunkt.
- Ein Quellenverzeichnis braucht es auch nicht, wenn man keine Quellen benutzt. Zumindest habe ich keine Bezüge gefunden, sondern das scheint mir eine eigene Idee zu sein. Auch so etwas soll es geben. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es sich um kein Plagiat handelt.
- Zudem bin ich in mehreren Wissenschaftsportalen aktiv und weiß, dass Uploads von der Redaktion geprüft werden. Das Modell findet sich überall dort, wo ich auch aktiv bin. Das heißt die Mängel, die du siehst, siehst du alleine
Man kann Größe, Professionalität und Hintergrund des Autors/Verlegers vielleicht dann ignorieren, wenn das vorgelegte Werk inhaltlich entsprechend ausgearbeitet und belegt ist. Da dies aber nicht der Fall ist, werden diese sekundären Charakteristika wichtig.
Außerdem sollte man nicht außer Acht lassen, dass die Umsetzbarkeit einer Idee direkt abhängt von der Glaubwürdigkeit, Expertise und Fähigkeiten ihrer Proponenten. Die Betrachtung des Hintergrunds ist also durchaus nicht zu vernachlässigen. Die meisten historischen Ideen sind direkt mit ihren Autoren verbunden, in deinem Beitrag hast du selbst eine Figur der Geschichte als Vergleichspunkt aufgezeigt, Karl Marx.
Ein Quellverzeichnis ist unverzichtbar. Die angesprochenen Werte, die die Teilnahme definieren… sind nicht eineinheitlich definiert, es müsste also der theoretische Hintergrund beleuchtet werden, aber auch bei den wenigen genannten Zahlen muss eine Quelle vorgelegt werden (Summe der BIP Einzahlungen z.B.). Es ist schlicht ein miserabler Stil.
Academia.edu hat keinen echten Peer-Review Prozess und keine wissenschaftlichen Mindeststandards wie echte akademische Netzwerke und Publikationen. Das ist ein kommerziell geführter Dokumentenserver, der so tut als hätte er akademischen Anspruch. Bei etwa 80.000.000 Nutzern der Seite wäre eine redaktionelle Prüfung auch garnicht möglich.
b) Inhaltlich
- Wenn dem AH-Modell eine demokratische Legitimation fehlt, fehlt es der UNO, Nato der EU und praktisch allen überstaatlichen Institutionen auch an Legitimation, denn wenn die Beschlüsse von Regierungen nicht genügen, kann es die niemals geben. Das AH-Modell ist damit genauso demokratisch legitimiert wie UNO & Co.
- Die 2%-Finanzierung würde ich nicht so hochhängen. Sie sind Verhandlungssache der Realität. Ich denke, die 2% orientieren sich an dem Vorschlag zum Nato-Beitrag oder ähnlichen Beiträgen. Für mich sind die 2% ein realistischer Platzhalter
UNO und EU haben durchaus demokratische Legitimationsprobleme, die NATO ist ein strategisches Militärbündnis, das ist eine andere Organisationsform, die in dem Sinne keine Legitimation braucht.
Sollte sich das tatsächlich an den NATO Aufwendungen orientieren, wäre das noch viel schlimmer, weil deutlich wird, dass der Autor Zahlen willkürlich herausgreift, anstelle sich an bestehenden Strukturen wie Bildungs- und Forschungsaufgaben zu orientieren, die Zeit- und Kostenrahmen solcher Projekte zumindest fundieren könnten. Das wäre nur ein weiteres Zeichen für die schlechte und ungenaue Arbeit des Autors.
- Deine Bemerkungen zum Forschungsablauf halte ich auch für viel zu kritisch. Hier wird ein Modell vorgestellt und ein Grundprinzip. Das muss heute nicht bis ins Detail ausgearbeitet sein, denn solche Details werden erfahrungsgemäß sowieso im Rahmen eines zähen Prozesses konkret verhandelt. Solche Details würden auch die Idee ersticken. Mir langen die ca. 90 Seiten voll und ganz um zu erkenne, ob eine Idee etwas taugt oder nicht. Nicht sicher bin ich mir, aber ob du sie gelesen hast, denn da steht doch auch, dass man die Marktmacht nutzen kann, um Know-How aufzukaufen.
