Aktuelles
  • Hallo Neuanmeldung und User mit 0 Beiträgen bisher (Frischling)
    Denk daran: Bevor du das PSW-Forum in vollen Umfang nutzen kannst, stell dich kurz im gleichnamigen Unterforum vor: »Stell dich kurz vor«. Zum Beispiel kannst du dort schreiben, wie dein Politikinteresse geweckt wurde, ob du dich anderweitig engagierst, oder ob du Pläne dafür hast. Poste bitte keine sensiblen Daten wie Namen, Adressen oder Ähnliches. Bis gleich!

Pjotr Alexandrowitsch Kropotkin Knuddelanarchist

PSW - Foristen die dieses Thema gelesen haben: » 0 «  

W

wafi

Pjotr Alexandrowitsch Kropotkin (1842 – 1921)

russischer Hochadel, Page des Zaren auf dessen persönlichen Wunsch hin, Militärakademie ... ein kleiner Bruch, statt Karriere in St. Petersburg oder Moskau zu machen zieht es ihn nach Sibirien. In Irkutsk lernt er, kurz nach der Flucht Bakunins, dessen Frau kennen, liest Proudhon und zieht per Pferd mit Verbannten ca. 8000 km durch Sibirien, verläßt das Militär 1868 nach einer Niederschlagung eines Aufstandes, studiert Geografie und reist durch Europa.

Er schloß sich der ersten Internationale an ... stellte zum Zustand der „elitären“ „Arbeiterführer“ fest „Diese Drahtzieherei seitens der Führer konnte ich mit den flammenden Reden, die ich sie hatte halten hören, nicht zusammenreimen. Ich fühlte mich abgestoßen“
In Genf trifft er auf die bakuninsche Sektion und lernt dort die libertären Uhrmacher, in Kollektiven zusammengefaßt kennen. Nach 12 Tagen stellt er fest „Ich bin Anarchist“ Btw. bemerkt, obwohl Bakunin nur einen Katzensprung weiter weg lebt, lernt er ihn doch nie kennen.

Da diverse Staaten irgendwie sich nicht damit anfreunden konnten, daß Kropotkin ein herrschaftsloses Miteinander forderte ... durfte sich Kropotkin des öfteren an den Annehmlichkeiten staatlicher Vollpension „erfreuen“, der Zar bedachte ihn sogar mit einem vierjährigem Aufenthalt nebst Redeverbot in der Zelle.

Ansonsten beschäftigte sich Kropotkin zunehmend mit Naturwissenschaft, wurde Redakteur der Zeitschrift Nature und fragte sich, wie denn aus naturwissenschaftlicher Blickrichtung Zusammenleben von Menschen definierbar sei. Besonders angetan hatte ihm ein Mensch namens Darwin. Während Godwin, Proudhon und Bakunin die Möglichkeit eines freien und gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen voraussetzten, fragte Kropotkin, ob diese Voraussetzung eigentlich stimmt oder ein Trugschluß ist. In seiner Replik „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt – Ein Faktor der Evolution“ auf Thomas Huxleys Sozialdarwinismus, stellt er fest, daß sowohl Konkurrenz, als auch gegenseitige Hilfe eben Grundlage der Evolution ist. Er führt aus, daß Konkurrenzverhalten selbst im Tierreich eher die Ausnahme unter bestimmten Voraussetzungen ist, z.B. Revierverhalten oder Paarungsverhalten, daß aber die gegenseitige Hilfe wesentlich intensiver ein Gruppenleben prägt. Eine „natürliche Auslese“ durch Konkurrenzverhalten sah er in keinem Fall bestätigt, eher im Gegenteil, dort wo gegenseitige Hilfe versagt, es eher zur Auslese durch widrige Umstände (wie Freßfeinde) kommt. Er kommt zum Schluß zu der Erkenntniß, daß sowohl Konkurrenzverhalten, als auch Solidarverhalten als Anlage bei Mensch und Tier vorhanden ist
„In dem großen Kampf ums Dasein – für die möglichst große Fülle und Intensität des Lebens mit dem geringsten Aufwand an Kraft – sucht die natürliche Auslese fortwährend ausdrücklich die Wege aus, auf denen sich die Konkurrenz möglichst vermeiden läßt“
Er kommt zur Erkenntniß, daß weder die Herrschaft des Menschen über den Menschen, noch die Herrschaftslosigkeit als Ordnungsprinzip zwingend ist, allerdings die Sozialisation durch Herrschaft kulturhistorisch Solidarität mehr und mehr verdrängt hat.
In dem zweiten Teil des Buches versucht Kropotkin die verschütteten, aber durchaus vorhandenen Ansätze von Solidarverhalten in der menschlichen Gesellschaft zu finden und belegt m.E. schlüssig, daß ohne dieses, teilweise nicht wirklich im Bewußtsein stattfindende Solidarverhalten, Gesellschaft zerbricht und der „natürlichen Auslese“ zum Opfer fällt.

