Ob Deutschland einen Spitzenplatz in der Frage der Selbstkritik einnimmt, kann ich nicht beurteilen. Wir begehen oft den Fehler, anzunehmen, dass es etwas nicht gibt, weil wir nicht darüber informiert werden.
Dass Aufklärung im Nachhinein sinnvoll ist, siehst Du daran, dass bei uns die Erkenntnis weit verbreitet ist, dass in Kriegen gelogen wird. Dazu müssen die Lügen aufgedeckt werden. Ich erinnere mich an die Diskussion im Golfkrieg, der als besonders fernsehgerecht inszeniert galt. Die freigegebenen Bilder sahen aus wie in einem Videospiel. Die Kriegsberichterstatter wurden bequem in Bussen zu den Orten gebracht, von denen sie berichten sollten. Sie gingen keine Gefahr ein und wurden gut versorgt. Gleichzeitig wurde jede Eigeninitiative von Reportern unterdrückt. Darüber berichteten unsere Reporter. Und sie formulierten auch ihren Unwillen, sich an diesem Schmierendtheater zu beteiligen. Sie haben dann trotzdem berichtet, aber mit dieser Zusatzinformation.
Wie gut die russische Bevölkerung informiert ist, weiß ich nicht, weil ich kein Russisch kann. Da ich Russen aber nicht für besonders kriegslüstern halte, lässt ihre große Zustimmung zu den Kriegshandlungen in Syrien auf einseitige Informationen schließen.
Demagogische Herrscher festigen ihre Macht, indem sie Angst verbreiten und sich gleichzeitig als Beschützer vor erfundenen oder übertriebenen Gefahren darstellen.Sieh Dir doch an wie Erdoğan nach dem verhinderten Putsch seinen alten Freund Gülen so geschickt zu einer Gefahr aufbaute, dass selbst die Opposition sein Vorgehen gegen dessen Anhänger bzw. Personen, die er als Anhänger bezeichnet, unterstützt.
Es ist oft schwer, zwischen berechtigter Kritik, Hinweisen auf reale Gefahren und Errichtung eines Feindbildes zu unterscheiden.