Kultur ist die Art und Weise wie sich Menschen ihr Leben gestalten. Kultur setzt demnach erst ein, wenn es Gemeinschaft und einen Gestaltungsspielraum gibt. Wenn Menschen mit der Versorgung ihrer Grundbedürfnisse beschäftigt sind oder mit Sicherungs- und Abgrenzungsmaßnahmen, haben sie keine Kultur. Da die minimalen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, gibt es keine Kultur in Deutschland. Das Wort "Leitkultur" ist also eine typische Worthülse der Vorkriegszeit.
Der erste Teil soweit zur allgemeinen Begriffsklärung von Kultur.
Was fehlt, ist eine Aufstellung von Werten dieser Kultur. Oder gibt es diese gar nicht, sondern nur den allgemeinen Begriff "Kultur", und jeder kann sich selber was aussuchen, was ihm passt?
Der letzte Satz dann geht auf einen Teil der angesprochenen Problematik ein, aber er stimmt nicht.
Zum einen gabs in der BRD vor Jahren eine ziemlich große Diskussion darüber, ob diese "Leitkultur" durchgesetzt werden sollte,
und zum andern gibts selbst hier im Forum Leute, die meinen, wir bräuchten eine "christliche Leitkultur".
Hier mal aus wiki:
... Merz hatte die politische Variante des Leitkultur-Begriffes im Rahmen der Debatte über die Änderung des Einwanderungsrechts im Oktober 2000 formuliert, um damit notwendige Regeln für Einwanderung und Integration als freiheitliche demokratische deutsche Leitkultur zu begründen. Er argumentiert damit gegen Multikulturalismus und Parallelgesellschaften. Friedrich Merz, wie auch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, forderte, Zuwanderer müssten die „deutsche Leitkultur“ respektieren. Sie hätten einen eigenen Integrationsbeitrag zu leisten, indem sie sich den in Deutschland gewachsenen kulturellen Grundvorstellungen annäherten.
Daran erinnere ich mich noch recht gut. Das war 2000 (aus demselben Artikel).
2005 forderte Lammert "eine Fortsetzung der Debatte um die „Leitkultur“, da die erste „sehr kurze Debatte voreilig abgebrochen“ worden sei: „Zu den Auffälligkeiten dieser Kurzdebatte gehörte, dass es eine breite, reflexartige Ablehnung des Begriffes gab, obwohl – oder weil – sich in der Debatte herausstellte, dass es eine ebenso breite Zustimmung für das gab, worum es in der Debatte ging“"
Viel Worthülsen, aber nichts zu den eigentlichen Inhalten dieser "deutschen Leitkultur".
Wahrscheinlich wusste man nichts weiter dazu zu sagen. Christen (ich meine überzeugte Christen) fordern immer wieder eine "christliche Leitkultur". Es tut mir leid, aber dies ist auf derselben Ebene angesiedelt wie die heutige Forderung islamischer Politiker nach einem islamischen Staat Türkei.
Auch kommen dann immer wieder Erinnerungen an frühe Zeiten Deutschlands auf, als das Christentum in der Tat beherrschende Staats-Ideologie war, man eine Zwangschristianisierung durchführte und man keine andere Auffassung als die der Kirche äußern durfte.
Ich meine, wenn man den Begriff "Leitkultur" verwendet, muss man zum einen die Inhalte einigermaßen genau definieren, und dann bleibt die Frage, kann bzw. sollte oder darf es überhaupt in einem Land wie Deutschland eine "Leit"-Kultur geben, egal, wie diese aussieht?