Hallo agano.
"Wäre Julian Assange ein Chinese, hätte ihm der Westen den Nobelpreis verliehen."
... schreibt "@Madversity" beim Internet-Kurznachrichtendienst Twitter.
Mag ja durchaus sein, aber ...
Mit dem von ihm gegrüdeten Internet-Organ Wikileaks beansprucht Julian Assange für sich
"die Politik der Hinterzimmer" zu entlarven. Doch mit seinen, als medienwirksam dargestellten Geheimnissen, inszeniert er lediglich Veröffentlichungen, mit allzu Bekannten. Die wirklich brisanten Themen bleiben im Verborgenen.
Um zu beurteilen, ...
[*]daß Westerwelle ein aggressiver und inkompetenter Außenpolitik-Neuling, arrogant, eitel und amerikakritisch sei,
[*]daß Kanzlerin Merkel unkreativ und nicht zum Risiko bereit ist,
dafür benötige ich nicht Wikileaks, oder eine Depesche, geschrieben von irgendwelchen Botschaftsangestellten, die, wenn sie mit ihren Vorgesetzten in der Heimat kommunizieren, in diesen Depeschen recht authentisch, aber ohne viel Höflichkeit schreiben ... die ist dort fehl am Platze.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Seehofer gilt dem Bericht zufolge bei den Amerikanern als "unberechenbarer Politiker mit begrenztem Horizont".
Solche Beurteilungen sind numal das tägliche Geschäft der Botschaften. Alleine durch die täglichen Presseschau der Botschaften entstehen viele solcher Aussagen.
So bezeichnete etwa die Süddeutsche Zeitung Angela Merkel im Bundestagswahlkampf als
"Teflon-Kanzlerin", weil alle SPD-Angriffe an ihr abglitten.
US-Botschafter Murphy bezeichnete die Kanzlerin erst einige Tage später - am
9. September 2009 - in einer von ihm unterschriebenen Depesche als:
"Angela 'Teflon' Merkel".
Worin liegt nun aber das Geheimnis?
... welches mit der Veröffentlichung dieser Dokumente begründet werden soll?
Wer sich mit dem Hintergrund von Julian Assange auseinandergesetzt hat, mit seiner Vita, seinen Gedanken, und sich dem ebenbürtig fühlt, der wird dies alles, seine "Enthüllungen" und Veröffentlichungen durchaus zu schätzen wissen. Aber
diese Art des Geheimnisses gehören - historisch gesehen - zum Rokoko, in die Zeit, als der Despotismus bereits den konstitutionellen Ratgeber kannte. Zu dieser Zeit lebte Politik von der Hofkabale, der mörderischen Intrige, von schlimmen Einflüsterungen.
Letztendlich ist Wikileaks
"die Wiederbelebung des anachronistisch gewordenen Glaubens an die Verschwörung als eigentlicher Triebkraft der Politik". Und wenn ein Nachrichtenmagazin Lauschangriffe, Parteispendenaffären und Vetternwirtschaft offenlegt und das Recht des Bürgers auf eine moralisch einwandfreie Politik einklagt, sieht es so aus, als wären die Zeiten wiedergekehrt, für einen Augenblick ... ein letztes Mal ... vielleicht.
der Spiegel ließ das Wort "enthüllt" in dicken Lettern auf der Titelseite prunken.
Gut, einerseits ist es richtig, sich der Geheimniskrämerei von Behörden zu widersetzen. Wenn aber Wikileaks große Mengen
Rohmaterial ins Internet stellt, ist dies nicht mehr das kontrollierte Leck - wie es Wikileaks im Namen trägt - ... es könnte gefährlich werden, dies ist ein Dammbruch ...
der Dammbruch.
Wenn Medien dies tun, können sie filtern, einordnen, Persönlichkeitsrechte schützen. Bei Wikileaks aber fehlen solche Garantien.
Wenn aus allen Fragen nach dem
"Warum" Fragen nach dem
"Wie" werden, erscheinen Gründe nur noch als Stilfragen, und das Analytische hat sich in Tratsch und Strömungslehre verkehrt.
„Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.“
- Theodor W. Adorno -
- Soziologe, Philosoph und Musiktheoretiker (1903-1969) -
... somit hätte sich alles
Wissen in
"Bescheidwissen" verwandelt.
Es mag ja durchaus der Fall sein, daß Du dies schön findest, aber ...
Menschen neigen zur Wichtigtuerei ... das gilt ebenso für Diplomaten. Somit wird der Ein oder Andere gegenüber seinem Vorgesetzten vielleicht Namen nennen. Wenn nun durch ungefilterte Dokumenten-Veröffentlichungen, in denen nicht nur eine "Quelle" genannt ist, sondern reale Namen, diese nicht geschwärzt werden, und diese Personen dann in Bedrängnis geraten, ja sogar um ihr Leben fürchten müssen, dann ist dies bestimmt nicht mehr lustig. Dies könnte sogar dazuführen, daß sich letztlich niemand mehr irgendeinem Reporter oder einzelnen Medien anvertraut, weil sie die Furcht des "nicht-mehr-sicher-seins" haben. Abgesehen davon, daß letztlich auch anderer Medien immer schwerer an diverse Informationen kommen werden, weil weniger geschrieben wird, bzw. nicht im Internet gespeichert wird. Somit wird dies alles letztlich das Gegenteil erreichen von dem, was mit diesen Veröffentlichungen erreicht werden soll ... nämlich Abschottung und Geheimniskrämerei statt Durchblick.
Es mag auch durchaus der Fall sein, ... dies was Du in Bezug auf Deine Freunde schreibst, ist aber bezeichnend.