Das Aristoteles-Platon-Theorem APT
Die Frage, was eine Katze ist, würden angeblich Aristoteles und Platon unterschiedlich beantworten. Ich habe das nicht geprüft, aber ich erinnere mich an die Aussage eines Jugendleiters, der mich in die basalen Elemente der Philosophie eingeführt hat, als ich etwa 12 war. Diese Unterscheidung ist mir in Erinnerung geblieben. Demnach würde Aristoteles auf den anatomischen Bau der Katze abheben. Er würde die Katze von innen, ihren Organen aus erklären, ihrem biegsamen Rücken und dann zu ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten gelangen, aber immer unter dem Aspekt ihrer Aufteilung. Platon hingegen würde die Katze unter dem Aspekt beschreiben, welchen Ort sie in ihrer Umwelt, ihrer Ökologie einnimmt. Auch er würde ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten erkennen, aber immer unter der Voraussetzung und Beobachtung, wie sie dadurch mit ihrer Umwelt, zum Menschen, zu Mäusen und großen Jagdhunden wechselwirken würde. Diese biologische Spezies ist ein Ganzes in dem Sinne, dass sie aus den Anteilen erklärt werden kann und andererseits ein kleines Bruchstück der Natur und längst kein Ganzes, wenn nur die Natur ein Ganzes ist. Was ist sie denn nun, wenn sie nicht zwei Katzen ist? Wer bin ich und wenn ja wie viele... schreibt Richard David Precht in seinem berühmt gewordenen Buch über Entwicklung der Persönlichkeit. Selbstverständlich ist das Theorem nur ein erkenntnistheoretisches Bildnis für den Menschen.
Wir betrachten also den Menschen als Gesamtheit seiner Organ-Anteile, als erlebendes Ich, als Anteil seiner Gemeinschaft und als Teil einer Gesellschaft, falls es eine gibt. Indem Gemeinschaft und Gesellschaft weitgehend zerbrochen sind, hat sich der Mensch also verkleinert, weil die Platon-Erklärung kaum noch funktioniert. Je entfremdeter der Mensch, desto weniger Platon. Das ist auch insofern interessant, dass Platon oder platonisch ja bekanntlich mit der Sehnsucht, der Vergeistigung oder der Transzendenz gleichgesetzt wird. In sich hinein hören wäre aristotelisch, vielleicht noch buddhistisch, aber aus sich heraus hören, wäre demnach platonisch oder auf einen Gott gerichtet oder eben gar nicht mehr, Meditation versus Kontemplation. Wobei die zweite viel schwieriger ist. Auch ohne jetzt spirituell zu werden, selbstverständlich gibt es diese Aspekte des Geistigen - jedenfalls geben wir dem Menschen jetzt vier Ebenen seines Selbst:
innen – Bewusstseinsebene – außen – Transzendenz
Die atomare Ebene haben wir weggelassen, weil sie klassisch und tatsächlich als Bestandteil des Menschen nicht in Erscheinung trifft. Die Bewusstseinsebene, so könnte man argumentieren, tritt als Dreiheit, als Körper, Psyche und Geist in Erscheinung, oder auch als Verstand, Wille und Gefühl oder was derlei Spielchen noch mehr sind. Seine äußeren Ebenen treten als erlebte Gemeinschaft und als rein theoretische Gesellschaft in Erscheinung, als wie auch immer geartetes Über-Ich. Wobei wir jetzt rein materielle Aspekte, wie die Steuererklärung nicht zum Bestandteil seines Selbst erheben wollen…
Dennoch, irgendwie endet die Ichgrenze eben doch nicht bei der Haut. Ich meine jetzt auch nicht die Astralgrenze, über die gestritten wird, ich meine das viel profaner. Wie wir an Goethe oder Hitler sehen können, sind wir doch von ihnen nicht ganz so weit weg, wie ihre Leichname. Menschen hören im Tod eben doch nicht ganz auf zu existieren und auf irgend eine Weise müssen wir dem Rechnung tragen, dass wir alle im Leben bestimmte Wirkungen erzielen, je weniger mundtot gemacht, desto mehr, aber eben nicht Null. Langer Text kurzer Sinn, der Mensch ist nicht seine Körpermasse, er ist mehr und nach außen offenbar noch mehr als nach innen. Denn wenn wir an Goethe denken, so dachten wir jedenfalls bisher nicht an seine Leber.
