Wie der BR ein bayerisches Wunderauto bewirbt und komplett zu fragen vergisst, wo eigentlich der Treibstoff dafür herkommen soll
Mai 12, 2021
Seit hierzulande immer mehr Menschen bewusst wird, dass der Verbrennungsmotor im PKW eine aussterbende Technologie ist, haben die meisten Deutschen 3 große Sehnsüchte: 1. Das Bernsteinzimmer wiederfinden 2. Gegen Italien ein Fußballspiel gewinnen 3. Der Welt wieder zeigen, was für prima, moderne Autos wir bauen können.
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Nun
hat der Bayerische Rundfunk den nächsten Hoffnungsträger aus der Taufe gehoben: Das bayerische Wunderauto von Roland Gumpert aus Ingolstadt fährt elektrisch,.
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Die Energie, mit der ich ein Auto bewegen möchte, muss immer erst irgendwo herkommen. Ich weiß, das klingt jetzt nicht nach eine spektakulären Neuigkeit, aber dieser allzu offensichtliche Umstand wird bei diesen sensationellen Geschichten um neuartige Wundermotoren so gut wie immer vergessen. Wir könnten uns die meisten dieser Geschichten komplett sparen, wenn Journalist:innen bei Vorstellung der scheinbar revolutionären Konzepte immer erst mal nachfragen würden: „Und wie tanken wir ein paar Millionen davon?“
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Was soll dann überhaupt der ganze Aufwand mit dem Methanol? Nun, das hat in der Tat den praktischen Vorteil, dass Methanol eine Flüssigkeit ist, die man ohne Weiteres in einen Tank kippen kann, während das Mitführen von reinem Wasserstoff nur unter großem Druck funktioniert, was Transport, Speicherung und Tankvorrichtungen deutlich aufwändiger macht. Na, das klingt doch großartig: Lässt sich wie Benzin tanken, funktioniert aber ohne Klimaschaden, Abgase und Motorenlärm. Wieso in aller Welt stellen Toyota und Hyundai dann überhaupt herkömmliche Wasserstoffautos und nicht Roland-Gumpert-Wundermaschinen her?
Kurze Antwort: Weil Methanol leider nicht an Bäumen wächst.
Lange Antwort: Welche Flüssigkeiten ihr auch immer in die Autos der Zukunft tanken wollt, die in diesen Flüssigkeiten gebundene Energie müsst ihr vorher irgendwo bereitstellen. Motoren kann man mit allem möglichen antreiben, zur Not vermutlich auch mit Ziegendung oder Capri-Sonne, die Frage ist dann immer: Wo bekommen wir den ganzen Ziegendung / die ganze Capri-Sonne her?
Ich habe neulich in Ehrfurcht vor schlauen Ingenieur:innen
die Daten der aktuellen Windrad-Generation auf Social Media gepostet: Die
Haliade-X von GE kann 14 Megawatt liefern. Das bedeutet, dass sie mit fünf Umdrehungen ihrer Flügel so viel Strom erzeugt, wie ein Tesla Model X mit größtem Batteriepack speichern kann bzw. mit einer Umdrehung genug, um damit 2 Tage lang einen Haushalt mit Strom zu versorgen.
Ein findiger Leser kommentierte sinngemäß: „Heißt das, ein Tesla speichert so viel Energie wie ein Haushalt in 10 Tagen nutzt?“ Genau (
mit 10 kWh täglichem Verbrauch / Haushalt). Ihr könnt mit 100 kWh entweder 500 Kilometer E-Auto fahren oder 10 Tage lang wohnen, so ein Auto ist also schon ein recht energiehungriges Geschöpf. Und jetzt kommt der Witz: Das gilt nur für batterieelektrische Autos, bei denen wir den Strom vergleichsweise verlustfrei direkt in die Batterie laden.
Fahre ich die 500 Kilometer mit einem 6-Liter-Dieselauto, dann verbrauche ich dafür aufgrund der ineffizienten Verbrennung
sogar 294 Kilowattstunden, also so viel wie ein Haushalt in 30 Tagen verbraucht. Die große Frage ist also: Wie viel Energie brauche ich, um einen Liter Methanol klimaneutral herzustellen? Für die Antwort gibt es eine ganze Reihe von Annahmen zu treffen und da es eigentlich der Job von Christoph Arnowski gewesen wäre, das herauszufinden, benutze ich jetzt einfach
die Daten des Bundesenergieministeriums.
Danach muss ich ungefähr 11,7 kWh Strom aufwenden, um einen Liter Methanol zu synthetisieren, mit dem das Auto von Roland Gumpert
laut seinen eigenen Angaben 9,5 Kilometer weit kommt.
Das ist sehr wenig, denn das Tesla Model S fährt mit derselben Energiemenge 6 mal so weit. Wir müssten unsere Kraftwerkskapazität fast verdoppeln, nur um genug Sprit für unsere Autos herzustellen. Also ja, das ist superpraktisch mit dem Methanol, wie schnell das getankt werden kann und wie hoch die Reichweite ist, aber würden hier nur solche Autos rumfahren, dann wäre der Sprit unfassbar teuer, reichte für ungefähr die Hälfte der Fahrzeuge und außerdem säßen wir komplett im Dauer-Stromausfall.
All das erfahren wir nicht im Bericht des Bayerischen Rundfunks, da gibt es lieber fetzige Drohnen-Überflüge zu pathetischer Musik, während der 540 PS-Supersportwagen über Landstraßen saust und so getan wird, als lehne die Autoindustrie das Konzept wider besseres Wissen ab.
Wenn das so weiter geht, ist „ÖR-Dokumentation“ bezogen auf die Energiewende bald ein Schimpfwort.
Anstatt zu recherchieren, was Millionen von Methanol-Autos an Energiehunger bedeuten, veranstaltet der Bayerische Rundfunk aber lieber vollkommen nutzlose Fahrtests, um die scheinbare Alltagstauglichkeit des Methanol-Autos zu demonstrieren. Der „Erfinder“ hat nämlich nicht nur einen Supersportwagen mit Methanolantrieb entwickelt, sondern im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums einen Smart auf Methanolantrieb umgerüstet. Dieser darf nun gegen einen E-Smart von 2014 antreten und ein 130 km „Wettrennen“ fahren, um die Tauglichkeit der beiden Antriebsarten zu vergleichen.
130 Kilometer Teststrecke für zwei Modelle, von denen eins als reines Stadtauto konzipiert ist und deswegen knapp 110 Kilometer Reichweite besitzt, na wird das wohl ausgehen? Für so einen absurden Unsinn zahlen wir echt Rundfunkgebühren… können wir das Budget für diesen Mumpitz nicht komplett ins ZDF Magazin Royale umschichten? ...
Ach ja, apropos Batterie: Solltet ihr denken, der Vorteil am Methanol-PKW könne sein, dass er weniger Rohstoffe verbraucht: In Gumperts Sportwagen
ist eine ziemlich große 70 kWh-Batterie verbaut. Es benötigt also die ganzen Rohstoffe der Batteriefertigung plus noch einmal einen Methanol-Reformer und Brennstoffzellen. Was soll dieser Spaß eigentlich kosten?
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