"Bürgerlich-konservativ"? Hmmm? Ich versuche es mal in knappen Worten. Konservativ bedeutet für mich, "Heimat und Kultur" als die brennende Fackel zu bewahren und weiterzureichen, ohne die Flamme auszutreten! Bürgerlich bedeutet für mich, keine geistige wie menschliche Verwahrlosung zuzulassen! Bürgerlich konservativ bedeutet, ein "selbstbestimmtes Leben zu leben" ohne auf staatliche Bevormundung und Alimentation angewiesen zu sein; Wissen und Können weiter zu vererben, statt Bücher zu verbrennen!
Abgesehen von der etwas pathetischen Ausdrucksweise - mit dem Weiterreichen von Fackeln habe ich es nicht so, da sind schon viele Häuser abgebrannt - ist es nicht unbedingt zielführend, unklare Begriffe mit anderen unklaren zu erklären. Was ist denn Heimat? Für mich ist es zuallererst die Deutsche Sprache, meine Muttersprache, die ich lebe und in der ich mich bewege wie ein Fisch im Wasser. Dann - und hier wird es schon kompliziert - eine Kultur, die mitnichten rein deutsch ist, sondern eine Gemengelage aller möglichen Einflüsse, die geschichtlich zugelassen wurden und aus denen sich etwas bildete, was man christlich-abendländische Kultur nennen mag.
Überhaupt würde ich behaupten, daß Deutschland immer dann groß war, wenn es offen war und sich seiner Verflochtenheit mit anderen Kulturen, Ansichten, Einflüssen, Kunst, Philosophie, etc. bewußt war und sich seiner Unvollkommenheit und damit auch seiner Bedürftigkeit der Einflüsse der Anderen nicht schämte. Wenn es sich abschloß und seine Vorherrschaft der Welt aufoktroyieren wollte, endete es immer in einer Katastrophe -am deutschen Wesen wollte nie jemand genesen.
Dann natürlich die Landschaften. Deutschland ist ein wunderschönes Land mit wunderschönen Regionen - aber haben Frankreich und England und Italien und die Türkei die nicht auch? Nun gut, wenn Du mich auf Regionalität festlegen willst, dann nenne ich das Rheinland, in dem ich lebe, und Schleswig-Holstein, das meine Seelenheimat ist. Sachsen ist mir fremder als die Ardennen oder die holländische Nordseeküste. die holländischen Küstenorte wie Zieriksee, Egmont, Bergen, Alkmaar. Meine Heimat ist nicht an Landesgrenzen gebunden, sondern an Seelenzustände. Da kommt noch Casteletto di Brenzone am Gardasee vor Pillnitz. Heimat ist, wo meine Seele - jetzt werde ich pathetisch, ich kann das auch - aufblüht.
Heimat scheint mir sowieso einer der mißverständlichsten Begriffe zu sein. Ich vergleiche den Text der Nationalhymne mit einem meiner liebsten deutschen Volkslieder, das von Heimat redet - "Kein schöner Land". Aber auch dieses Lied bindet sich an kleinste Einheiten: "wo wir uns finden wohl unter Linden". Ganz Deutschland dürfte da wohl keinen Platz gehabt haben. Heimat hat etwas mit kleinen und kleinsten Einheiten zu tun - in Neudeutsch: Heimat ist das, was noch face to face möglich ist: die Freunde, die Bekannten, die man auf der Straße trifft, die Ladeninhaber, die einen kennen. Übrigens: wenn ein Türke sich unter der Linde ebenfalls einfindet, gehört er auch dazu.
Diese Megaeinheiten wie das viel gerühmte Vaterland lehne ich ab. Ich habe eine Muttersprache, aber kein Vaterland.
Und bürgerlich? Verwahrlosung? Möglicherweise, wenn Du sie nicht eben doch wieder an Nationalitäten fest machen willst, könnte ich Dir recht geben. Ich habe nicht vor irgendwelchen islamischen Haßpredigern Angst, siondern vor denen, die bedenkenlos über einen Sterbenden hinweg steigen, weil sie ihn für einen Obdachlosen, also Minderwertigen hielten und weil ihnen ihre Bankgeschäfte wichtiger waren. Das Bürgertum, das früher ja auch immer ein Moment des Füreinandereinstehens beinhaltete, erodiert immer mehr zu einer "Laß mich mit Deinen Problemen in Ruh und stör meine Pläne nicht"-Gesellschaft, zu einer therapeutischen Gesellschaft - "für Deine Probleme gibt es Fachleute, also verschone mich" -, und die ist nicht an ethnische Grenzen gebunden. Wenn ich erleben muß, daß, als mir vor kurzem die Platiktüte riß, alle Deutschen griemelnd weitergingen - "ha ha ha, guck mal, der Trottel, wie gut, daß das nicht mir geschehen ist, hätte ja mehr Tüten kaufen können, der Blödel" -, aber aus zwei türkischen Läden sofort die Besitzer raus stürzten und mich mit neuen Plastiktüten überschütteten und mir beim Einpacken halfen, wenn ich erleben durfte, daß, als ich mir im Mai arbeitsunfällig die Hand und die Handwurzel brach, es meine islamischen Kollegen waren, die mich betüddelten, die deutschen Kollegen sich aber vornehm zurück hielten, dann weiß ich, daß Deine Definition des Bürgerlichen gerade unter den Deutschen sehr stark zurück geht.
PS für unseren Forumspinsel: dies ist ein Mehrzeiler!