Mich interessieren neue Ideen und nicht diese Detailverliebtheit. Auch andere Systeme waren nicht von Beginn an ausgearbeitet, sondern sie entwickelten sich in der Realität. Außerdem scheint das eine erste Schrift zu sein. Woher weißt du, woran noch gearbeitet wird?
Wenn es ein Grundmodell ist, so ist der Ansatz eines Zeitplans, geradezu absurd. Der ist aber sehr konkret vorhanden. Wissenschaft und der Aufbau von Forschungseinrichtungen ist extrem komplex, nicht nur wegen der benötigten Ressourcen im technischen und materiellen Sinne, sondern besonders auch wegen des notwendigen Personals. Hier nicht mal den Ansatz einer Strategie aufzuzeigen ist naiv bis über beide Ohren.
Marktmacht haben vor allem die Eigentümer von Patenten und Knowhow, man kann das nicht einfach kaufen.
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass an dieser Idee wirklich gearbeitet wird, die Auftritte des Autors sind stümperhaft und er schreibt offensichtlich vollkommen willkürlich in verschiedenen Genres, hat keine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit….
Detailverliebtheit ist deshalb von hoher Bedeutung, weil wir uns in einer komplexen Welt mit einem vergleichsweise hohen Lebensstandard befinden. Die Wahrscheinlichkeit, das fundamental zu verbessern ist sehr gering, es zu zerstören ist vergleichsweise einfach. Deswegen würde ich auch nie einem dahergelaufenen Autor von knappen 90 Seiten vertrauen, der behauptet bis 2060 Diktaturen auslöschen zu können.
Den Kommentar zur geschichtlichen Wirkung verstehe ich nicht. Letztendlich ist die Sowjetunion nicht durch Liebe oder Waffen zerbrochen, sondern durch einen wirtschaftlichen Wettlauf. Genau diese Kräfte werden hier wieder bemüht. Was ist denn deine Alternative? Warten und beten, bis die Welt ganz toll wird? In der Realität sieht es doch so aus, als wenn der Westen durch die Asiaten abgelöst werden wird und die autoritären System gewinnen würden. Denk an China! Die Blöcke kommen doch sowieso wieder! Ist es nicht sinnvoll, wenn wir die Steuerung übernehmen und sie zum guten Wenden? Die Welt verändert sich doch gerade so massiv und du tust so, als gäbe es keinen Handlungsbedarf.
Es gibt nicht den kleinsten Hinweis, dass diese „unsichtbare Hand“ positiv wäre. Sich hinzustellen und zu behaupten, man wolle das Beste ist bedeutungslos, es muss bewiesen werden. Und der gesamte Stil dieses „Buchs“ trieft geradezu vor autoritärem-diktatorischen Denken, die Wortwahl „unsichtbare Hand“ allein ist schon Grund genug.
Die Blockbildung mit dieser starken Wertbindung würde unzweifelhaft zu einem massiven neuen kalten Krieg führen, wobei die autoritäre Führungssystematik dieses Systems vermutlich zu einem alles blockierenden inneren Konflikt führen würde.
- Es handelt sich offensichtlich um die Grundzüge einer neuen Idee. Die grundsätzliche ethische Richtung ist auch deutlich. Aus dem Fahrplan geht meiner Meinung nach hervor, dass sich an der genauen Ausarbeitung in Zukunft viele beteiligen sollen. Es steht doch da, dass der Wertekatalog in den nächsten Jahren noch entwickelt werden soll und das in einem breiteren Rahmen, der durch die Veröffentlichung erst geschaffen werden kann? Oder was würde passieren, wenn ein relativ kleiner Personenkreis den präsentiert? Bei einem öffentlichen Interesse würde der sowieso wieder verändert und diskutiert werden. Daher ist die Idee, denn erst im größeren Rahmen zu schaffen 100% richtig und klug.
Das ist in sich bereits ein Zeichen der absurden Naivität und Unüberlegtheit des Autors. Einen Zeitplan zu konterkarieren mit der, nennen wir es mal Strategie „finden wir dann schon noch raus“, muss scheitern. Es ist bei allem Grassroots Movements der letzten Jahrzehnte gescheitert, egal ob die Occupy Bewegung, die Piraten oder aus der Sicht ihrer Gründer die AfD.
