Aktuell erlebt Deutschland als EINZIGSTES Land dieser Erde einen solchen "Kulturschock", das ist korrekt, ja.
Was bitte nennst du denn ein Kulturschock?
Ich sag dir mal, was ein Kulturschock war: die Wiedervereinigung. Millionen von Leuten sahe sich plötzlich dem Kapitalismus ausgesetzt, es gab keinen grösseren Betrieb, der nicht plötzlich Tausende von Jobs einsparen und trotzdem um sein Überleben fürchten musste, ganze Berufssparten fielen über Nacht entweder weg oder wurden in andere zusammengefassst, und diese Leute sahen sich plötzlich einer gewaltigen Konkurrenz im Arbeitsleben ausgesetzt, mit Löhnen, die zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel waren. Ich war damals für 3 Monate arbeitslos und hab 720 DM (!!) Arbeitslosengeld bekommen. Davon ging die Hälfte allein für die Miete drauf. Dass es sowas wie Wohngeld gab, wusste ich nicht, man kannte das neue System ja nicht.
Aber weisst du, was der grösste Schock war? zum Beispiel:
- als ich nach der Währungsunion zum ersten Mal von "Westgeld" mein Frühstücksbrötchen bezahlen musste. Nimm das kostbarste, unveräusserlichste, was du in deiner Wohnung hast, und stell duir vor, du musst damit deinen morgendlichen Kaffee bezahlen. nicht, weilö du nichts anderes hast, sondern weil man nichts anderes mehr akzeptiert. Dann weisst du, wie ich mich gefühlt hab
- als ich sah, wie sich die Leute aus meiner Gegend veränderten. Für mich galt früher immer: wir Ossis sind die besseren Deutschen, und die Wessis sind arrogant. Dann arbeitete ich jedoch malö in einem Computeraden, zusammen mit 10 anderen, und die waren mega arrogant zu den Kunden. Klar, Wessis, dacht ich. Aber nach einer Woche hab ich gemerkt: alles Ossis. und die einzigen halbwegs sympathischen dort waren Wessis. Das war ein ein richtiger Schock.
Inwiefern ist jetzt die Flüchtlingswelle nen Kulturschock? Ich vermute mal, ohne die Massen an Heulmedien, die sich auf dem Niveau der BILD von vor 50 Jahren befinden, wüsstest du gar nicht, dass da überhaupt Kriminelle drunter sind. Ich will das Problem mit der Kriminalität und der Zahnlosgkeit des Staates nicht kleinreden - aber Kulturschock?
WIR KÖNNEN uns gerne hinsetzen und uns darüber unterhalten,
was uns andere Kulturen an Vorteile und Handelsware ( z.B geistiges Kulturgut ) bringen.
Das ist erstrebenswert, das ist Austauch und das ist auch eigentlich der sinnvolle Weg.
Aber die Leute,
die vor sowas Angst haben und es auch zu RECHT anprangern und sagen,
wenn wir jetzt wieder nur mit dem Kopf schütteln und NICHTS machen,
und wie die letzten 30-50 Jahre einfach nur zusehen,
zu stigmatisieren,
ist absolut KEINE GRUNDLAGE!
Die Gründe für die Stigmatisierung sind vielfältig. Manchmal halte ich sie für übertrieben, sogar kontraproduktiv. Manchmal kann ichs aber irgendwie auch verstehen.
Es ist ja nicht so, dass die Stigmatisierten jetzt wie verrückt den Dialog suchen würden. Das ist ja das, was ich hier immer anprangere: den Meinungs-Autismus, die Weigerung zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Dir werd ich das nicht vorwerfen, denn dein Bemühen ist deutlich ersichtlich, bei anderen hier siehts schon anders aus. Und was da am laufenden Bank wiedergekäut wird, ist weder Lösung noch Problembewusstsein, es ist Problemerschaffung zwecks Diffamierung. Was ich langsam verstehe und nachvollziehen kann, ist dass diese hemmungslos ausgelebte Negativität regelrecht süchtig machen kann.
Das Problem wirklich lösen zu wollen ist verdammt noch mal Arbeit. Allein es nur allumfassend zu formulieren, was da genau auf uns zukommt, ist schon Sisyphus-Arbeit, und die meisten wollen sich diese Arbeit gar nicht machen. Es reicht hier sehr vielen schon aus, wenn sie wissen, wo sie draufhauen dürfen. Das hab ich bei einem offenen AfD-Treffen mit Leyla Bilge auch beobachten können: solange sie rassistische Sprüche losliess, war ihr der Applaus sicher. Als sie aber ausführen wollte, was sie unter echter Flüchtlingspolitik versteht, ging die Hälfte des Saales nach Hause.
Über Religionen zu diskutieren ist in meinen Augen genau so hirnlos wie eine Diskussion darüber zu führen,
welcher Mensch nun der bessere ist...
Die einzige Wahrheit, oder SINNVOLLE was uns so ziemlich ALLE Religionen gebracht haben ist,
das sie uns vor Augen halten,
das wir uns vor den Konsequenzen unseres eigenen Handelns am Ende NICHT drücken können.
Das seh ich genauso. Das gilt für die Hass-Verbreiter aber genauso.
Als ich mir das Forum hier zum ersten Mal zur Genüge geführt habe, dachte ich: vielleicht hat der irrationale Hass hier einen rationalen Kern, der vor mir bisher versteckt wurde. Bisher ist meine grösste Enttäuschung, dass die Klischees über Rechts hier mehr bestätigt wurden, als mir lieb sein konnte. Manche sind schlichtweg Trolle, manche scheinen irgendein Trauma abbekommen zu haben, das sie jetzt an irgendwas auslassen müssen. Nur ganz wenige haben auch mal ein paar Argumente, die ich aber dreimal durchleuchten muss, nicht nur weil sie aus Quellen stammen, die ich für "unsachlich" halte, sondern weil manches "Argument" nur auf einer Meinung basiert und nicht auf Fakten.
Immerhin, eins hab ich auch gelernt: ich kann mich auch hier darauf verlassen, dass sich früher oder später der Mensch hinter dem Avatar zeigt. nicht bei allen, aber doch bei manchem, wo ich es so nicht erwartet habe.