Kropotkin negiert eine eindeutige Zuordnung wie ... der Mensch ist von Natur aus gut ... obwohl er sich alle Mühe gibt, diese These irgendwie zu untermauern. Erst seine Wiederentdeckung Godwins bringt ihn aus dem Dilemma, das er hatte, denn die Voraussetzung Proudhons und Bakunins, die eigentlich ein positives Menschenbild hatten, konnte er so nicht bestätigen. Godwin postulierte aber die Vernunft und genau an diesem Punkt konnte Kropotkin ansetzen, denn solidarisches Verhalten als Ordnungsprinzip ist eben im Sinne der Evolution als weiterführend zu erklären. Er negierte Konkurrenz nicht, sah diese in gesundem Maße und vor dem Hintergrund einer Ethik, die auf ein Gemeinwohl abgestimmt ist, durchaus als gewinnbringendes Element, aber eben als punktuelles Ereignis an und nicht als Regel.

Die soziologische Betrachtung interessierte eher nur einen kleinen Teil der sozialen Bewegung zu Zeiten Kropotkins, deshalb ist sein Buch „Landwirtschaft, Industrie und Handwerk“ (1899) deutlich bekannter gewesen und gewissermaßen die Basis des kommunistischen Anarchismus. Hier stellte Kropotkin die Frage ob die derzeitige Wirtschaft tatsächlich arbeitserleichternd und arbeitssparend funktioniere. Er kommt zu dem Schluß, daß genau das Gegenteil der Fall ist und nur Gewinnstreben Weniger die zentralistische Wirtschaft beeinflußt, wesentlich arbeitserleichternder, arbeitssparender, auch ökologisch sinnvoller, eine Dezentralisierung von Arbeit ist. Dezentrale, regionale Netze mit möglichst geschlossenen Kreisläufen erscheinen ihm wesentlich sinnvoller. Akribisch belegt er dies anhand von Zahlen und Statistiken, wobei der wesentliche Bereich ist, wie werden Produkte hergestellt und konsumiert unabhängig von den möglichen Profiten. Interessant sind die ökologischen Denkansätze, die zu dieser Zeit wohl ein ziemliches Novum in einer gesellschaftlichen Betrachtung war. Für Kropotkin allerdings ein maßgebliches Moment, denn gerade die zentralisierten Industriestandorte führten für ihn zu einer verhängnisvollen Abhängigkeit der Menschen und zu einer Trennung der Solidarsysteme nebst Abtrennung von Natur nebst Plünderung der Umwelt.

1917 kehrt Kropotkin nach 41 Jahren Exil nach Rußland zurück. Legt sich sofort mit Genossen Lenin an :“ Ich muß euch offen gestehen“ so in seinem Buch „an die Arbeiter der westlichen Welt (1919) „dass meiner Meinung nach der Versuch, eine kommunistische Republik gemäß den Richtlinien eines streng zentralisierten Staatskommunismus unter der eisernen Herrschaft der Diktatur einer Partei, aufzubauen, dabei ist, in einem Fiasko zu enden“ ... wohl wahr!

Der 1ste Weltkrieg bringt aber auch einen Bruch mit antimilitaristischen Anarchisten, die Kropotkin nicht verzeihen, daß dieser die Entente unterstützt, aus Angst vor einem preußischen Militarismus.

Als Kropotkin 1921 in dem Dorf Dimitrov stirbt, in das er sich nach dem Streit mit Lenin zurück gezogen hat, will die Partei ein Staatsbegräbnis organisieren. Dies wird von der Familie und Freunden abgelehnt. In Moskau wird Kropotkin zu Grabe getragen, über 100.000 Menschen nehmen Abschied, das letzte mal, daß die schwarzen Fahnen in Moskau wehen dürfen. Kropotkin war im Gegensatz zu Bakunin der erste „Knuddelanarchist“ ;-)
 

Wer ist gerade im Thread? PSW - Foristen » 0 «, Gäste » 2 « (insges. 2)

Ähnliche Themen

Ähnliche Themen

Neueste Beiträge

Warum Sozialismus?
Wie willst du sonst je wieder eine - echte grüne Partei - auf die Beine bekommen? Es...
Warum wird der Luftraum...
Es gibt aber einen Unterschied: Ich behaupte nicht, also muss ich das, was ich nicht...
Die totgesagte Welt
Der herrschende Materialismus betrachtet den Menschen und die Welt als sinn- und leblose Apparaturen.
Sektor für Sektor
Oben