Schau doch mal die großen Theoretiker der Vergangenheit an. Die haben Jahrzehnte damit verbracht ihre Modelle, Weltbilder und Ethiken zu entwickeln und dann in monumentalen Werken niedergeschrieben, eben weil ihnen klar war, dass das Durchdenken eben auch bedeutet, sie kritikfest zu machen, auszuarbeiten…. Leute wie Scheidel, Diner, Nietzsche, Marx, Bigley, Fromm, Freud, Jung, Dostojewski, Solschenizyn, Böll… sind die Maßeinheiten, an denen sich Autoren messen lassen müssen, die behaupten eine so herausragend die Welt verändernde Idee zu haben.
Und dabei ist die Idee hier ja noch nicht mal originell. Wie du ganz richtig erkannt hast, ist das einfach nur eine leichte Abwandlung der Rüstungsspirale die die Amerikaner in den 80ern benutzt haben um die Sowjets in den Abgrund zu treiben.
- Das AH-Modell verfügt über Kontrollmechanismen. Vorgeschlagen wird ein Modell wie bei einer Aktiengesellschaft. Hier lässt sich auch überlegen, ob man dieses Kontrollorgan nicht durch die demokratisch legitimierten Regierungen einsetzen lässt, sondern sie sogar durch die Völker wählen lässt. Wenn du das Modell als diktatorisch-monopolistisch ansiehst ist es jede internationale Organisation.
Die Kontrollorgane einer Aktiengesellschaft haben sehr begrenzte Einsicht in die tatsächlichen Vorgänge und wären sowieso die Staaten, wenn man Eigentümerkontrolle im Sinne der Aktionärsversammlung berücksichtigt. Der tägliche Ablauf und zum Beispiel Sanktionsentscheidungen wären entweder Aufgabe der Exekutive, also des Managements oder eines Kontrollgremiums. Wäre es ersteres, ist das diktatorische Element klar, Zweiteres und wir haben im Endeffekt die EU/UNO mit einem höheren Forschungsbudget. Und dann hätte man wieder das uralte Hegemonialproblem, dass Supermächte wie die USA und auf absehbare Zeit vermutlich China eine vollkommene Übermacht hätten.
Dass solche Mechanismen nicht ausgereift sind, ist aber eben genau das Kernproblem. Wir wissen bereits wie sich solche Organisationen dann entwickeln, diese AH-Modell ist also keine Alternative sondern ein unausgereiftes Luftschloss.
Auch deiner Zusammenfassung kann ich nicht folgen. Wir haben hier eine sehr interessante neue Idee, wie die Probleme der Welt gelöst werden können. Größenwahn sehe ich nicht. Wenn das Größenwahn sein soll, waren alle Ideen der Weltgeschichte vom Größenwahn geprägt. Alle, die Ideen haben oder etwas verändern wollen sind dann größenwahnsinnig. [/QUOTE]
Nein, die meisten positiven Ideen waren schlicht ausgearbeiteter und haben ihre Probleme und Gefahren im Vorfeld klar gemacht und auch Lösungen dafür angeboten. Lies mal „Das Kapital“ oder Jefferson und die anderen amerikanischen Gründungsväter, dann siehst du was ich meine. Diese Idee klingt nur deswegen so toll, weil sie ihre tausenden Probleme einfach ignoriert und nicht mehr ist als eine Sammlung von Absichtserklärungen. Und genau das ist Größenwahn, denn der Autor sagt nichts anderes als „Das hier werde ich alles erreichen“.
Ich persönlich bin für jede neue Idee, die die Welt besser macht dankbar. Die hier ist sehr gut. Viele Detailfragen müssen noch gelöst werden. Das stimmt. Aber besser endlich anfangen, als gar nichts tun und nur herummäkeln. Würden wir auf solche Motzer hören, säßen wir heute noch in der Höhle und würden Felle tragen.
Der Punkt ist, dass man aus diesem Geschreibsel nicht erkennen kann, dass die Welt besser würde. Behauptungen sind bedeutungslos.
Du kannst mich gerne als Motzer betrachten, der Unterschied ist, ich will etwas erreichen durch Ausarbeitung, harte Arbeit und möglichst wenig Katastrophen unterwegs. Deine eigene Aussage, dass noch alle möglichen Fragen zu klären sind, ist der Punkt, warum dieser Autor und sein Buch ein Witz sind. Damit kann man nicht Führen und die Welt besser machen. Schlechter aber wäre sicher kein Problem