Kein Land in Sicht?
VON ULRICH THIELE am 19. Oktober 2017
Zitat
Die Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis zwischen Union, FDP und Grünen sind in vollem Gange.
Doch wer regiert währenddessen das Land?
Was passiert, wenn die Parteien sich nicht einigen?
Ein Überblick über die möglichen Szenarien
Die Koalitionsverhandlungen für ein Jamaika-Bündnis werden nicht nur zäh sein, ihr Ausgang ist vor allem ungewiss.
Was passiert, wenn die Differenzen zwischen dem rechten Rand der CSU und dem linken Rand der Grünen unüberbrückbar bleiben?
Was passiert, wenn – anders als von Martin Schulz in der Elefantenrunde prognostiziert – Angela Merkel den Widerspruch diesmal nicht „aufsaugen“ kann
und keine Regierung zustande kommt?
Bleibt die Regierung handlungsfähig, während sich die Verhandlungen in die Länge ziehen?
Für die Bildung einer neuen Bundesregierung sieht das Grundgesetz keine Frist vor.
Der neue Bundestag aber muss spätestens 30 Tage nach der Wahl zusammenkommen – dieses Jahr also am 24. Oktober.
„
Die Ämter des Bundeskanzlers und der Minister erlöschen mit dem Zusammentreten des neuen Bundestages“, sagt der Bonner Staatsrechtler Josef Isensee.
In diesem Fall ersuche der Bundespräsident den bisher amtierenden Bundeskanzler und die wichtigen Minister, geschäftsführend weiterzuarbeiten.
„Wir haben dann so lange eine geschäftsführende Bundesregierung, bis durch die Wahl des Bundeskanzlers mit der gebotenen Mehrheit wieder eine reguläre Regierung zustande kommt.“
Das gilt selbst dann, wenn etwa die SPD Minister aus dem Amt zurückzieht, weil diese neue Positionen zu erfüllen haben.
Dann könnten die bisherigen Unionsminister die Posten übernehmen.
Regierung im Autopilot-Modus
In Belgien kennt man sich damit bereits aus. Nach den Wahlen 2010 stand das Benelux-Land 541 Tage ohne gewählte Regierung da – bis heute unübertroffener Weltrekord.
Aufgrund der Differenzen zwischen den Flamen und den Wallonen konnte sich der Sozialdemokrat Elio Di Rupo erst nach anderthalb Jahren das Amt des Premierministers sichern – mit einer Regierungskoalition bestehend aus Christdemokraten, Liberalen und Sozialisten.
Die flämisch-nationalistische NVA, die damals unter Bart De Wever stärkste Kraft des Landes war, wurde nicht an der Regierung beteiligt.
Auch in Deutschland dauerte es schon nach den Wahlen 2013 länger als die durchschnittlichen 38 Tage, bis die Regierung im Amt war – was vor allem an der SPD lag, die zunächst ihre Mitglieder befragen wollte.
Erst nach 86 Tagen raufte sich die große Koalition kurz vor Weihnachten zusammen. Dabei standen die Vorzeichen für eine Groko damals günstiger als heute für ein Jamaika-Bündnis.
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki hat bereits angekündigt, dass die Verhandlungen wohl über Weihnachten hinausreichen werden.
Nothaushalt
Wie werden in dieser Zeit Gesetze und der periodisch notwendige Haushaltsplan verabschiedet?
In Belgien war die Regierung anderthalb Jahre wie gelähmt. In den USA führte der Haushaltsstreit zwischen Demokraten und Republikanern im Oktober 2013 sogar dazu, dass die Regierung über zwei Wochen lang zahlungs- und handlungsunfähig war.
http://cicero.de/innenpolitik/jamaika-koalition-wenn-jamaika-scheitert
Ich hatte mich über das merkwürdige Wahlergebnis gewundert. Merkel sagte nach der Wahl, sie ist die Regierung.
Das bedeutet, sie kann schalten und walten wie sie will in der Zeit, was sie ja auch tut.