Eine lange Frage besteht aus den vielen Jahren, in der sie trotz Versuchen, nie wirklich richtig beantwortet wurde, und daher sehr lange im Gepäck der Erinnerung mitreist.
-> "Wenn du etwas wirklich willst, dann kannst du das auch, du musst dich nur bemühend anstrengen". Weshalb wird diese These vom Grund weg pauschal geglaubt und mit geistiger Urgewalt immer wieder verlangt, ob drüber nachgedacht wird oder es schlicht befohlen.
Denn es stimmt schon vom Grundsatz her niemals. Es stimmt nur bei Wenigen, wo beides aufeinander trifft.
Ich will mal versuchen, das zu erklären, weil ich beides kenne: dass es stimmt, und dass es nicht stimmt.
Natürlich kann nicht jeder alles, und es wäre eine Beleidigung, das zu verlangen.
Und manche Leute wollen etwas können, werden es aber nie, weil sie die Voraussetzungen dafür nicht mitbringen.
Und manche Leute, die könnten, werden sterben, ohne ihr Ziel je erreicht zu haben. Manchmal wirds an Kleinigkeiten scheitern. Schicksal, auch wenn man es nicht wahrhaben will.
Es gibt aber auch die andere Seite: dass Leute nur deshalb etwas nicht können, weil sie es nie probiert haben. Dass sie denken, wenn sie bisher nichts hinbekomen haben, werden sie nie etwas hinbekommen. Sie denken, das ständige Verlieren macht sie zum Verlierer, was in mehrfacher Hinsicht falsch ist. Manche denken auch, dass sie scheitern, weil sie in Wirklichkeit nicht genug wollen, was sie, wenn sie ehrlich sind, nie wirklich gewollt haben.
Um zu verstehen, was Willen und Können wirklich bedeutet, sollte man sich mal fragen, was man noch könnte, wenn man plötzlich von einem auf den anderen Tag blind wäre. Es bedarf eines gewaltigen Willens, dann weiterzuleben und seinen Tag danach auszurichten, dass man viele Möglichkeiten nicht mehr hat, die man vorher noch hatte. Es gehört zu einem positiven Weltbild, zu erkennen, was man noch kann, und zu schätzen, dass man es noch kann. Unabhängig von dem, was andere meinen, was du können solltest. Das ist dein Leben. Du solltest wissen, was dich im Kleinen glücklich macht.
Mich zum Beispiel macht Fahrradfahren ziemlich glücklich. Ich fahr am Wochenende gerne mal raus in die Natur, irgendwas zwischen 100 und 200 km. Das hört sich irre viel an, aber es ist ne einfach Rechenaufgabe: wenn du 10 Stunden lang 10 km/h fährst, was nur wenig mehr als Schrittempo ist, dann hast du deine 100 km drin. Ich fahr nicht nur wegen des Fahren, sondern auch, um die Natur zu geniessen. Mein Willen geht also nicht so weit, zu rasen und unsinnig Kilometer zu schrubben, nur um mal sagen zu können "ich schaff 300 km an einem Tag" - ich weiss, dass das geht, aber
ich will es nicht, denn dabei verlier ich zu vieles, was mir guttut.
Fahrradfahren mag nicht jedermanns Sache sein, ich erwähne es aber nur deshalb, weil ich in letzter Zeit kaum noch dazu komme. Als es mir finanziell und arbeitsseitig schlecht ging - ich hatte zwar Arbeit, war aber lange Zeit nicht glücklich damit - hatte ich jede Menge Zeit, das zu tun. Allein nur die Tourenplanung hat meinem Kopf genug zu denken gegeben. Momentan bin ich familienseitig so eingebunden, dass ich kaum noch dazu komme. Ich vermisse es. Und ich beneide momentan die Leute, die die Zeit haben, das zu tun.
Manche Leute halten das Kleine für unwichtig und das Grosse für irre wichtig. Wichtig ist aber nur, dass du deine Prioritäten kennst und bereit bist, dein Leben daran auszurichten. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das hat. Das Kleine, das dich glücklich macht, ist irre wichtig.