Du hättest dir deine beiden Fragezeichen sparen können, wenn du meinen Link angeklickt hättest. Dein Vorwurf mit dem einfachen Denkmuster kannst du dir sparen!
Übrigens, das Gleichheitszeichen benutzt man in der Mathematik, die meines Erachtens dir wohl schwergefallen ist. Nichtmathematiker haben nun mal gravierende Mängel im logischen Denken. Das ist auch der Grund dafür, das zu viele diese Schnackerfächer , wie Psychologie, Soziologie und natürlich die Juristerei studieren etc.; die letzte Fakultät wußte sogar schon unser Goethe richtig einzustufen.
Ja ja, diese bösen Laberfächer
) bringen ja gar nichts gescheites zu Stande. Naja, da mich der Heinz schon auf eine baldige Antwort gedrängt hat, will ich ihn nicht enttäuschen und hier mal meinen Standpunkt vermitteln. Und - der Pecu wird es schon gewusst haben - werd ich einige soziologische Kriterien einbeziehen, die in diesen Debatten von Seiten der mephistos, der pecus und der heinzls ( wenn ich das jetzt falsch einschätze, verzeiht mir!) leider oft vernachlässigt werden.
Als Lektüre würde ich dringend das Buch: Kein schönes Land in dieser Zeit. Das Märchen von der gescheiterten Integration von Mehmet Gürcan Daimagüler empfehlen. Ganz interessant um mal eine andere Perspektive der ganzen Debatte zu erfahren.
Zu seiner Person: Dr. Mehmet Gürcan Daimagüler, geboren 1968 in Siegen als Sohn türkischer Gastarbeiter, studierte Jura, VWL und Philosophie in Bonn, Kiel, Witten-Herdecke, Harvard und Yale.
Und nun zur Problematik: Die Debatte wird, genau wie in diesem Thread, immer damit begonnen, dass über Gewalttaten einer bestimmten ethnisch-religiösen Gruppe berichtet wird. Man sieht das Phänomen, dass eine bestimmte Klientel in gehäufter Zahl zur Gewaltbereitschaft neigt und diese Gewalt an vorwiegend Einheimische entlädt.
Anstatt sich jedoch näher mit der Thematik zu beschäftigen wird dieses Phänomen, für sich allein im Raum stehend, ganz leicht erklärt: Es ist die Kultur! Vor allem der Islam!Und plötzlich wird es verallgemeinert: Die Türken passen hier nicht rein.
Mit welchem Ziel? Es wurde ein Sündenbock lokalisiert und dieser Sündenbock, dieser Fremdkörper soll nun anscheinend aus dem "Volkskörper" entfernt werden, zum Schutz der Sicherheit der Bevölkerung.
Die Konsequenz daraus ist heftig: Jeder Türke, ob nun mit deutschem Pass oder nicht ob hier geboren oder nicht, ist aufgrund seiner vermeindlich kulturellen Prägung potenziell gewalttätig. Eine
ganze Bevölkerungsgruppe wird also unter Generalverdacht gestellt.
Die Ankläger machen es sich einfach. Nach dem Motto: Wir können nichts dafür, dass die Leute sind wie sie sind, sie sollten sie lieber wieder verschwinden.
Interessant ist aber, dass ein Großteil der gewalttätigen Jugendlichen mit Migrationshintergrund hier in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Bedeutet, dass ein Jugendlicher, und dagegen kann er sich gar nicht wehren, durch die Tatsache seines Aufenthalts in Deutschlands keine "reine" kulturell-türkische/arabische/muslimische (usw) Prägung erfahren haben kann. Er wächst genauso mit Einflüssen aus der deutschen Kulturlandschaft auf. Das ist schon einmal der erste Knackpunkt. Weiter glaube ich nicht, dass eine Person einzig und allein dadurch zu einem irrationalen Gewalttäter wird, weil seine Familie ihm vorlebt, dass alle Nicht-Muslime scheiße sind. Vielmehr ergibt sich ein gewalttätiges Verhalten aus einer Vielzahl von Faktoren und aus der Wahrnehmung einer Opferrolle. Nun ich kann mir gut vorstellen, dass die Mephistos dieser Welt sehr emsig dabei sind, den Türken und all den anderen unliebsamen Bevölkerungsgruppen zu erzählen, wie schlecht sie eigentlich alle sind.
