Das ständige Lügen wird wiederkommen
„Und nun sagte sie etwas, was ich nie vergaß. „Alle diese Untersuchungen“, sagte sie, „die gründliche Erforschung der Stasi-Strukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen.“
Als wir verblüfft schwiegen, fuhr sie fort: „Man wird sie ein wenig adaptieren, damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert.“
Bärbel Bohley 10.1991
https://www.achgut.com/artikel/baerb...e_es_voraussah
Kommt Ihnen das bekannt vor?
Bohley und Beuys
Bärbel Bohley war zeit ihres Lebens eine scharfe Beobachterin der Natur. Das prägte vermutlich schon ihre Kindheit, wie das Zeichnen. Es ist nicht verwunderlich, dass ihr schon früh die Verschmutzung ihrer Umwelt durch die Schwerindustrie und die chemischen Fabriken aufgefallen ist. Da sie privilegiert war, konnte sie in den Westen reisen und tat dies mindestens einmal 1972, danach möglicherweise noch einmal zwischen 73 und 75. Zu dieser Zeit formierte sich im Westen die grüne Bewegung. In diese Zeit fällt auch unsere Erfahrung an der Grenze nach Berlin, die ich an den Anfang des Teil 2 gestellt habe. Das Regime war inhuman und verstockt.
BB wollte keinen Umsturz in der DDR, sondern ein Bewusstsein für die Umwelt-probleme schaffen. Die Kontakte zu den Grünen wurden ihr jedoch als Spionage ausgelegt. Die DDR-Führung glaubte, streng nach Marx, dass Höherentwicklung automatisch geschieht. Engagement war verdächtig. Joseph Beuys war zu dieser Zeit Mitbegründer der grünen Bewegung. Ob es das Treffen von BB und Beuys wirklich gab, ist vollkommen offen. Es spielt aber für den haltlosen Vorwurf gar keine Rolle.
Welch eine unglaubliche Dummheit des stalinistischen DDR-Regimes! Wie kam das Politbüro dazu, zu glauben, dass es die Umweltbewegung dauerhaft aus der DDR heraushalten könnte. Die Lösung wäre sehr einfach gewesen: Ein Regime nach Kant hätte BB einen Sekretär des Politbüros an die Seite gestellt und dann hätten sie gemeinsam für den Umweltschutz in der DDR gearbeitet. Sie hätten in BB eine hochintelligente, integre, eloquente Mitstreiterin gehabt. Aber zu Lösungen sind faschistische Regime nicht in der Lage. Statt dessen wurde BB ins Gefängnis gesteckt, für alle ein Nachteil. Dann wurde sie ausgebürgert, verbannt.
Seit Jahrzehnten wissen wir, dass Systeme dann funktionieren, wenn die entwickelten Einzelnen ihre Möglichkeiten zum Wohl aller und zum eigenen Wohl einsetzen können, nach dem Motto: Eine Hand für den Mann und eine Hand für das Schiff. Prüfen Sie die Systeme, ob das möglich ist, oder ob die Menschen mit beiden Händen für das Schiff arbeiten sollen oder mit beiden Händen für sich selbst greifen.
Nach der Wende wurde Bärbel Bohley keine Gerechtigkeit zuteil. Von den Grünen wurde sie fallen gelassen. Angeblich sei sie rechts. Sie konnte diese Schmähungen nie verarbeiten und wurde von niemand aufgefangen. Weil sie sich nicht mehr beruhigen konnte, wurde sie krank.
Wenn es so schwierig ist, ihr juristische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hätte man eben andere Wege finden müssen, ihr zu helfen, ihr von den Behörden zerstörtes Leben in Ordnung zu bringen, kulturell, sozial, ethisch, gesellschaftlich und oder politisch. Es hätte sehr wohl Möglichkeiten gegeben, aber dazu herrscht im Spätmitraskult gähnende Gleichgültigkeit. Eigentum stand auf beiden Seiten des Vorhangs über dem Leben, über der Würde und über der Kultur.
Privatquelle