Viele scheinen obs der Gnade ihrer späten Geburt der Überzeugung, dass Deutschland nach 1945 auf nem weißen Blatt Papier entstanden ist. Dem ist mitnichten so!
Man kann ja gerne der Überzeugung sein dass die eigene Familie zur damaligen Zeit ausschließlich aus verhinderten Widerstandskämpfern bestand. Und das man selber in so einer Situation natürlich moralisch über allen Zweifeln erhaben wäre. Man sollten sich allerdings vor Augen führen, dass Widerstand was unbequemes, anstrengendes und ggfs. gefährliches ist. Etwas, was ganz besonders unseren vollkasko-versicherten Mainstream-Anhängern nicht unbedingt vorauseilt. Solche Eigenschaften scheinen mir derzeit eher bei den AFD-Parteimitgliedern verortet – spätestens seit Köln.
Wie auch immer waren es bestimmt nicht 50% der Bevölkerung hochverdiente Widerstandskämpfer!
Ganz im Gegenteil. Wenn die Besatzungsmächte fähige Leute mit Wissen und Erfahrung für den Wiederaufbau suchten, mussten sie zwangsläufig auch Leute nutzen, die noch 1-2 Jahre vorher auf der anderen Seite standen. Und wenn die gut waren, dann waren die auch im Nazi-Deutschland "Leistungsträger".
Bundeswehr, Geheimdienst, Staats- und Wirtschaftskonzerne, ... alles mit "Ex-Nazis" hochgezogen, die ganz profan die Seite wechselten. Hier mal ne Liste mit Politikern der Nachkriegszeit die vorher NSDAP-Mitglieder waren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste...eder,_die_nach_Mai_1945_politisch_tätig_waren
Die BRD und vor allem die Bundeswehr hat sich (zumindest in der Vergangenheit) ihrer logistischen Stärken gerühmt – Krieg spielen durften sie bis dato ja nur passiv. Dreimal darf man raten, wo diese Know-how entwickelt wurde ... also zumindest, bis man vor Moskau die Grenzen der eigenen Fähigkeiten von den Naturgewalten (und der Mangelwirtschaft) aufgezeigt bekam.
Und genau da liegt doch der Pfeffer begraben: Das "Handwerkszeug" ist nicht ideologisch, sondern zu was man es einsetzt! Die Waffen, die in Deutschland entwickelt wurden, sind Nachfolgeprodukte, basierend auf Weltkriegswaffen. Oder glaubt hier irgendjemand, da hat man 1955 alles verworfen und neue Steinschleudern entwickelt? Die Chemie-/Pharma-Industrie hat ein paar Jahre vorher Senfgas, Zyklon B (und vergleichbares) gemixt.
Und natürlich wird man in der Bundeswehr irgendwas aus der Zeit "über die man nicht spricht" finden. Aber ne alter Mauser macht noch keinen Nazi!
Dazu kommt, dass das Wesen eines Menschen (auch) "die Summe seiner Erfahrungen" ist. D.h. Du kannst den (hochverdienten) SPD-Poltiker nicht von seinem Leben in Nazi-Deutschland trennen. Genauso wenig wie unzählige andere auch. Die Frage ist doch, was sie aus dieser Zeit gelernt haben und wie sie das in späteren Jahren umgesetzt haben.
Mal davon abgesehen, dass Schmidt zu seiner aktiven Zeit mitnichten so "vergöttert" wurde, wie in den letzten Jahrzehnten seines Lebens! Aber wahrscheinlich wusste man damals nur nicht, was für Nulpen und Leichtgewichte nach ihm kommen würden.
Hier übrigens ein etwas fundierterer und besser recherchierter Beitrag zum Thema Bild/Schmidt:
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/ein-kniefall-vor-dem-zeitgeist/
VG