Meine Meinung: Gewalttätiges Verhalten einer bestimmten Klientel innerhalb einer Bevölkerungsgruppe weist auf eine irrationale Gegenreaktion strukturell erlebter Benachteiligung hin. Durch die ständige Konfrontation mit ihrer Andersartigkeit entwickeln diese Jugendlichen diese Andersartigkeit zur Tugend. Genauso wirkt sich die Schichtspezifische Problematik aus. Familien mit Migrationshintergrund besitzen oft eine komplett andere Realität, ihr Leben zu erfahren ( hervorgerufen durch finanzielle Möglichkeiten, die wiederum aus ihrer Vergangenheit als einfache Gastarbeiter resultieren) als die typische deutsche Mittelstandsfamilie. Weiterhin ist es bekannt, dass die Gewaltbereitschaft steigt, je ärmer ein Mensch ist. Ich kann mir vorstellen, dass Menschen mit Migrationshintergrund oft ein sehr ambivalentes Verhältnis zu ihrer Identität haben: Daimagüler schildert das sehr eindrucksvoll:
Wäre es mir möglich zu lieben, wäre es mir gar möglich ein Land zu lieben, ich hätte die Türkei geliebt. Auf Türkisch sprach ich meine ersten Worte. In der Türkei beerdigte ich meinen Vater. Nie wird die Türkei für mich nur irgendein Land auf einer Weltkarte sein wie Burkina Faso oder Argentinien.
Hätte ich diese Fähigkeit der Liebe zu einem Land- ich hätte auch Deutschland geliebt. Auf Deutsch spreche und träume ich. Eines Tages werde ich meine letzten Worte in deutscher Sprache sagen. Bin ich in der Welt unterwegs, fehlt mir Deutschland. Alles, was ich habe- auch wenn es nicht viel ist - und alles was ich bin, verdanke ich meiner Familie und diesem- meinem?- Land, Deutschland.
Wie hätte sich meine Liebe zur Türkei von der Liebe zu Deutschland unterschieden, wenn ich Länder lieben könnte? Der Unterschied ist: In Deutschland bin ich zu Hause. Deutschland ist meine Heimat, auch wenn ich hier manchmal wie Dreck behandelt werde.
Ein anderer Unterschied: Manchmal hasse ich Deutschland. Dann spüre ich eine Mordswut in mir. Es gibt viele Situationen, wen mir meine deutschen Landsleute zu verstehen geben, dass ich tun und lassen kann, was ich will, dass mein Unterfangen, hier anzukommen, aussichtslos ist, wenn ich mal manchmal wie Dreck behandelt werde. Einmal Ausländer, immer Ausländer. Es fällt mir dann schwer, mit dieser Hass-Beinahe-Liebe zu Deutschland und den Deutschen umzugehen. Wie soll man damit leben, wenn man sich so zerrissen fühlt? Nicht zerrissen zwischen alter und neuer Heimat- ich habe ja nur eine Heimat. Sondern zerrissen zwischen zwei Gefühlslagen, die einfach nicht in Einklag miteinander zu bringen sind." (S. 23)
Und ich denke, dass nicht jeder damit so umgehen kann und konnte wie Daimagüler. Auch bin ich mir sicher, dass die von mir aufgezählten Faktoren längst nicht alle sind.
Aber die alleinige Schuld bei einer Bevölkerungsgruppe zu suchen, halte ich für realitätsfern, gefährlich und propagandistisch á la: "Die Juden sind an allem Schuld."
Was Daimagüler fordert finde ich daher sehr richtig und vernünftig:
"Die meisten Enwanderer wollen sich integrieren und Teil der Gesellschaft werden. Regelmäßig stoßen aber viele auf verschlossene Türen und verschlossene Herzen. Das ist meine Erfahrung. Wenn es bloß um mich ginge, dann wäre es einfach mein persönliches Pech. Geht es aber Millionen so, dann ist das ein politisches Problem mit Sprengkraft, das wir gemeinsam lösen müssen. Einwanderer müssen integrationsbereit sein. Sie müssen Deutsch lernen und sich um eine gute Ausbildung ihrer Kinder bemühen, egal ob Jungen oder Mädchen. Die Mehrheitsgesellschaft muss sich öffnen und Einwanderung als positiven und notwendigen Beitrag für eine gute Entwicklung unserer Gesellschaft verstehen. Wenn beide Seiten ihren Beitrag leisten, dann wird es uns gelingen zu sagen: Deutschland ist ein schönes Land in unserer Zeit."