Warum schreibe ich das hier und jetzt und zu einer Zeit, in der Wirtschaftsmodelle, Krisen, Kriege, Diskussion um Blödheit in der Politik oder Diktatur, um sich greifen und von oben den Menschen klein machen, am besten auf weniger Körpermasse beschränken wollen und sein Ausatmen zum CO2-Verbrechen aufblasen und seine kooperativen Fähigkeiten am besten für nichts achten. Also warum schreibe ich über Aristoteles oder Platon in diesem Sinne? Weil wir in der Realität MEHR sind als unsere Hautgrenze, in allen öffentlichen Verlautbarungen sind wir aber WENIGER.
Was mir besonders aufgefallen ist, dass wir in den Wirtschaftswissenschaften höchstens als Verbraucher auftreten. In allen angeblich vernunftbasierten Theorien, in der Spieltheorie, beim Nash-Gleichgewicht, vor Gericht, in unseren Fahndungsunterlagen, als Gemüsekäufer, als Werbeträger oder als Zielgruppe, als Kanonenfutter oder als Umweltsau, immer sind wir weniger, immer werden wir auf unser gieriges Interesse reduziert, als ob wir weniger als die Katze von Aristoteles wären. Platon ist längst gestorben. Die Spieltheorie ist eine streng rationale Entscheidungstheorie, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Mensch an seiner Haut zu Ende ist. Wenn er aber an die Gemeinschaft denkt, und nicht innerhalb seiner Haut gewinnen will, sondern in seiner Eigenschaft als Teil der Gemeinschaft, sind alle Wirtschaftstheorien beendet. Sie gehen alle am Wichtigsten des Menschen vorbei.
Wie käme ich dazu, meine Platon-Identität von mir zu treten um alleine gewinnen zu wollen und meine Geschwister um ihren Anteil am Leben zu bringen. Das Entscheidende am Leben ist ja gerade, dass es kein Spiel ist, sondern das ich alles was ich tue, zu verantworten habe. Wie käme ich zu einem Gefangenendilemma, wo es doch gerade das Wichtigste im Leben ist, nicht korrupt zu werden. Vor einigen Jahren studierte ein Freund von mir Wirtschaftswissenschaften. Aber nur bis zu dem Punkt, wo er das gierige Greifen und die Ausbeutung verstanden hatte. Er beendete das Studium mit den Worten, dass er nicht die Absicht hätte, weiter Milchmädchenrechnungen zu fabrizieren, das war ihm zu blöde geworden, immer das allerwichtigte außer Acht zu lassen. Es geht beim heutigen Wirtschaften eben nicht mehr um die alte win-win-Situation die seit der Mittelsteinzeit allen Handel möglich gemacht hat, sondern darum, dass ich mein Herz verhärte und aus dem arglosen Gesicht meines ehrlichen Geschäftspartners ein leidendes mache. Ich muss meinem Geschäftspartner das Fleisch aus dem Gesicht fressen um mehr Gewinn zu machen. Das Dämonische in mir muss alles Menschliche in mir abtöten, damit ich im Spiel des Lebens das Leben auslösche und nur das Spiel übrig bleibt. Es ist doch gerade das allerwichtigste meiner Existenz, dass ich zum Gemeinwohl und zur Verantwortung, zur Güte und Gnade finde und gerade nicht in der Spielhölle des Lebens meine Würde und die der anderen zerstöre. Material ist doch gerade dazu da, den Geist möglich zu machen, statt ihn zu töten. Win-lose ist doch gar nicht herstellbar, das Wesen eines sinnvollen Handelns ist es doch gerade, dass ich keine Situation schaffe, in der wir alle verlieren. Aber sehen Sie sich das Ergebnis des Kapitalismus doch an, wo ist denn da noch Markt, wo geht es denn da noch um Frieden oder Wohlstand? Immer wird mit dem Markt argumentiert und anschließend Spekulation aus allem gemacht. Am Ende der Spekulation wird genau das gefunden, was man oben eingefüllt hat. Indem ganz am Anfang das Bedürfnis zum Bedarf degradiert wurde und somit die Legitimität abgeschafft, finden wir am Ende der Argumentation und des unfairen Handelns nur die Prämissen wieder, dass wir unser Bedürfnis nach Menschlichkeit auf dem Altar des Bedarfes verbrennen, denn am Ende von allem findet man genau die Prämissen wieder, welche man oben eingesetzt hat. Und weil die Legitimität oben beim Markteingang an der Garderobe abgegeben wurde und gegen angeblich rationale Spieltheorie getauscht wurde, kommen unten die hungernden Kinder heraus. Das Spiel ist zu Ende ihr gierigen Deppen. Fangt endlich an zu leben.